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Giftaffäre: Kneissl hält nicht viel von Diplomatenausweisung

Russische Diplomaten wurden nicht aus Angst nicht ausgewiesen
Russische Diplomaten wurden nicht aus Angst nicht ausgewiesen ©APA
Die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung, keine russischen Diplomaten auszuweisen, hat laut Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) nichts mit eventuellen Ängsten vor russischen Gegenmaßnahmen zu tun. "Bei den Überlegungen des Außenministeriums und in der Absprache mit dem Bundeskanzler ist das nie ins Gewicht gefallen", sagte sie in Belgrad. Aus dem Ausland kam Kritik an dieser Haltung.

Die Entscheidung widerspiegle vielmehr die prinzipielle Haltung Österreichs. Das Instrument der Diplomatenausweisung habe man hierzulande immer “sehr sparsam” eingesetzt, diese Tradition setze man fort. “Gerade wenn es hart auf hart geht, muss man die Kanäle offenhalten”, sagte Kneissl der APA am Mittwoch in Belgrad. Das Beispiel USA – Iran (1980 wurden alle bilateralen diplomatischen Kontakte abgebrochen, Anm.) zeige, dass niemand von solchen Maßnahmen profitiere. “Das tut beiden Staaten weh.” Man wisse dann wenig über die Entwicklungen im jeweiligen Land, und müsse auf die Dienste anderer Botschaften zurückgreifen.

Mit Kanzler abgestimmt

Die Außenministerin bestätigte, dass der britische Botschafter in Österreich bereits am Mittwoch (also vor dem EU-Gipfel) eine Demarche eingebracht habe, “um uns zu bestimmten Maßnahmen zu animieren”. Am Samstag sei diese Demarche wiederholt worden. “Am Montag, als ich im Kosovo weilte, haben wir uns mit dem Bundeskanzler telefonisch abgestimmt über unsere Positionierung, die bekannt ist.” Kurz und Kneissl hatten am Montagnachmittag mitgeteilt, dass Österreich keine nationalen Maßnahmen in dem Fall setzen werde, anders als ein großer Teil der anderen EU-Staaten.

In einem Gespräch mit dem britischen Radiosender BBC verwies Kneissl am Dienstag auch auf den Gipfel von US-Präsident John F. Kennedy und Sowjetführer Nikita Chruschtschow im Jahr 1961. “Wir sind Heimstätte vieler internationaler Organisationen”, sagte Kneissl unter Verweis auf die OSZE und “verschiedene UN-Agenturen”. “Es ist unsere Tradition, Menschen zusammenzuführen, insbesondere in schwierigen Situationen”, betonte sie. Diesbezüglich führte sie die Zusammenkunft von Kennedy und Chruschtschow an. “Das war zur schlimmsten Zeit des Kalten Krieges und es hat einen Unterschied gemacht, dass das Treffen in Wien ausgerichtet wurde”, betonte Kneissl.

Kneissl betont Unabhängigkeit

Die Ministerin wurde in dem Radiointerview auch auf die russlandfreundliche Positionen der FPÖ angesprochen. Es stimme, dass die FPÖ einen Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei “Einiges Russland” habe. Doch Österreichs Entscheidung bezüglich der Giftaffäre sei auch vom “christdemokratischen” Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) getroffen worden. Zugleich bekräftigte Kneissl ihre Parteiunabhängigkeit: “Ich bin Mitglied keiner Partei, Sir”, sagte sie dem Moderator. “Ich persönlich stehe keiner Partei nahe.”

Rückendeckung bekam Außenministerin Kneissl von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, der ebenfalls das Abseitsstehen Österreichs bei der konzertierten westlichen Aktion gegen Moskau in der Giftaffäre verteidigte. “Hier wird mit leichtfertigen Vorverurteilungen Öl ins Feuer gegossen, mit unserer Neutralität ist das selbstverständlich nicht vereinbar”, betonte Gudenus am Mittwoch in einer Aussendung. Einige Länder seien “an einer Eskalation interessiert”.

“Natürlich muss dieser Mord (sic!) aufgeklärt werden, das steht außer Frage”, schrieb Gudenus mit Blick auf den Anschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter Julia. Laut Gudenus sei aber auch daran zu denken, “wie verfahren wird, wenn es nicht Russland war, das den Mord beauftragt hat”.

FPÖ-Kritik an Schieder

Der FPÖ-Abgeordnete unterstützte den “neutralen Standpunkt” und die “besonnene Diplomatie” von Außenministerin Karin Kneissl in der Affäre, während er SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder “ideenlose Äußerungen” vorhielt. “Es wird schon fast peinlich, wie die SPÖ versucht, krampfhaft immer neue Kritikpunkte und Skandale an der Regierung zu finden”, schrieb Gudenus mit Blick auf Schieder, der am Dienstag mangelnde Kohärenz in der österreichischen Position erkannt hatte.

Die Ex-Außenminister Artis Pabriks (Lettland) und Carl Bildt (Schweden) hatten Österreichs Verweis auf die Neutralität attackiert. Pabriks sprach von einem “schlechten Witz”. Der frühere OSZE-Sonderbeauftragte gegen Radikalisierung, Peter Neumann, machte sich über die von Kurz und Kneissl ins Treffen geführte Brückenbauerfunktion lustig: “Das ist Österreich, wie es seine Brücken zum Westen niederbrennt”, twitterte er. Kneissl replizierte, dass Österreich “zweifellos ein Land des Westens” sei.

Die russische Botschaft in Wien veröffentlichte indes ein sechsseitiges Dokument, das von der britischen Regierung angeblich 80 Staaten zur Untermauerung der Vorwürfe gegen Moskau übermittelt worden sei. “Die Qualität dieser bisher einzigen ‘Beweise’ zu kommentieren ist sinnlos. Jeder denkende Mensch kann seine eigene Schlussfolgerung ziehen”, zog die Botschaft über die “6 Power Point Seiten” her. Darin wird darauf verwiesen, dass das verwendete Gift “nur von Russland entwickelt” worden sei, Moskau ein Ultimatum zur Erläuterung habe verstreichen lassen und auf “30 verschiedene Arten” Desinformation betrieben habe. “Wir haben keinen Zweifel, dass Russland verantwortlich ist. Kein Land außer Russland hat die Fähigkeit, die Absicht und das Motiv. Es gibt keine andere plausible Erklärung”, heißt es in dem Dokument. Freilich geht die Argumentation nicht über Indizien hinaus.

(APA)

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