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Gefeierte Exoten

Wenn die Top-Piloten das Eis geräumt haben, schlägt die Stunde der Rodel-Fahrschüler - und die der Eismeister. Mit Eishobel und Wasserschlauch müssen sie jene Einschläge in der Bahn wieder ausmerzen, die die "Exoten" auf der Kunsteisbahn hinterlassen haben.

Nach ihren halsbrecherischen Abfahrten schielen Bermudas Fahnenträger Patrick Singleton oder Chia-Hsun Li aus Taipeh, Renato Mizoguchi aus Brasilien oder Angela Paul aus Neuseeland nicht nach guten Zeiten. Für sie ist jede Zieldurchfahrt ein Sieg. Die action-begeisterten Amerikaner bewundern den Mut der wahren Helden des Eiskanals und feiern die Olympia-Exoten genauso mit standing ovations wie Zöggeler, Hackl, Prock und Co. Beispielsweise Anne Abernathy von den Jungferninseln. Auch im fortgeschrittenen Alter von fast 49 Jahren rast die älteste Teilnehmerin dieser Spiele noch auf den Bahnen dieser Welt zu Tal. Ihre Landsfrau Dinah Brown sorgt als erste dunkelhäutige Rodlerin für Furore.

Oder Iginia Boccalandro aus Venezuela. Die fast 41-jährige Athletin war 1998 in Nagano erste Teilnehmerin des südamerikanischen Landes an Winterspielen. Ihre 108 kg bei nur 1,73 m Körpergröße trägt sie im hautengen Rennanzug ohne Scham zur Schau. Dieser “Airbag” rettete sie, als sich nach einem spektakulären Abflug im ersten Durchgang ihr Schlitten selbstständig machte und der massige Körper auf der Eisbahn hinunter rutschte.

Im Lager der Italiener, Österreicher und Deutschen schüttelt man zwar in einer Mischung aus Besorgnis und Unverständnis den Kopf über die “Bruchpiloten”, doch die vom Weltverband FIL mit eigenständigen Trainern und mehreren Zehntausend Euro jährlich geförderten Sportler lernen dazu. Beste Beispiele dafür sind der Inder Shiva Keshavan und Christopher Hoeger aus Venezuela. Den seit 1995 aktiven Keshavan belächelt kaum noch jemand. Sein 33. Platz in Salt Lake ist genau so hoch einzuschätzen wie Rang 31 des erst seit vier Jahren rodelnden Hoeger.

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