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Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: So will Vorarlberg Leben retten

„Wir können nicht jeden Unfall verhindern – aber die schlimmen vermeiden“. Wie kann man gefährliche Situationen erkennen, bevor sie passieren? Mario Amann von „Sicheres Vorarlberg“ erklärt im Ländle Talk, wie Prävention Leben retten kann – und warum das nicht mit Verboten, sondern mit Verantwortung zu tun hat.

Bewusst handeln statt blind vertrauen

Unfälle passieren – aber sie sind oft vermeidbar. Davon ist Mario Amann überzeugt. Als Leiter der Geschäftsstelle „Sicheres Vorarlberg“, der Unfallpräventionsstelle des Landes, hat er tagtäglich mit der Frage zu tun, wie man gefährliche Situationen entschärfen kann, bevor sie eskalieren. Im Gespräch mit LÄNDLE TV wird klar: Prävention beginnt im Kopf – und sie endet nicht mit Verboten.

„Wir schauen dorthin, wo’s weh tut“

„Sicheres Vorarlberg“ ist eine kleine Organisation mit großer Wirkung. Sieben Mitarbeitende, davon fünf Vollzeit, organisieren jährlich rund 700 Veranstaltungen mit über 20.000 Teilnehmenden. Ihr Fokus liegt auf jenen Bereichen, in denen die meisten schweren Unfälle passieren: beim Sport, zu Hause und in der Schule oder am Arbeitsplatz.

„Auf der Straße passieren nur rund zehn Prozent der Unfälle“, erklärt Amann. „Aber 40 Prozent passieren beim Sport, 35 Prozent in den eigenen vier Wänden.“ Das Risiko liegt oft dort, wo man es am wenigsten erwartet.

Zahlen, die aufrütteln

85 Menschen verletzen sich im Schnitt täglich so schwer, dass sie in einem Vorarlberger Spital behandelt werden müssen. Hochgerechnet ergibt das jährlich über 360.000 Krankenstandstage – also so viel wie 1.400 Vollzeitbeschäftigte, die ein Jahr lang ausfallen. Eine „Firma“, die stillsteht.

Und das sind nur die offiziellen Zahlen. Die Dunkelziffer sei weit höher, betont Amann. „Viele kleinere Unfälle werden gar nicht erfasst, weil niemand ins Spital geht.“

Vom Kindergarten bis zum Skitourengeher

Das Spektrum der Präventionsangebote ist breit. Es reicht von Verkehrserziehung im Kindergarten bis zu Kursen für Skitourengeherinnen und E-Bike-Nutzer. In Schulen etwa lernen Kinder im Programm „Toter Winkel“ eindrucksvoll, wie schnell man im Spiegel eines Lkw verschwinden kann. Erwachsene erfahren in Lawinenkursen, wie sie sich im Ernstfall richtig verhalten.

„Wir machen keine PowerPoint-Vorträge, wir schaffen Erlebnisse“, betont Amann. „Was man selbst spürt und erlebt, das bleibt.“

Verantwortung statt Vollkaskomentalität

Amann spricht sich klar gegen eine „Vollkaskomentalität“ aus – die Haltung, alles werde schon irgendwie abgesichert sein. „Kinder sollen Erfahrungen machen dürfen. Ein gebrochener Arm beim Klettern gehört zum Aufwachsen dazu.“ Entscheidend sei, zwischen lehrreichen und vermeidbaren Unfällen zu unterscheiden. „Ein Sturz vom Baum ist okay. Ein Sturz aus dem dritten Stock ist tragisch – und vermeidbar.“

Eltern und Erwachsene ruft er zu aktiver Begleitung auf. Nicht alles erlauben, nicht alles verbieten – sondern gemeinsam erleben, anleiten, begleiten. Das gelte auch für riskante Spiele. „Risky Play“ nennt sich das Konzept, bei dem Kinder spielerisch lernen, mit Gefahren umzugehen.

Gesetz oder gesunder Menschenverstand?

Braucht es mehr Vorschriften, um Unfälle zu verhindern? „Nein“, sagt Amann. „Weniger ist oft mehr.“ Eine zu starke Reglementierung könne Eigenverantwortung untergraben. Ein Beispiel: die Helmpflicht. „Wir haben uns in Vorarlberg damals gegen eine generelle Pflicht ausgesprochen – und trotzdem tragen heute 95 Prozent Helm. Warum? Weil das Bewusstsein gestiegen ist.“

Die zwei Säulen der Prävention

Die Arbeit von „Sicheres Vorarlberg“ basiert auf zwei Prinzipien: Verhaltens- und Verhältnisprävention. Ersteres zielt auf das individuelle Verhalten ab – etwa auf Schulungen, wie man richtig mit dem E-Bike fährt oder Lawinengefahren erkennt. Verhältnisprävention meint bauliche oder strukturelle Maßnahmen – etwa sichere Radwege oder Geländer entlang von Wanderwegen.

Beides sei wichtig, so Amann, aber: „Wir werden nie alle Radwege so sicher machen können, dass man blind durchfahren kann. Der Mensch bleibt in der Verantwortung.“

Fazit: Aufmerksam leben, bewusst entscheiden

Was rät Mario Amann zum Schluss? „Nicht von falschen Ängsten leiten lassen, sondern sich ehrlich informieren. Nicht jedes Risiko ist gleich gefährlich. Aber viele unterschätzte Gefahren verdienen mehr Aufmerksamkeit.“

Sein Tipp: Sich realistisch einschätzen – sei es auf dem Berg, am E-Bike oder im Alltag. „Man muss nicht alles können. Aber man kann sich informieren und entscheiden, was einem guttut.“

Und wer Rat sucht, ist bei „Sicheres Vorarlberg“ willkommen – samt guter Kaffeemaschine, wie Amann augenzwinkernd ergänzt.

Quelle: LÄNDLE TV

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