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Gift gegen die Lethargie der Schafe

Gerald Hörhan will durch Provokation die Jugend zum eigenen Handeln motivieren.
Gerald Hörhan will durch Provokation die Jugend zum eigenen Handeln motivieren. ©Edition A
Investmentbanker Gerald Hörhan über sein neues Buch „Gegengift“, Österreichs verkorkstes Bildungssystem und faule Jugendliche.

Manchmal trägt er einen Anzug. Wohler fühlt er sich aber im Punker-Outfit. Das trägt er auch jetzt, und er trägt es auch zu Geschäftsterminen. Der 35-jährige Wiener Gerald Hörhan entspricht nicht der Vorstellung, die man von einem Investmentbanker mitunter hat. Er fährt einen Aston Martin, hat über 100 Wohnungen, einen Magna- cum-Laude-Abschluss der Harvard-Universität und Wall-Street-Erfahrung. Er polarisiert gerne, auch mit seinem zweiten Buch „Gegengift“.

Sie bezeichnen Jugendliche in Ihrem aktuellen Buch als faul, als Arschkriecher, als Schafe. Haben Sie schon Drohungen bekommen?

Nein. Der Zweck des Buches ist ein anderer. Ich möchte die Jugend aufrütteln, damit sie sieht: So wie sie jetzt agiert, geht es einfach nicht weiter. Die Generation von 35 und darunter ist die, die am meisten für das, was heute in Europa passiert, bezahlen wird müssen. Und sie wird vermutlich in ein System einzahlen, aus dem sie nichts oder sehr wenig herausbekommt. Wenn jemand heute im Pensionsantrittsalter ist, bekommt er einiges heraus. Die Leute, die heute einzahlen, meine Generation, die werden nicht mehr viel herausbekommen. Weil die Töpfe leer sind.

Sie rechnen also nicht mit einer Pension?

Ich hatte am Vortag vor Jugendlichen einen Vortrag und habe gefragt, wer noch glaubt, dass er vom Staat eine Pension bekommt. Die Antwort war: keiner. Wenn man den Pensionisten etwas wegnehmen will, werden die Seniorenvertreter aller Parteien geeint auf die Straße gehen und sagen: Uns nimmt man nichts weg. Die Jugend hat keine Lobby und keine wirtschaftliche Macht. Die einzige Möglichkeit ist, dass man sich anstrengt und sein Schicksal selber in die Hände nimmt. Wer auf den Sozialstaat hofft, wird eine bittere Enttäuschung erleben. Der Staat wird euch nicht helfen.


Was macht die Jugend falsch?

Sie ist falsch gebildet. In unserem Bildungssystem lernt man, wie der Dinosaurier von rechts nach links wackelt, und welcher König welche Schlacht im Jahr 1547 gewonnen hat. Aber man lernt nicht, wie man es im Internet findet. Genauso wenig lernt man, wie man sein Geld investiert. Wie wirtschaftliche und politische Zusammenhänge funktionieren. Wie man mit Geld sorgsam umgeht. Und man lernt auch nicht, wie man gesund lebt. Unser Schulsystem ist vor 30 Jahren steckengeblieben. Von einer Kombination aus Lehrergewerkschaftern, Landesschulräten und Bürokraten wird es zunehmend zerstört.


Haben Sie politische Ambitionen?

Nein, ich bin Unternehmer.


Sie zeichnen ein düsteres Bild der Jugend. Sind wirklich die meisten, die sich bei Ihnen um einen Job bewerben, so schlecht?

Ich habe viele erlebt, denen der Biss fehlt. Viele Leute wollen ein fürstliches Gehalt, wenn sie sich bewerben. Aber wenn man ihnen sagt, dass sie am Abend arbeiten sollen, bekommen sie ein Burnout. Wenn ich Leute frage, was für einen Job sie suchen, sagen sie: Einen Job, der viel Geld bringt, wo sie wenig arbeiten müssen, viel Freizeit haben, kein Risiko und wenig herumkommandiert werden. Diese Jobs gibt es nicht mehr. Jugendliche machen es auch bei der Bewerbung falsch: Sie laufen alle zu einigen großen Konzernen oder zum Staat. Und hoffen, dass ein Personalbürokrat herausfindet, welches Schaf am besten blökt. Um dann Sachbearbeiter Nummer 387 oder 494 zu werden. Dieser Job ist leicht ersetzbar. Man muss sich anschauen, welche Firmen Zukunftspotenzial haben. Nicht, welche heute toll sind. Wird die Firma von einem Bürokraten oder von einem Visionär geführt?


Ich nehme an, Ihre Firma gehört nicht zu jenen, die Sachbearbeiter anstellen?

Sicher nicht. Aber wir bieten jungen Leuten die Chance, auch wenn sie keinen traditionellen Ausbildungs-Background haben, bei uns Karriere zu machen. Bei uns muss jemand ehrlich sein. Er muss Hunger haben, eine ordentliche Arbeitseinstellung. Und Geschäftssinn. Den Rest kann man lernen. Meine Erfahrung ist: Dass viele mit Migrationshintergrund, die hierzulande ungerechtfertigt stark diskriminiert werden, oft zu denen gehören, die die Wirtschaft antreiben.


In Ihrem Buch schreiben Sie, die Jugend sollte sich mit den Migranten solidarisieren, anstatt Strache zu wählen.

Österreich ist das Land, das von der Osteuropaöffnung am meisten profitiert hat. Wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich. Wenn Sie sich heute Wien anschauen, dann ist das eine andere Welt als noch vor 20 Jahren. Dann kann man nicht die Leute, die einem das ermöglicht haben, diskriminieren. Das macht ja keinen Sinn. Ich bin sicher nicht die Caritas, ich bin ein überzeugter Kapitalist. Aber wenn Sie weiterkommen wollen, müssen Sie offen sein. Dann dürfen Sie nicht Hass und Zwietracht säen. Sondern sagen: Strengt euch an und baut etwas auf. Nicht: Ihr gehört rein, ihr gehört raus.


Wie glauben Sie, geht es mit Europa weiter?

Ich bin kein Hellseher. Aber die wahrscheinlichste Möglichkeit ist, dass die Europäische Zentralbank auf die Notenpresse drücken wird. Das ist die politisch am leichtesten vertretbare.


Die sinnvollste?

Die sinnvollste wäre, in den Ländern, die sehr hohe Schuldenberge haben, Strukturreformen durchzuführen. Bürokratieabbau, einfache und unternehmerfreundliche Steuergesetze, höheres Pensionsantrittsalter und so genannte „sin taxes“. Sündensteuern sind eine nicht zu unterschätzende Einnahmequelle. Saufen, rauchen, schnell Auto fahren, Lärm bei Partys bis 6 Uhr früh, fettes Essen. Das soll man nicht verbieten, sondern entsprechend teuer machen. Damit kann man den Staatshaushalt sanieren. Ich fahre gerne und ich fahre schnell. Dafür würde ich auch mehr zahlen.Die Türkei exerziert es vor. Sie hat einen Benzinpreis von über 2 Euro pro Liter.


Das würde Griechenland retten?

Man müsste einen Restrukturierungsmanager nach Griechenland setzen, um das Land wieder auf Vordermann zu bringen.


Sie schlagen im Buch Warren Buffet vor?

Ja, der könnte das.


Was hätte er uns erspart?

Man hätte am Anfang sagen müssen: ‚Wir lösen das Problem, das ist die Lösung.‘ Dann hätten die Finanzmärkte eine kurze Schrecksekunde gehabt und das wäre es gewesen. So hat sich ein Staat nach dem anderen an der Krise angesteckt. Das Vertrauen der Bevölkerung, wie auch der Finanzmärkte, in die Lösungskompetenz der EU schwindet. Weil nichts geschieht.


Sie haben selbst Wall-Street-Erfahrung. Was sagen Sie zu „Occupy Wall Street“?

Das einzige Problem ist, dass die Demonstranten nicht wissen, was sie wollen. Aber ich habe Verständnis für das, was passiert, weil die Menschen Antworten suchen. Und die sucht sowohl der Fondsmanager, der nicht weiß, was er mit seinem Geld machen soll, als auch der Demonstrant auf der Straße, der nicht weiß, wieso er demonstriert. So lange es keine Antworten gibt, werden die Demonstranten auf der Straße, die Finanzmärkte weiter unruhig und Europa in Schwierigkeiten sein.


Sie haben in den USA gelebt. Ist das Land ein Vorbild?

Ich schätze den Aufbau­spirit. Die Amerikaner lösen Probleme. Das vermisse ich in Europa. Es gibt aber einige Punkte, die mir nicht gefallen. Es ist mehrheitsfähig, dass jeder Amerikaner ein Gewehr hat. Aber es ist nicht mehrheitsfähig, dass jeder eine kostenlose Mindestgesundheitsversorgung hat.


Was Europa an Staat und Sozialsystem zu viel hat, hat Amerika zu wenig?

Ja. Ein gewisses Mindestsozialsystem ist notwendig. Aber kein überbordendes, das Leute mit 55 in Pension gehen lässt, und in dem ein 25-Jähriger, der nicht arbeiten will, vom Staat erhalten wird. Dann wird für nachfolgende Generationen nichts mehr da sein. Wenn man jetzt sorgsam mit den Töpfen umgeht, wird auch in Zukunft für Härtefälle eine Mindestabsicherung da sein.


Sie geben sich rebellisch – und präsentieren konservative Ideen: etwa nicht mehr Geld auszugeben, als man hat.

Ich weiß nicht, ob das nicht heute schon rebellisch ist. Die meisten Leute geben mehr Geld aus, als sie haben. Schauen Sie sich die Staaten an. Schulden machen ist wie eine Droge. Am Anfang ist es cool, aber man kommt nicht mehr davon los.


Um in Aktien zu investieren, gibt es keine Geheimtipps, sagen Sie. Dann geben Sie uns doch bekannte.

Sie müssen sich besser auskennen, als jeder andere. Zumindest gut. Wenn Sie Skifahren, und es nicht können, landen Sie im Spital. Wenn Sie einen Sportwagen fahren, und vorher nie in der Fahrschule waren, landen Sie am Friedhof. Die meisten Leute gehen aber mit Geld so um. Das führt dazu, dass sie beinhart Geld verlieren. Der zweite Punkt ist: Man braucht ein System. Selbst ein schlechtes System ist besser als gar keines. Es verhindert, dass die Emotionen durchgehen. Das heißt: Wenn es ganz unten ist: verkaufen. Dann hat man Angst. Und wenn es teuer ist: kaufen. Das ist die Gier. Jedes System hilft ihnen dabei, das zu stoppen.


Sie preisen Ihre Freiheit, sind allerdings das halbe Jahr unterwegs, arbeiten von früh bis spät. Wie frei sind Sie wirklich?

Der Unterschied ist: Ich kann entscheiden. Ich müsste ja nicht. Unternehmen aufzubauen macht mir aber sehr viel Spaß. Und es bringt auch Geld. Wenn ich jeden Abend Party machen würde, wäre das viel langweiliger.

Zur Person

Gerald Hörhan Investmentbanker, Autor
Geboren: 28. Oktober 1975
Ausbildung: 1993 Matura BG Mödling, 1994–1998: Harvard University, Bachelor in Wirtschaft, Master in angewandter Mathematik.
Laufbahn: Assistent an der Harvard University; Analyst bei JP Morgan, New York; Berater bei Mc Kinsey & Co., Frankfurt, Seit 2003 Eigentümer der Danube Advisory Gmbh, Vorstand der Pallas Capital Holding AG
Familie: ledig

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