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Gefälschte Arzneimittel: Mehr Gewinn als mit Drogen

Eine ungeheure kriminelle Profitquelle: Etwa 15 Prozent des Arzneimittel-Weltmarktes besteht aus Fälschungen. Während gefälschte Rolex-Uhren etc. nur sieben Prozent des Luxusgüter-Umsatzes ausmachen, wurde das Marktvolumen für gefälschte Pharmaka für das Jahr 2005 auf 30 Mrd. Euro geschätzt, im Jahr 2010 sollen es 60 Mrd. Euro sein.

“Der dadurch erzielte Profit übersteigt jenem aus der Suchtgiftkriminalität”, erklärte Donnerstagabend AGES-Spezialist Andreas Mayrhofer bei einem Hintergrundgespräch in Wien. Sein Labor bzw. die AGES-Medizinmarktüberwachung versuchen in einem internationalen Netzwerk, kriminellen Produkten möglichst schnell auf die Spur zu kommen.

“95 Prozent der Internet-Arzneimittel sind Fälschungen oder Substandard-Medikamente. Die meisten Fälschungen kommen aus China. Dort wurde für das Jahr 2007 mit rund 200.000 Toten durch Arzneimittelfälschungen gerechnet”, sagte Mayrhofer.

Seit 1996 gibt es in Österreich Aufzeichnungen über die Auffindung solcher Produkte. Sie kommen von Apotheken, Konsumenten, Polizei, Pharmaindustrie etc. Im Labor in Wien werden sie vor allem mittels Gas- oder Flüssigkeitschromatographie auf ihre Inhaltsstoffe untersucht. Es dauert Stunden bis Wochen, bis man so Produkte wie “Podarco: Gott heilt Leid. Sanfte Medizin nach Dr. Leonhard Hochenegg” analysiert hat.

Der Experte: “Im Jahr 2001 hatten wir einen plötzlichen Ausschlag der Zahl der Proben auf 300 wegen des Schweinezuchtskandals. Dann waren es wieder pro Jahr rund 100, im vergangenen Jahr dann 465.” Der Hintergrund: Während des Schweinzuchtskandals hatte ein “findiger” deutscher “Autobahn-Tierarzt” im großen Stil für Bauern das Bayer-Antibiotikum Enrofloxacin als billigere orale Lösung in Durchstichflaschen zum Injizieren umgefüllt und verkauft. Es gab auch Fläschchen des Antibiotikums für den Veterinärgebrauch, in dem ein anderes Mittel (Gentamycin) enthalten war.

Auch im Jahr 2007 sorgte in Österreich ein aus Ungarn stammender “homöopathischer Tierarzt” für viel Arbeit: Er verkaufte angebliche Veterinär-Homöopathika, die es in sich hatten: Enthalten waren das Antibiotikum Clindamycin, das Beruhigungsmittel Diazepam, das Cortison Dexamethason, die ebenfalls entzündungshemmende Salicylsäure und drei Konservierungsmittel. Kein Wunder, dass die Mischung mehr “Wunder” bei den Tieren vollbrachte als ein Homöopathikum.

Der größte Teil des Restes sind die “üblichen Verdächtigen”. Alexander Hönel, Leiter der AGES-Medizinmarktüberwachung: “Fälschungen von Arzneimitteln, welche die Krankenkasse nicht zahlt – für bestimmte Anendungsgebiete.” Potenzmittel (Viagra-Fälschungen & Co.), Anabolika (“Anabolika kriegen Sie faktisch in jedem Body-Building-Studio”, Mayrhofer) oder “Tamiflu”, in dem nur Vitamin C enthalten war. Klassisch sind auch “geboosterte” Präparate einer angeblich “Traditionellen Chinesischen Medizin”. So fand sich in einem TCM-Potenzmittel “Libidfit” gleich eine Abwandlung des Viagra-Inhaltsstoffes Sildenafil (Acetildenafil).

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