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Freisprüche nach Sex mit Zwölfjähriger sorgen für heftige Diskussionen

Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) kündigte am Montag eine "Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts" an.
Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) kündigte am Montag eine "Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts" an. ©APA/ROLAND SCHLAGER (Symbolbild)
Am Freitag sind in Wien zehn Burschen in einem Prozess um geschlechtliche Handlungen mit einer damals Zwölfjährigen nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Dies sorgte seither für heftige Diskussionen.
Freisprüche für alle Angeklagten

Für das Gericht lagen die Tatbestände der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und der geschlechtlichen Nötigung nicht vor. Diese Entscheidung wird seither diskutiert. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) kündigte am Montag eine "Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts" an. Sie will das Zustimmungsprinzip umsetzen.

Die Staatsanwaltschaft Wien teilte am Montagabend mit, dass die Freisprüche bekämpft werden. "Wir haben auf Weisung des Ministeriums Nichtigkeitsbeschwerden gegen alle zehn Freisprüche eingebracht", teilte Behördensprecherin Judith Ziska der APA mit. Damit wird sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dieser Causa auseinander setzen müssen.

Sporrer hatte zuvor erklärt, sich äußere sich grundsätzlich nicht zu Urteilen der unabhängigen Rechtsprechung, könne aber "die große Betroffenheit und das öffentliche Interesse an diesem Fall gut nachvollziehen". Der Schutz vor Gewalt begleite sie schon ihr ganzes berufliches Leben und sei ihr daher auch als Justizministerin ein zentrales Anliegen: "Die Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung sowie ein wirksamer Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt haben für mich oberste Priorität."

Sporrer will "Nur Ja heißt Ja" umsetzen

Daher werde derzeit geprüft, "wie das geltende Sexualstrafrecht weiterentwickelt werden kann. Eine Maßnahme, die wir umsetzen wollen, ist die Einführung des Zustimmungsprinzips 'Nur Ja heißt Ja'. Damit müsste das Gericht künftig überprüfen, ob eine Zustimmung vorlag und nicht mehr, ob sich die Frau gewehrt hat oder zu erkennen gegeben hat, dass der Sexualakt gegen ihren Willen vollzogen wird", kündigte Sporrer an. Ein weiterer wichtiger Schritt sei der flächendeckende Ausbau von Gewaltambulanzen. "Diese Einrichtungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag. Sie helfen Gewaltopfern rasch und unkompliziert und sichern Beweise gerichtsfest - eine entscheidende Unterstützung auch für spätere Gerichtsverfahren", bemerkte die Justizministerin.

Zuvor waren die Freisprüche in den sozialen Medien und in den Kommentarspalten einiger Zeitungen, aber auch von der Politik heiß diskutiert worden. Sie verstehe "die Welt nicht mehr", äußerte sich Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Wochenende auf X (vormals Twitter). Sie halte die Freisprüche "als Mutter und Politikerin für falsch", diese würden "ein fatales Signal der falschen Toleranz" aussenden.

ÖVP für "Verschärfung" des Sexualstrafrechts

In einer gemeinsamen Aussendung forderten Tanner und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eine Verschärfung des Sexualstrafrechts: "Immer öfter sehen wir, dass das aktuelle Sexualstrafrecht nicht mehr den aktuellen Anforderungen entspricht." Die im Regierungsprogramm vereinbarte Verschärfung sei "höchst notwendig". Im Falle verurteilter, ausländischer Gewaltverbrecher müsse "die sofortige Abschiebung unsere Antwort sein".

"Für mich zeigt dieser Fall ein Mal mehr, welchen Schaden die unkontrollierte Massenzuwanderung angerichtet hat", äußerte sich FPÖ-Obmann Herbert Kickl ebenfalls auf X, wobei von den zehn Beschuldigten die meisten zwar Migrationshintergrund aufweisen, aber entweder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder in Österreich aufgewachsen sind. "In diesem Land läuft ordentlich etwas falsch - vor allem, wenn junge Mädchen nicht mehr geschützt werden", betonte Kickl.

FPÖ gegen "linke Kuscheljustiz"

Der freiheitliche Justizsprecher Harald Stefan forderte Justizministerin Sporrer auf, "endlich gegen die linke Kuscheljustiz vorzugehen." Stefan kündigte einen FPÖ-Antrag im Justizausschuss des Parlaments an.

Differenzierter reagierten NEOS. "Eine Gesetzesverschärfung ist wichtig, aber sie allein reicht nicht. Wenn mehr Anzeigen gestellt werden, ohne dass sich die Zahl der Verurteilungen erhöht, dann haben wir nichts gewonnen. Im Gegenteil: Dann wächst das Misstrauen in den Rechtsstaat. Deshalb braucht es umfassenden Opferschutz, spezialisierte Ermittlerinnen und Ermittler, Schulungen für Justiz und Polizei - und ein System, das den Mut der Betroffenen nicht bestraft, sondern schützt", hielt NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter fest.

Die SPÖ-Frauen pflichteten - wenig überraschend - der Justizministerin bei. "Das Verhalten des damals zwölfjährigen Mädchens und sogar das der Mutter werden öffentlich diskutiert, anstatt das der Täter. Der Gerichtsprozess zeigt deutlich, dass wir auch in Österreich eine klare Definition von einvernehmlicher Sexualität brauchen. Nur Ja heißt Ja. In einigen Ländern wie in Schweden oder Spanien ist dies bereits gelebte Praxis. Es ist wichtig, dass wir von anderen Ländern lernen", stellte SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Ruth Manninger in einer Aussendung fest. "Die Scham" müsse die Seite wechseln: "Wir haben in Österreich ein Problem mit Männergewalt, mit Besitzdenken und mit patriarchalen Denkmustern." Die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck an der Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen, um Lücken im Gewaltschutz zu schließen, bekräftigte Manninger.

Die Grüne Justizsprecherin Alma Zadić meldete sich ebenfalls zu Wort: "Für uns Grüne ist klar: Nur Ja heißt Ja. Zustimmung muss die Grundlage jeder sexuellen Handlung sein - alles andere ist Gewalt."

Boulevard ortet "Skandalurteil", Richter mit "Hass im Netz" bedacht

Heimische Boulevardmedien hatten am Wochenende ein "Skandalurteil" geortet, die deutsche "Bild"-Zeitung berichtete von einer "Jugendbande" und einer "Gruppenvergewaltigung", obwohl es in der Hauptverhandlung nicht um mit Gewalt oder Drohung vorgenommene bzw. erduldete geschlechtliche Handlungen gegangen war. Selbst den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen hatte die Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren fallen gelassen und aus Beweisgründen eingestellt.

Dessen ungeachtet sorgten die Freisprüche in den sozialen Medien für Unmutsäußerungen und Empörung bis hin zu unverhohlenem "Hass im Netz", den vor allem der vorsitzende Richter abbekam. Der Richter wurde, auch in mehreren Kommentaren unter dem X-Account des Rechtsvertreters des betroffenen Mädchens, wüst beschimpft und mit zahlreichen Schimpfwörtern versehen.

Hasserfüllte Eingaben an Medienstelle des Landesgerichts

Die Medienstelle des Wiener Landesgerichts wurde mit etlichen wütenden bis hasserfüllten Eingaben bedacht. Unter anderem wurde die "sofortige" Suspendierung des Richters gefordert, der den Vorsitz des erkennenden Schöffensenats inne hatte.

(APA/Red)

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