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Gery Keszler über den Wiener Life Ball: Drehscheibe für HIV-Hilfsprojekte

Er lässt zwar den Life Ball im kommenden Jahr pausieren, doch an Ruhe denkt Event-Organisator Gery Keszler nicht. Er sieht den Life Ball in Zukunft auch als Drehscheibe für HIV/Aids-Hilfsorganisatoren und deren Projekte. "Der Ball soll als Schulterschluss gelten, bei dem alle zusammenkommen", sagte Keszler in einem Interview.
2016 kein Life Ball in Wien
Keszler: "Bin selbst infiziert"


Seit Jahren zog Keszler große Aids-Hilfsorganisationen wie UNAIDS, die “American Foundation for AIDS Research” (amfAR), die “Clinton Health Access Initiative” (CHAI) oder die “Elton John Aids Foundation” (EJAF) an Land, brachte deren Organisatoren und damit auch große Prominenz nach Wien, wie Bill Clinton oder Elton John. “Ich möchte den Life Ball dahin bringen, dass er als Plattform für weltweite HIV/Aids-Hilfsprojekte und deren Vertreter gilt.”

Gemeinsam engagiert: Gery Keszler und Charlize Theron

Vor drei Jahren knüpfte der Life Ball Kontakt mit den Organisatoren des “Charlize Theron Africa Outreach Project” (CTAOP) der südafrikanischen Oscar-Preisträgerin. 2012 gab es erste Gespräche, bis der frühere US-Präsident Clinton die Schauspielerin ansprach und von dem Event im Wiener Rathaus erzählte. “Da war für uns eine Lanze gebrochen worden”, sagte Keszler. Charlize Theron kam 2015 erstmals zum Life Ball. “Da spürst du die Verwurzelung, sie ist total fokussiert auf ihre Projekte”, erzählte Keszler von der Begegnung mit dem Hollywoodstar, der beim Besuch seiner Hilfsprojekte “völlig ungeschminkt und entspannt” unterwegs war, wie er berichtete. Er habe da eine junge Frau kennengelernt, die “total unkompliziert aber mit voller Hingabe” ihre Hilfe tätigt.

Die Südafrikanerin, die als Darstellerin einer männermordenden Prostituierten (“Monster”) einen Oscar erhielt, setzt in ihren Projekten vor allem auf die Aufklärung junger Landsleute. Rund 35 Millionen Menschen leben weltweit mit dem HI-Virus, 19 Millionen Menschen wissen nicht einmal, dass sie infiziert sind. “Dass so viele Menschen nichts von ihrer Infektion wissen, hat viel mit Diskriminierung, mit dem Stigma HIV-Infektion zu tun”, meinte Keszler. “Und das zieht sich durch die verschiedensten Länder und Religionen durch.”

Der Life Ball-Organisator über “soziales Aids”

Der Life Ball-Organisator war im Sommer in Südafrika und hat sich die CTAOP-Projekte angesehen, die auch durch Life Ball-Gelder unterstützt werden. Was Keszler bei seinen Reisen auffällt: “Solange es das Stigma gibt – das ‘soziale Aids’, wie ich es nenne -, wird es in Zusammenhang mit Aids/HIV immer das Thema Diskriminierung geben.” Und davon ist Südafrika besonders betroffen. Denn der Zugang, mit dieser Krankheit umzugehen, werde international sehr unterschiedlich gehandhabt, ist Keszler sicher. “In Subsahara-Afrika, dem von HIV am stärksten betroffenen Teil der Erde, gibt es vielerorts eine Mentalität und eine Tradition, die noch dazu sehr stark mit Aberglauben verstrickt ist.”

In vielen Teilen von Südafrika hat etwa eine ältere Frau einen so hohen Stellenwert wie die eigene Mutter. “Sie werden auch als Mama angesprochen”, erzählte Keszler. “Dass sich dort – etwa in der Zulu-Region – ein Mädchen mit einem Kondom vor HIV schützt, indem sie in einen Supermarkt geht und eines kauft, wo eine reifere Frau an der Supermarktkasse sitzt, das ist schlichtweg unmöglich. Das ist so, als würdest du dort deine eigene Mutter um ein Kondom fragen”, so Keszler. “Aufklärung ist dort nicht existent, so wie vor 100 Jahren. Wenn dort ein Mädchen ein Kondom mit sich führt, wird jeder sagen, das ist ein leichtes Mädchen, eine Schlampe.”

Schwieriges Thema Sexualität

Bei Thema Musik und Mode sei Südafrikas Jugend in einer westlichen Welt angekommen, meinte Keszler. “Aber sobald du über Sexualität redest, ist es ganz verschroben, ganz verkrampft. Selbst in Peergroups merkst du, wie erlernt die Kommunikation zu dem Thema ist, wie schwierig es ist, diese jungen Menschen dahin zu bringen, dass das Ganze einen neuen Stellenwert bekommt.”

Dabei würden gerade junge Mädchen gerne aus diesen Traditionen ausbrechen, um sich als Frau in der Gesellschaft frei bewegen zu können. “Sie wollen ein selbstbestimmtes Leben leben, unabhängig sein, eine Ausbildung machen und nicht mit 14 schwanger werden”, berichtete der Life Ball-Organisator.

Keszler erzählte von einem Mädchen, das er bei einer dieser Aids-Hilfsorganisationen in Südafrika kennengelernt hat. Mahlatsis Onkel ist HIV-positiv. Die Familie weiß von der Krankheit, doch darüber gesprochen wird nicht, das Thema ist Tabu. Deshalb befindet sich der Onkel in keiner medizinischen Betreuung, und das bereits seit Jahren. Für Keszler unerklärlich: “Ich habe sie darauf angesprochen und beharrt, dass die Nichte auf den Mann einwirkt. Doch da ist sie in Tränen ausgebrochen. Zehn Jahre ohne Medikamente sind eine lange Zeit.”

Folgenschwerer Aberglaube in Südafrika

Und: Der Onkel wird von der Familie gemieden. “Es herrscht der Aberglaube, dass wenn ein HIV-Positiver mit einer Jungfrau schläft, dann ist der geheilt”, erzählte Keszler. Mahlatsi habe erzählt, dass sie selbst davor zurückscheue, den Onkel mit ihrer kleinen Schwester zu besuchen, da sie diesen Aberglauben fürchtet.

Verhütung ist aber auch aus anderen Gründen ein wichtiges Thema, weswegen junge Menschen dringend aufgeklärt werden müssen: “In ärmeren Teilen von Südafrika gilt eine Schwangerschaft als schlimmer als eine HIV-Infektion. Denn da zerbricht der ganze Traum von der Unabhängigkeit. Eine HIV-Infektion kann man verheimlichen, eine Schwangerschaft nicht”, sagte Keszler.

Die Verbreitung von Mobiltelefonen ist in Afrika extrem hoch. Oft ist es die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten, und auch Geschäftliches und Finanztransfers werden darüber abgewickelt. Deshalb ist gerade in Südafrika das Mobiltelefon das beste Medium, um mehr über die Viruserkrankung aufzuklären und um Vorurteile abzubauen. “Viele Menschen haben keinen Fußboden, keine Heizung, aber ein Handy hat jeder”, erzählte Keszler.

Eine App im Kampf gegen HIV und Aids

So unterstützt CTAOP mit Mitteln des Life Ball die Organisation HIVSA, die eine App entwickelte, bei der Interessierte anonym Fragen stellen können, ähnlich wie beim legendären Dr. Sommer-Team der Jugendzeitschrift “Bravo”. Am anderen Ende sitzen elf Frauen am Computer und geben Antworten, klären auf.

Im Oktober 2013 ging die App “CHOMA” on Air, seitdem wurde sie über 875.000 Mal heruntergeladen. Über 950.000 Menschen konnten Leiterin Thulani und ihre Kolleginnen bisher damit erreichen. 70 Prozent der User sind Frauen, 30 Prozent Männer. Auch Homosexuelle benutzen diese “Mädchen-App”, um so anonym an Informationen zu kommen, sagte Keszler.

Charlize Theron ist nicht die einzige in Sachen HIV und Aids engagierte prominente Projektpartnerin des Life Ball, die Keszler in den vergangenen Wochen getroffen hat. Erst am Dienstag reiste er nach Lesotho. Am Donnerstag war er dort im Zuge der Eröffnung des neuen Zentrums der Organisation Sentebale zu Gast und traf auf Gründer Prinz Harry von Wales. Das “Mamohato Children’s Centre” soll vor allem für zehn- bis 19-jährige Kinder und Jugendliche, die mit der Infektion leben, als Anlaufstelle gelten. Der Life Ball unterstützt bereits Sentebales “Herd Boys Programme”, wo junge Menschen Bildung erhalten und zum Thema HIV/Aids aufgeklärt werden.

(apa/red)

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