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Frühlingsfahrt

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel

Und wieder rief mich die Feldkircher Himmelsstiege zu sich. Vielleicht führt die Treppe ja doch in den Himmel. Möglicherweise brauchen die mich da oben als Chorleiter. So in etwa kam es über mich, als ich am PC saß. Ich klappte zu und machte mich auf den Weg. In Feldkirch angekommen, es war Sonntagmittag, blauer Himmel, kehrte ich im Gasthof Lingg (jetzt ein Italiener) ein. Die beste Einkehr bietet eine vielfältige Speisekarte. Um sie ausführlich zu studieren, bestellte ich einen Aperitif. Spritz. Es wurde eine einfache „Tortellini in brodo“ und ein „Fegato di Vitello alla Venetiana“ (Kalbsleber venezianische Art mit Polenta). Die Leber war – ich wertete es als weiteres Zeichen des Himmels – himmlisch. Hoch lebe das Kalb! Ich verließ den Gasthof und ging, vorbei am Haus Nr. 14 mit den beiden wunderbar kunstvoll sich in die Höhe rankenden Weinstöcken, zur Himmelsstiege.

Kurze Konzentration. Los! Ich nehme die erste Stufe. Ab der dritten stellen sich Bilder ein: Schumann erscheint mit Eichendorffs „Frühlingsfahrt“ und will gesungen werden. Ein Zuhörer nimmt Platz, Pfoten voraus. Es ist Kater Coon:

„Es zogen zwei rüst’ge Gesellen zum ersten Mal von Haus. So jubelnd recht in die hellen, klingenden, singenden Wellen des vollen Frühlings hinaus. Die strebten nach hohen Dingen, die wollten, trotz Lust und Schmerz, was Rechts in der Welt vollbringen, und wem sie vorübergingen, dem lachten Sinnen und Herz.“

Coon geht. Er spürte wohl, wie einer der beiden kecken Gesellen enden wird. Tausendstimmiges Singen lockten den Kecken, er folgte dem Abenteuer und wurde von grellbunten Sirenen in den Schlund gezogen.

„Und wie er auftaucht’ vom Schlunde, da war er müde und alt, sein Schifflein lag im Grunde, still war’s rings in der Runde und über den Wassern weht’s kalt.“
Frühling Jugend Lust Ferne Abenteuer Einbruch Ermattung Alter. Es wäre nicht die Romantik, bliebe sie nur romantisch. Ich gehe eine Stufe höher. Der Himmel verfinstert sich. Blaulicht, Folgetonhorn, eine Weisshelm-Motorad-Escorte brettert die Himmelsstiege herunter, ich rette mich in den Hausvorsprung des sich neben der Stiege aufwuchtenden Wohnblocks. Ganz oben erscheint der Bankenriese. Sein Kopf, ein gigantischer Bildschirm in Kreuzform, Marke Matrix Samsung Nissho, flimmert: „BÖRSENGALERIE. So viel verdienen Banken-Chefs in Europa“.
Zuerst erscheint UBS mit Vorstandschef SERGIO ERMOTTI. 2018 kassierte er 14,1 Millionen Franken als Gehalt und Bonus. Das sind rund 12,5 Millionen Euro. Das ist 1 Million Euro im Monat. Das sind 260.000 Euro pro Woche. Das bedeutet, Ermotti verdient in der Stunde 5000 Euro. Ist das wahr? https://boerse.ard.de/aktien/so-viel-verdienen-banken-chefs-in-europa100.html

©Ulrich Gabriel
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