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Für Ferien mit Fichte

©Cornelia Hefel
Das neue Holzhaus fußt auf dem abgedichteten Keller des alten und hält sich genau an dessen Statik und Umriss.

Nördlich der Fohrenburger Brauerei in Bludenz liegt eine ruhige Einfamilienhaussiedlung. Jahrzehnte stand dort ein bescheidenes Holzhaus mit roten Fensterläden und flachem Satteldach. Mit der Zeit war es schwarz und zu einem Stück Inventar geworden. Zum Sanieren war es zu baufällig, die Bauherren beauftragten Architekt Lukas Mähr mit einem Neubau im alten Umriss. Ausschließlich aus Fichte, außen schwarz, innen unbehandelt, schlicht und schön tritt das neue Haus in die Fußstapfen des alten.

Der Vater der Bauherrin stammt aus Bludenz, ihr Großvater war Baumeister, er hatte für seine Eltern ein schlichtes Holzhaus gebaut und seinem Sohn vererbt. Es lag zwei Blöcke von der Fohrenburger Brauerei entfernt auf einem Eckgrundstück mit einem wunderschönen alten Nussbaum im Garten. Die Familie vermietete es den Braumeistern der Brauerei, seit etwa zehn Jahren stand es leer. Die Bauherrin und ihr Lebensgefährte leben in Zürich, beide sind in der Baubranche tätig, beide waren vom Charme des Hauses ganz angetan, viele Sommerwochenenden haben sie es vermessen.

Nachfolge: Das Haus, das jahrzehntelang auf diesem Eckgrundstück stand, war für eine Sanierung schon zu baufällig. Die Bauherren und Architekt Lukas Mähr ersetzten es durch ein neues Haus im selben Umriss, das auch dem alten Keller aufbaut.

"Wir wollten es unbedingt sanieren. Man muss ja nicht gleich alles abreißen", so die beiden. "Es hat uns alles geboten. Die Raumproportionen waren gut, es nichts schief, nichts verwinkelt, nur die Treppe lag falsch." Voll Zuversicht schrieb das Paar Vorarlberger Holzbauunternehmen an, deren Befund war ernüchternd eindeutig: Die Wände waren gerade einmal acht Zentimeter dünn und hatten keine Dämmung, keiner wollte es sanieren. Sie hatten recht, beim Abriss fiel es zusammen wie ein Kartenhaus.

Fichte: Die Zeit hatte die Fassade des alten Hauses schwarz gefärbt, das neue Haus ist schwarz gestrichen.

Der Neubau tritt genau in seine Fußstapfen. Der alte, feuchte Keller wurde nach oben hin abgedichtet und bildet nun sein solides Fundament, es hält sich genau an Statik und Umriss des Bestands. Auch das ist Nachhaltigkeit. Architekt Lukas Mähr und die Bauherren bewegten sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem schmalen Grat zwischen Bewahren und Erneuern. Alle Qualitäten des Alten sollten in Gegenwart transformiert werden. Der Balanceakt gelang bravourös. Das neue Haus sieht mit seiner schwarzen Fassade aus sägerauer Fichte aus wie das alte, das Dach ist statt mit Schindeln mit schwarzen Tonziegeln gedeckt, den kleinen Balkon unterm Giebel gibt es nicht mehr, die roten Läden wichen roten Innenjalousien, genauso dezent erfolgt die Nobilitierung im Inneren. Alles ist aus einem Holz – sogar Küchenzeile und Herdblock, im Erdgeschoß führt eine große Fenstertür auf die Terrasse im Garten.

Gartenbezug: Eine doppelflügelige Glastür verbindet gesellige Herz des Hauses - die Wohnküche - mit Terrasse und Garten.

"Die erste Grundbedingung war low-cost", sagt Mähr. Alles ist aus einem Holz, ausschließlich Fichte, ausschließlich unbehandelt, man verwendete die preiswertesten Dreischichtplatten, keinen Estrich, eine Wandverkleidung ohne Vorsatzschale, das Holz hat eine starke Maserung und Astlöcher. Trotzdem fehlt jede rustikale Schwere, die Reduktion auf ein Material wirkt in ihrer Schlichtheit befreiend unprätentiös. "Beim Bestellen des Holzes achteten wir darauf, dass die Maserung durchgeht", sagt Mähr, die Handwerker arbeiteten mit Präzision und Hingabe, subtil inszeniert die Planung die Abfolge von Räumen.

Die Wohnküche im Erdgeschoß zelebriert das Beisammensein, die Lage am Garten und die Geometrie des Satteldachs.

Jeder Zentimeter ist genutzt, die Garderobe rechts vom Eingang in das dahinterliegende Bad eingerückt, eine raumökonomische, zweiläufige Podesttreppe führt unters Dach. Alle Kinder lieben die Schlafkoje im Schopf, an der anderen Seite der Treppe schlüpfte ein schmales WC unter, das Schlafzimmer ruht unterm First. Das andere ist im Erdgeschoß, gleich beim Eingang. Hier können zwei Familien urlauben, ohne einander zu stören. Das Haus ist befreiend leer, hier kann man durchatmen. Matratzen am Holzboden, weißes Bettzeug, eine Bank am Fenster, mehr braucht es nicht für ein Schlafzimmer. Die Wohnküche im Erdgeschoß zelebriert das Beisammensein, die Lage am Garten und die Geometrie des Satteldachs. Der eingeschoßige hintere Bereich mit Küche und Couch vermittelt Geborgenheit, dann steigt der Raum zum First abrupt auf sechs Meter Höhe an, um von dort wieder sacht abzufallen.

Der eingeschoßige hintere Raumbereich mit Küche und Couch vermittelt Geborgenheit, dann steigt der Raum zum First abrupt auf sechs Meter Höhe an.
Die Bauherren zeigen der Autorin einen Plan des alten Hauses.
Astlöcher sind sichtbar. Durchgehend unbehandelt, fühlt es sich so gut an, dass manche Gäste sich auf den Boden legen.

Kochen/Essen und Wohnen sind über einen großen Durchbruch mit Falttür lose verbunden und zum Garten orientiert. Nur eine Glasschiebetür trennt die Küche von der Terrasse, im angrenzenden Wohnbereich hat man den mächtigen Nussbaum von der Sitzbank am Fenster und der Couch aus gut im Blick. Auch der freistehende Herdblock und die Küchenschränke sind aus Holz, über die gesamte Länge der Seitenwand verläuft eine Bank. Hier haben wirklich viele Menschen Platz. "Mein Vater hatte die größte Sorge, dass wir etwas machen, das keiner braucht", sagt die Bauherrin. Unbegründet. "Am schönsten finde ich, dass wir jetzt jede Woche Besuch haben. Alle entdecken es wieder." Freunde, Freundinnen, Geschwister, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen.

Eine handverlesene Auswahl der Bretter und präzise Handwerksarbeit machen das mehr als wett. Es wirkt wunderschön.
Dieses Haus ist befreiend leer, hier kann man durchatmen. Matratzen am Holzboden, weißes Bettzeug, eine Bank am Fenster. Mehr braucht es nicht für ein Schlafzimmer.

Daten und Fakten

Objekt Haus aus Fichte, Bludenz
Bauherr Familie Zerlauth
Architektur MWArchitekten, Hohenems www.MWArch.org
Fachplanung Bauphysik: DI Markus Liepert, Bludenz
Planung 05/2020–12/2020
Ausführung 12/2020–05/2021
Grundstück 680 m²
Nutzfläche 110 m² (zzgl. Keller 50m²)
Bauweise Holzrahmenbau mit Deckleistenschlung, gestrichen; Holzdecken; Kaltdach mit Ziegeldeckung; Keller + Garage Bestand; Heizung: Bestand; Innenwände neu: Fichte 3S, unbehandelt; Holz, Holzfenster, Beschattung Textil
Besonderheiten Preiswerter Wandaufbau mit Fichte als sichtbar bleibender Rohbau
Ausführung Holzbau, Generalunternehmung: Berchtold, Wolfurt; Baumeister: Thöni, Bludenz; Fenster: Sigg, Hörbranz; Innentüren: Kühne, Egg; Innenausbau: Künzler, Bizau
Energiekennwert 59,5 kWh/m² im Jahr
Baukosten 340.000 Euro

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

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