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G-8 ändert Entwicklungshilfe-Strategie: Geld für Bauern

Die führenden Industriestaaten wollen ihre Entwicklungshilfe-Strategie ändern: Mit einem 20 Milliarden Dollar (14,4 Milliarden Euro) schweren Hilfsprogramm wollen sie in den kommenden drei Jahren Bauern in armen Ländern unterstützen und deren Produktivität stärken. Auf dieses Ziel einigten sich die Politiker am Freitag zum Abschluss des G-8-Gipfels im italienischen L'Aquila. Damit erhöhten sie die ursprüngliche geplante Summe um fünf Milliarden Dollar, wie der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sagte.
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Beschlüsse des G-8-Gipfels

Die Aufstockung sei nach einem Treffen mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs beschlossen worden, sagte Berlusconi. Die G-8-Führer konferierten am Freitagvormittag mit ihren Kollegen aus Algerien, Nigeria, Senegal, Ägypten, Angola sowie Libyen, das derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union inne hat. Erstmals saß der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi am Tisch, der politisch über Jahrzehnte isoliert war. Am Vorabend hatte US-Präsident Barack Obama dem Libyer die Hand gegeben – ein historisches Ereignis. Obama betonte bei der Sitzung nach Angaben des Weißen Hauses die Mitverantwortung Afrikas für die Probleme auf dem Schwarzen Kontinent.

Die Industriestaaten wollen künftig nur noch bei Notfällen Nahrungsmittel in ärmere Länder schicken, und stattdessen den dortigen Bauern dabei helfen, bessere Ernten einzufahren. Entwicklungshilfeexperten kritisieren seit Jahren, dass Nahrungsmittellieferungen einheimische Bauern in den Ruin treiben, die der ausländischen Konkurrenz nicht standhalten.

“Es ist ein totales, willkommenes und ermutigendes Umschalten”, sagte der Generalsekretär des Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), Jacques Diouf. “Man löst das Hungerproblem, indem man den Bauern, die in diesen armen Ländern geben, die nötigen Werkzeuge an die Hand gibt, damit sie Nahrungsmittel produzieren können.” Der drastische Preisanstieg des vergangenen Jahres, der in einigen Ländern Unruhen auslöste, hatte das Thema Nahrungsmittelsicherheit auf die internationale Agenda gebracht. UNO-Schätzungen zufolge wird die Zahl der Hungernden heuer erstmals die Ein-Milliarden-Grenze überschreiten.

Die Hilfsorganisation Oxfam begrüßte die finanziellen Zusagen, forderte aber weit größere Hilfen. Oxfam-Agrarexpertin Marita Wiggerthale argwöhnte, dass die G-8-Staaten “bloße Rechenspiele” angestellt und nur ihre Entwicklungshilfebudgets umgeschichtet hätten. Zudem seien wegen des “dramatischen Ausmaßes der Hungerkrise” mindestens 25 Mrd. Dollar zusätzlich nötig. Die globalisierungskritische Organisation Attac kritisierte, dass die beim G-8-Gipfel ebenfalls beschlossene Liberalisierung des Welthandels die Hungerkrise nur noch weiter verschärfen werde.

G-8-Gastgeber Berlusconi wertete das Treffen als “großen Erfolg”. Vom Gipfel sei in der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Signal der Hoffnung ausgegangen. Berlusconi würdigte vor allem, wie viel US-Präsident Obama zu den Fortschritten beigetragen habe: “Obama hat uns alle überrascht.” Der US-Präsident bezeichnete den Kampf für einen Aufschwung der Weltwirtschaft weiterhin als eine der größten Herausforderungen für die Staaten.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel strich vor allem die Klimabeschlüsse des G-8-Gipfels hervor. Mit der Vereinbarung von Industrie- und Schwellenländern, den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, gebe es zum “allerersten Mal einen festgelegten Rahmen” für die Klimagespräche. “Die Welt ist ein Stück zusammengerückt.” EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte, dass das Zwei-Grad-Ziel “in Stein gemeißelt” worden sei und “ein starkes Signal an die Welt” sei. EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt forderte jedoch ein größeres Engagement der USA in der Klimapolitik: “Sie haben noch viel zu tun, um allein Europa einzuholen”, sagte der schwedische Premier.

Zum Abschluss des Gipfels ging die Debatte über die Zukunft der G-8 weiter. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, kommendes Jahr werde darüber entschieden, welches Forum künftig auf globaler Ebene maßgeblich sein solle. Sie selbst sprach sich für die im Zuge der Finanzkrise geschaffene G-20 der Industrie- und Schwellenländer aus, während Berlusconi und der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine Präferenz für die G-14 aus G-8 und den Schwellenländern China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika und Ägypten äußerten. Obama sprach sich für eine “Evolution” der bisherigen Gipfelformate aus. Ein Sprecher des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew sagte jedoch, es wäre “verfrüht, die G-8 zu begraben”.

Die Proteste von Globalisierungsgegnern hielten sich im Vergleich zu früheren G-8-Gipfel in Grenzen. An einem Protestmarsch in L’Aquila nahmen mehrere hundert Menschen teil. Einige trugen rote Fahnen und trugen T-Shirts mit dem Slogan “No G-8”. Die Veranstalter haben friedliche Proteste zugesichert, doch die Polizei hielt starke Kräfte bereit. Die Staats- und Regierungschefs betrauerten gegen Mittag in einer Schweigeminute die Opfer des verheerenden Erdbebens in der Region am 6. April, bei dem rund 300 Menschen starben und 50.000 ihr Zuhause verloren.

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