Sobald im November die Seen zugefroren sind, beginnt die Saison fürs Eisangeln. Die meisten finnischen Männer hält dann nichts mehr in den warmen Wohnstuben. Sie ziehen hinaus, um in eisiger Kälte winzige Fische zu fangen. Jukka wartet auf den Fisch. Und das seit Stunden. Er sitzt dick vermummt in Thermokleidung auf dem zugefrorenen See und trotzt dem finnischen Winterwind. Der ist eisig, auch an einem sonnigen Tag wie diesem.
“Pilkki” ist Männersache
Es ist Winter in Ostfinnland, und alle finnischen Männer scheinen draußen auf dem Saimaasee zu sein. Eisangeln Pilkki ist Männersache. Sie alle starren wie Jukka in ein kleines Loch in der Eisfläche. Jukka kennt seine Fische. Er weiß, wo und wann man sie am besten fängt. Zielsicher hat er eine Stelle etwa 200 Meter vom Ufer angepeilt, seinen Klappstuhl aufgestellt, die Thermoskanne mit heißem Kaffee in Stellung gebracht und mit seinem großen Eisbohrer ein Loch in die Oberfläche getrieben. 50 Zentimeter dick ist das Eis, und Jukka kommt ins Schwitzen. Aber sobald das Loch im Eis ist, geht es ruhiger zu. Viel ruhiger. Für die nächsten Stunden ist erst einmal nur Sitzen angesagt. Obwohl der eine oder andere Eisangler wechselt im Laufe des Tags dann doch einmal das Angelloch, um an anderer Stelle des Sees ein neues Loch zu bohren. Ein Mittel gegen Langeweile? Nein, Langeweile gibt es beim Eislochangeln nicht, sagt Jukka im Brustton der Überzeugung. Dass einige Angler ihr Loch aufgeben und weiterziehen, habe fangtaktische Gründe, erklärt er. Wenn man in der ersten halben Stunde an einem Lochs nichts fange, stünden die Aussichten dort generell schlecht: Die Fische treten in Schwärmen auf. Wo du einen fängst, fängst du mehrere, sagt er.
Ein Eisloch ohne Fische
Ein Blick auf Jukkas Fang, der recht lieblos neben ihm auf der Eisfläche verstreut herumliegt, scheint ihm recht zu geben. Dort liegt schon nach kurzer Zeit ein Dutzend Barsche. Doch die sind so klein, dass ich mich trotz der großen Anzahl frage, was Jukka damit anfangen will. Die werden in Brotteig eingebacken und als eine Art Fischtasche gegessen, sagt er. Mein Angelloch ist keine 20 Meter von Jukkas entfernt und scheint leer zu sein. Kein noch so kleiner Barsch will sich an der Made, die an meiner Angel hängt, verschlucken. Auch Jukkas genaue Anweisungen erst die Angelschnur bis zum Seegrund ablassen, dann wieder einen halben Meter zurück hochziehen und schließlich die Fische durch verführerische Ruckbewegungen mit der Angel richtig hungrig manchen bringen nicht den gewünschten Erfolg. Nach einer Stunde bei minus zehn Grad bin ich total durchgefroren und beginne, so langsam den Spaß am Pilkki zu verlieren. Was alles könnte man an diesem herrlichen Wintertag machen: Skilanglaufen, Schneeschuhwandern oder mit den Schlittschuhen über den See brausen. Etwas neidisch blicke ich auf die Schlittschuhläufer, die nur 50 Meter von meinem Eisloch entfernt ihre Bahnen ziehen. Ob das Schleifen ihrer Kufen die scheuen Fische verscheucht? Offenbar nicht, denn Jukka meldet seinen nächsten Fangerfolg. Ahven, schreit er zu mir herüber schon wieder ein Barsch. Ich lege eine kleine Fangpause ein und wärme mich an meinem Kaffeebecher. Die Hände bleiben aber trotzdem kalt.
Meditation bei Minusgraden
Im Winter sind die Fische nur bei Tageslicht aktiv, hat mir Jukka vor dem Aufbruch erklärt. Das war auch sein Grund, warum wir zu den Ersten gehören sollten, die am Morgen hinaus auf den See gehen. Er macht deswegen auch früher Schluss als die anderen, verspricht er mir. In der Dämmerung habe man nur wenig Aussicht auf Angelerfolg. Herr, lass Abend werden, schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel. Noch aber ist gerade einmal Mittag, deswegen steht jetzt eine zünftige Brotzeit auf dem Eis an. Wieder Kaffee, das Lebenselixier der Finnen, und ein paar Wurstbrote. Und wieder scheint mir das Ufer so verführerisch nah. War da nicht ein Restaurant? Es sind nur wenige Hundert Meter in die Wärme. Doch die Finnen haben ein anderes Verhältnis zur Natur als wir Mitteleuropäer.
Ein Picknick am Lagerfeuer
Ein Ausflug hinaus auf den zugefrorenen See und ein Picknick an einem Lagerfeuer im Freien gehören auch bei Minusgraden zum normalen Wochenendprogramm. Nach dem Mittagessen klappt es besser. Nein, nicht das Angeln. Aber ich komme langsam in Finnlandstimmung. Und ich begreife: Den finnischen Männern geht es gar nicht ums Angeln. Sie wollen nur dasitzen, von niemandem gestört werden und die Welt um sich herum vergessen. Und nach etwas Anlaufzeit tauche auch ich aus der Realität ab. Zumindest so lange, bis mich das Rucken an der Angel aus meinen Träumen reißt. Ahven, schreie ich zu Jukka hinüber und halte stolz zehn Zentimeter Fisch in die Luft.
Drei Saunahäuschen zur Entspannung
Sauna Zwischendurch aufstehen, die paar Minuten zum Ufer hinüberstapfen und dann ab in die Sauna davon träumen mitteleuropäische Gelegenheits-Eisangler des Öfteren. Vom Angelplatz aus sieht man die drei Saunahäuschen, die zum Ferienzentrum Järvisydän gehören. Sogar eine eigene Saunamaid haben sie da, die ständig das Holz im Ofen am Brennen hält, während man selbst entspannt vor sich hinschwitzt und sich nur darüber Gedanken machen muss, ob man lieber in einer Rauchsauna, einer typischen finnischen Holzofensauna oder in einer Dampfsauna entspannen möchte oder nicht doch lieber gemütlich im 40 Grad warmen Wasser des Hotpots sitzen will, um von dort aus diesen dämlichen Eisanglern auf dem kalten See zuzusehen. Das geht natürlich nur, wenn man nicht selber dazu gehört …
Die passende Technik fürs Loch
Bohrloch Die Löcher zum Eisfischen werden mit einer Säge oder einem Bohrer gemacht. Im Notfall tut es auch eine Axt wichtig ist eine Abschöpfkelle, um die Eisbrocken rauszukriegen.
Die Oranjes kommen zum Eislaufen nach Oravi an den Saimaasee
Eisfischen Bei Oravi, einer kleinen Ortschaft am malerischen Saimaasee in Finnland, wird den ganzen Winter über eine knapp 50 Kilometer lange Eisbahn auf dem See extra für die Eisfischer und andere Aktivitäten freigeräumt. Diese riesige Eisfläche ist inzwischen schon so populär, dass Oravi im eislaufverrückten Holland zu einem beliebten Reiseziel im Winter geworden ist.
REISEINFOS
Anreise Der Flughafen Savonlinna befindet sich 15 km nördlich der Stadt keine Direktflüge aus Deutschland/ Österreich. Anreise über den Flughafen Helsinki, von dort per Flugzeug, Bahn oder Bus nach Savonlinna.
Unterkunft Ferienzentrum Järvisydän, luxuriös ausgestattetes Feriendorf, mit alten Saunahäusern, in denen man die Sauna wie in alten Zeiten zelebrieren kann (Internet www.jarvisydan.com).
Allgemeine Informationen Savonlinna Travel, Touristenbüro der Stadt Savonlinna, Puistokatu 1, 57100 Savonlinna, Tel. +358 15517510, Internet: www.savonlinna.travel, und Visit Saimaa, Infobüro der Saimaaregion, www.visitsaimaa.com; Saimaa Holiday Oravi/ Oravi Outdoor Center (lokaler Veranstalter, bei dem man Ausrüstung zum Eisschnelllaufen und Eisfischen mieten kann), Kiramontie 15, 58130 Oravi, Tel. +358 15647290, www.saimaaholiday.net.
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