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Frühling? Nein. Winter wirds!

Meteorologe Jörg Kachelmann
Meteorologe Jörg Kachelmann ©APA, Canva
Ein Gastbeitrag von Meteorologe Jörg Kachelmann.
Das Wetter in Ihrer Gemeinde

Von Jörg Kachelmann

Es war einmal eine glückliche Zeit, in der "meteorologischer Frühling" ein Begriff war, der nur in unseren exklusiven Wetterfrosch-Zirkeln verwendet wurde. Wir teilen nämlich für Statistiken das Jahr in vier Teile à drei Monate ein, Winter umfasst für uns die Monate Dezember bis Februar, Frühling geht von März bis Mai und weil Sie die VN lesen und nichts Elendes, muss ich Ihnen den Rest nicht erklären.

Wir wussten, dass diese willkürliche Aufteilung nichts bedeutet. Sie ist nur dazu da, für Klimastatistiken von Jahr zu Jahr immer denselben Zeitraum vergleichen zu können. Deshalb kamen wir auch nie auf die Idee, an einem 1. März begeistert die ärmelschonerbewehrten Arme zu heben und zu jubeln: "Heute ist meteorologischer Frühlingsanfang - tu felix Austria!"

Leider ist durch Indiskretionen das Konzept dieser rein statistisch bedingten Jahreszeitenaufteilung nach außen gedrungen. Seither hat der Journalismus eine schöne neue Aufgabe für sich entdeckt, wenn alle drei Monate mit feuchten Händen und Tremolo in der Stimme am letzten Februartag verkündet wird: MORGEN BEGINNT DER METEOROLOGISCHE FRÜHLING.

Wenn Sie diesen Satz in eine Suchmaschine eingeben, werden 567.000 Ergebnisse angezeigt. Das ist sehr berührend, weil die Information vollkommen sinnlos ist. Der 1. März bedeutet nur, dass Klimastatistiker die Temperaturen und Niederschläge des Tages nicht mehr der Winterstatistik, sondern der Frühlingsstatistik zurechnen. Wahnsinn. Und das ist jedes Jahr gleich. Wichtig, dass man es uns immer wieder sagt.

Richtig wäre, das ganze "Klimastatistik-Frühlingsanfang" zu nennen, aber das würde vielleicht nicht so gut klicken wie "meteorologischer Frühlingsanfang" - der suggeriert, dass der 1. März irgendetwas wäre, was das Wetter interessieren würde. Als ich 1976 mal in Wien war, habe ich als Schweizer eine interessante Umschreibung gelernt, die ich heute anwenden möchte, um es zu erklären, auch wenn ich nicht sicher bin, ob man das in Vorarlberg auch so sagen würde: Das Wetter scheißt sich NICHT darum, ob 28. Februar oder 1. März ist.

So ist es auch dieses Jahr. Sie wollen Frühling, womöglich, aber erst kommt mal der Winter. Wenn Sie kein g‘scheites Schneeerlebnis hatten bisher, dann merken Sie bitte den kommenden Mittwoch vorher, fahren Sie in die Berge der Heimat und genießen Sie den Segnungen des statistischen Frühlings - wie es ausschaut, wird es ein g‘höriges Erlebnis werden für Winterliebhaber.

Im 14-Tage-Trend für Warthsieht man, dass danach noch offen ist, ob der Winter noch bis zum Wochenende hält oder es Tauwetter gibt und wir uns Gedanken machen müssen mit den Pegeln der Bäche und kleinen Flüsse, wenn der Altschnee zusammen mit viel neuem Regen den Berg hinunter will.

Was Sie übrigens an der Grafik auch sehen, wie unsicher längerfristige Vorhersagen sind, deswegen die rote Bandbreite für die Höchsttemperaturen und die blaue für die Tiefsttemperaturen. Innerhalb dieser Bandbreite ist noch alles möglich, entsprechend ist es lustig, wenn manche Wetterapps einfach eine Zahl angeben, wenn es um die Vorhersage in zehn Tagen geht - aber wie Sie sehen, kann es in Warth am Dienstag in einer Woche 0 oder auch 14 Grad geben. Wenn‘s die 14 Grad werden, können wir wieder über den Frühlingsanfang reden. Der astronomische ist übrigens am späten Abend des 20. März. Der ist aber dem Wetter auch wurscht.

(Kachelmann)

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