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Großbritannien will Alarmsystem einführen

Johnson hofft, dass schon bald wieder Normalität einkehrt
Johnson hofft, dass schon bald wieder Normalität einkehrt ©APA (AFP)
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie will Großbritannien ein neues Alarmsystem einführen, das ähnlich dem bereits existierenden Terror-Warnsystem funktionieren soll.

Damit sollten Behörden und Bevölkerung frühzeitig über einen Anstieg von Infektionen informiert werden, sagte Wohnungsbauminister Robert Jenrick am Sonntag. Indes regte sich auch Kritik an der Kommunikationsstrategie der Regierung.

"Jetzt kommt der schwierigste Abschnitt"

Premierminister Boris Johnson wollte sich am Sonntagabend in einer Fernsehansprache an die Briten wenden, bereits zuvor warnte er: "Jetzt kommt der schwierigste Abschnitt." Das fünfstufige Corona-Alarmsystem solle von einem neuen Zentrum für Biosicherheit betreut werden, sagte Jenrick dem Sender Sky News. Es solle sowohl auf landesweitem als auch auf lokalem Niveau funktionieren. Anhand der Daten könne dann auch entschieden werden, wann und wo die Corona-Maßnahmen gelockert werden. "Derzeit ist das Land auf Stufe vier, fünf wäre die beunruhigendste", sagte Jenrick. Ziel sei es, so schnell wie möglich auf Stufe drei zu gelangen. Mit jeder Stufe nach unten sollten wirtschaftliche und andere Beschränkungen aufgehoben werden.

Das System ist zunächst nur für England geplant. Schottland, Wales und Nordirland sollen nach dem Willen von Johnson folgen. Zuletzt war der Druck auf den Premierminister gewachsen, die Ende März erlassenen Kontaktbeschränkungen zu lockern. Allerdings ist Großbritannien europaweit das Land mit den meisten Corona-Todesfällen. Deshalb wurde erwartet, dass Johnson bei der Fernsehansprache am Sonntagabend nur geringfügige Lockerungen verkünden würde - unter anderem will er wohl die Öffnung von Gartencentern erlauben, was für die als "Blumennarren" geltenden Briten zumindest symbolisch sehr wichtig wäre.

"Nicht die Kontrolle verlieren"

In der Tageszeitung "Sun on Sunday" warnte Johnson vor der Gefahr, dass die Lockerungen nun zu schnell erfolgten. "Wir sind über den Berg, aber nun müssen wir um so mehr aufpassen, jeden Schritt richtig zu setzen." Auch Bergsteiger wüssten, dass der Abstieg am gefährlichsten sei. "Du musst sicherstellen, nicht zu schnell zu rennen, nicht die Kontrolle zu verlieren und nicht zu stürzen."

Unter anderem will Johnson Medienberichten zufolge aus der Regierungsaufforderung "Bleib' zu Hause" ein "Bleib' aufmerksam" machen, um unter anderem Wege zur Arbeit wieder normaler zu machen. Außerdem denke die Regierung langfristig über eine 14-tägige Quarantäne für alle aus dem Ausland Einreisenden nach, wenn die Grenzen wieder geöffnet würden, berichteten britische Medien.

"Zahlentheater"

Ein von der britischen Regierung häufig zitierter Statistiker erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen deren Kommunikationsstrategie in der Coronakrise. Die tägliche Vorstellung statistischer Daten gleiche eher dem "Zahlentheater" eines PR-Teams statt zu informieren, sagte Professor David Spiegelhalter von der Universität Cambridge der BBC am Sonntag.

"Ich wünsche mir einfach, dass die Zahlen von Leuten zusammengestellt werden, die ... Bescheid wissen", so der Wissenschafter. Der Statistiker war von der Regierung zitiert worden, um Kritik am Vorgehen in der Coronavirus-Pandemie zurückzuweisen. Spiegelhalter hatte sich Ende April in einem Gastbeitrag in der Tageszeitung "The Guardian" gegen das direkte Gegenüberstellen von Opferzahlen verschiedener Länder ausgesprochen.

"Unvermeidbar"

Zu groß seien die Unterschiede in der Erhebung der Statistiken und die Gegebenheiten in den einzelnen Ländern. Er wurde damit mehrfach von Regierungsmitgliedern - unter anderem Premierminister Johnson - zitiert, als Großbritannien bei der offiziellen Zahl der Corona-Toten andere europäische Länder wie Spanien und zuletzt Italien überholte.

Sein Gastbeitrag im "Guardian" sei jedoch kein Plädoyer dafür gewesen, überhaupt keine Vergleiche anzustellen, sagte Spiegelhalter der BBC. "Was in diesem Land passiert ist, ist nicht unvermeidbar, es bedeutet nicht, dass es so kommen musste", so der Forscher. Er habe sich nur dagegen ausgesprochen, eine Rangliste wie beim Eurovision-Song-Contest zu erstellen. Großbritannien könne aus dem Vergleich mit anderen Ländern lernen.

Großbritannien ist von der Coronavirus-Pandemie besonders schwer getroffen, nur in den USA gibt es mehr Tote. Laut der Johns-Hopkins-Universität infizierten sich in Großbritannien mehr als 212.000 Menschen, mehr als 31.500 starben laut dem britischen Gesundheitsministerium. Auch Johnson selbst war schwer erkrankt.

(APA/dpa/ag.)

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