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G-7-Bewährungsprobe in Elmau: Was geht ohne Russland?

19.000 Sicherheitskräfte schützen sieben Staats- und Regierungschefs.
19.000 Sicherheitskräfte schützen sieben Staats- und Regierungschefs. ©EPA
Nein, in 24 Stunden können die Krisen der Welt nicht gelöst werden. Die deutsche Kanzlerin mahnt: Niemand solle diese Erwartungshaltung an den Gipfel der Staats- und Regierungschefs sieben großer Industrienationen am Sonntag und Montag in Bayern haben. Angela Merkel wirbt bei den Zehntausenden Demonstranten um Verständnis.
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Einmal im Jahr müsse sie sich mit den Mächtigen der USA und von Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan treffen, um über die Konflikte vom Ukraine-Krieg bis zur Erderwärmung in Ruhe zu beraten – auch wenn es kaum konkrete Beschlüsse gibt. Das geschieht diesmal unter Merkels Präsidentschaft in dem Luxushotel Schloss Elmau im tiefsten Oberbayern mit traumhaftem Alpenpanorama. Es ist Merkels zweite Gipfelpräsidentschaft. 2007 hatte sie in den hohen Norden nach Heiligendamm eingeladen. Damals war der russische Präsident Wladimir Putin noch dabei.

Putin flog wegen Krim-Annexion raus

Der Russe flog wegen der Annexion der Krim im vorigen Jahr aus dem elitären Kreis. Merkel hält seine Rückkehr in die G8 für “zurzeit nicht vorstellbar”. Für die Krisendiplomatie in der Welt ein Desaster. Ohne Russland geht in vielen Bereichen nichts. Nicht beim Klimaschutz, nicht im Syrien-Krieg, nicht beim Kampf gegen den Terrorismus.

Was geht in Elmau ohne Russland

Es stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand ohne Putin überhaupt lohnt. Der Gipfel in Elmau ist daher auch eine Bewährungsprobe für die G7, die 2008 Konkurrenz von den jährlichen G20-Gipfeln bekommen hat. Daran nehmen neben Russland auch China, Indien und Brasilien teil.

Sicherheitsvorkehrungen verschärft

Alle Augen auf Putins leeren Stuhl gerichtet

Ob das Wort “Russland” im Abschlussdokument des G7-Treffens überhaupt auftauchen wird, vermochten deutsche Diplomaten noch nicht zu sagen. Und vor allem: wie? Abfuhr oder Annäherung? Zumindest das hat Putin wieder geschafft: Auch ohne am Tisch zu sitzen, spielt er eine Hauptrolle rund um den Gipfel.

Wie es nach Elmau mit Russland weiter gehen soll, ist offen. “Natürlich müssen und wollen wir mit Russland weiter zusammenarbeiten”, sagt Merkel. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) meint, die G7 müsse ein Interesse an der Rückkehr Russlands in den Club wichtiger Industrienationen haben.

Rückgabe der Krim gilt als unrealistisch

Aber wie soll das funktionieren? Der Grund für den Ausschluss war die Annexion der Krim. Im Umkehrschluss würde das bedeuten: So lange die Krim unter russischer Kontrolle ist, kann es eigentlich auch keine G8-Gipfel mehr geben. Aus der G7 würde das allerdings nie jemand so sagen, weil die Rückgabe der Schwarzmeerhalbinsel als völlig unrealistisch gilt. Eine verzwickte Situation.

Merkel: Keine Klärung der US-Geheimdienstaffäre

Mit US-Präsident Barack Obama hat Merkel auf ganz andere Weise ein Problem. Nicht zu vergleichen mit Putin, aber innenpolitisch auch nicht angenehm: die Geheimdienstaffäre. Hier kassiert sie Erwartungen an eine Klärung während des Gipfels von vorneherein schon komplett. Die werde es nicht geben, sagt Merkel.

GERMANY G7 SUMMIT
GERMANY G7 SUMMIT ©Merkel spricht nicht mehr so begeistert vom wichtigsten Partner wie früher. (Bild: EPA)

Es geht darum, ob die USA zustimmen, dass die Bundesregierung Suchbegriffe des US-Geheimdienstes NSA zur parlamentarischen Aufklärung des Skandals weitergibt. Denn die NSA soll dem Bundesnachrichtendienst sogenannte Selektoren übermittelt haben, mit denen dieser europäische Firmen und Politiker für die USA ausgespäht haben soll. Das kollidiert mit dem deutschen Verständnis der Arbeit von Geheimdiensten. Merkel will nach eigenen Worten mit Obama aber gar nicht darüber sprechen, weil das kein Thema für diese höchste Ebene sei. Den Koalitionspartner SPD dürfte das sehr ärgern.

Merkel will das Verhältnis zu Washington nicht weiter belasten, spricht aber nicht mehr so begeistert vom wichtigsten Partner für Deutschland wie früher. Sie sagt “unverzichtbarer Partner”. Dennoch geht sie nur mit Obama zum Händeschütteln mit Bürgern vor dem Gipfel.

Bier und Brotzeit mit den Einwohnern von Krün

Am Sonntagvormittag schauen sie auf Bier und Brotzeit mit Einwohnern der 1.900-Seelen-Gemeinde Krün nahe dem abgeriegelten Gipfelort Elmau vorbei und setzen damit zwei Botschaften: Wir verstecken uns nicht in einem Fünf-Sterne-Schloss, und Deutschland und die USA sind nicht entzweit.

Und was ist mit den sonstigen Gipfelthemen? Es wird einige Bekenntnisse der sieben reichen und mächtigen Staaten geben, unter anderem zur Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung. Aber selbst beim Mega-Thema Klimaschutz ist noch nicht klar, ob das seit Jahren diskutierte Zwei-Prozent-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung Eingang in das Gipfeldokument findet.

Merkel hofft auf so etwas wie den Geist von Elmau: “Ein Ort des geistigen Austausches. Das ist sicher nicht schädlich für die Veranstaltung.”

GERMANY G7 SUMMIT
GERMANY G7 SUMMIT ©Zwischen 5.000 und 10.000 Demonstranten werden zu Kundgebung am Samstag erwartet. (Bild: EPA)

G-7 – Die Eckdaten des Gipfels

Der G7-Gipfel ist eine organisatorische und logistische Herkulesaufgabe. Einige Daten und Fakten zu dem Treffen:

  • Der Gipfel wird teuer: Für die gut 24 Stunden Elmau-Treffen sind 130 Millionen Euro veranschlagt. Damit kostet rechnerisch jede Gipfelminute annähernd 90.000 Euro. Den Großteil bezahlt der Freistaat Bayern. Sicherheitsfachleute sind nicht begeistert von der Lage des Tagungshotels in einem unübersichtlichen Waldgebiet im Gebirge.
  • Verursacht werden die hohen Kosten hauptsächlich durch die 17.000 Polizisten, die das Treffen allein auf deutscher Seite schützen sollen. Sie werden in Hotels untergebracht und müssen verpflegt werden.
  • Da das Gipfelhotel in fußläufiger Nähe zur Tiroler Grenze liegt, mobilisiert auch Österreich 2.100 Polizisten. Hinzu kommen bis zu 1.500 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.
  • Beim deutschen Bundespresseamt haben sich 2.700 Journalisten für das Ereignis angemeldet. Das Medienzentrum ist in Garmisch-Partenkirchen.
  • Wie groß die Delegationen sind, lässt sich nicht genau beziffern. Behördenangaben zufolge werden sich im Sicherheitsbereich rund um das Gipfelhotel insgesamt bis zu 5.000 Personen gleichzeitig aufhalten.
  • Zwischen 5.000 und 10.000 Demonstranten werden zur wohl größten Anti-G-7-Kundgebung der Region am Samstag in Garmisch-Partenkirchen erwartet, darunter gewalttätige Autonome. In München kamen am Donnerstag mehr als 30.000 Menschen zu friedlichen Protesten zusammen.

G-7-Gegner warnen: Protestcamp wird zu voll

Das Protestcamp gegen das G7-Treffen ist nach Angaben der Gipfelgegner zu klein. “Im Laufe des Tages wird unser Lager vielleicht schon zu voll”, sagte der Sprecher des Bündnisses “Stop G-7 Elmau”, Benjamin Ruß, am Freitagvormittag in Garmisch-Partenkirchen. “Wir haben jetzt rund 600 Leute hier und bei 1.000 wird es grenzwertig.”

Viele Gruppen seien noch auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen, um gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs von sieben wichtigen Industrienationen (G-7) am Sonntag und Montag zu demonstrieren. “Das wird auf Dauer nicht reichen. Ich hoffe, die Gemeinde hat sich da was überlegt”, sagte Ruß.

Schon in der Früh waren Busse mit Gipfelgegnern in Garmisch angekommen. Die Anreisenden wurden auf dem Weg ins Camp von der Polizei kontrolliert. Von ihnen werde “keine Eskalation ausgehen”, versicherte Ruß. “Aber wir lassen uns auch nicht alles gefallen.” Am Freitagmittag ist eine erste größere Kundgebung des Aktionsbündnisses geplant, zu der nach Polizeiangaben rund 500 Demonstranten erwartet werden.

(APA)

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