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Frau von Polizei niedergeschossen: Prozess abgebrochen

Beim Prozess gegen die angeschossene Frau im Wiener Straflandesgericht
Beim Prozess gegen die angeschossene Frau im Wiener Straflandesgericht ©APA
Am Dienstag wurde der Prozess gegen jene psychisch kranke Frau, die auf Polizisten mit Messern losgegangen war und daraufhin mit Schüssen niedergestreckt wurde, auf unbestimmte Zeit vertagt. Es gab Unstimmigkeiten zwischen Richter und Gerichtsmediziner und zuwenig Klarheit über den Tathergang.
Bilder vom Prozess
Fortsetzung des Prozesses
Prozess erstmals vertagt
Die Tatwaffen: Messer
Hier fielen die Schüsse
Neun Schüsse bei Einsatz

Kein Urteil wurde im am Dienstag fortgesetzten Prozess um die psychisch kranke Frau erzielt, die am 7. März 2012 in ihrer Wohnung in der Goldschlagstraße in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus mit zwei Messern auf Polizisten losgegangen war und daraufhin von einem Beamten mit neun Schüssen niedergestreckt wurde.

Die Verhandlung wurde völlig überraschend erneut vertagt, nachdem offene Unstimmigkeiten zwischen dem Gerichtsmediziner Daniele Risser und dem vorsitzenden Richter Thomas Kreuter zutage getreten waren.

Gerichtsmediziner blieb klares Gutachten schuldig

Nachdem sämtliche geladene Zeugen – darunter auch der Polizist, der auf die 37-Jährige gefeuert hatte – befragt worden waren, sollte Risser sein schriftliches Gutachten erörtern. Das Gericht erwartete sich davon vor allem eine klare Antwort auf die Frage, ob für die Beamten Lebensgefahr gegeben war, als die psychisch Kranke, die sich in ihrem Badezimmer verbarrikadiert hatte, mit den Küchenmessern aus der Duschkabine sprang und auf die Polizisten losging, weil sie vermeinte, es handle sich um Einbrecher.

Als Risser diese Klarstellung in der von Kreuter offensichtlich erhofften Deutlichkeit schuldig blieb, brach der Richter die Befragung des Sachverständigen ab und kündigte an, dass er ihm schriftliche Fragen zukommen lassen werde. Diese möge Risser schriftlich beantworten. Einen konkreten Termin, wann nach Einlangen des Ergänzungsgutachtens weiterverhandelt wird, legte der Richter nicht fest.

Aussagen, wie die Messer geführt wurden

Risser hatte zuvor dargelegt, dass die Frau noch im Badezimmer von drei Projektilen in die linke Hand, in der sie eines der Messer hielt, in den linken Unterarm und in den rechten Unterarm getroffen wurde, wobei er beim Treffer, der das Messer beschädigte, davon ausging, dass die Klinge zu diesem Zeitpunkt “eher in Richtung des Körpers der Frau gewiesen hat”.

Bei diesen drei Schüssen hätten sich die Messer außerdem “auf einer Höhe von 140 Zentimetern oder darunter” befunden, so der Gerichtsmediziner weiter, was nicht ganz zur Aussage des Schützen passte, der in seiner Einvernahme geschildert hatte, die groß gewachsene Frau hätte auf seinen kleineren, aber nicht zwergenhaften Kollegen “runtergestochen”, der gemeinsam mit ihm ins Badezimmer vorgedrungen war.

“Ich kann nicht ausschließen, dass diese Treffer beim Aussteigen aus der Dusche zustande gekommen sind und die Armhaltung nicht mit den weiteren Angaben in Einklang gebracht werden kann”, gab der Sachverständige unter dem Eindruck der vorangegangenen Einvernahme der Polizisten zu Protokoll.

“Fuchteln” oder “versuchter Mord”?

Der 34 Jahre alte Beamte, der die Frau lebensgefährlich verletzt hatte, beschrieb die Amtshandlung dramatisch und als versuchten Mord an seinem um sechs Jahre jüngeren Kollegen. Während dieser vor Gericht erklärt hatte, die Frau habe mit den Messern “gefuchtelt”, war es für den Schützen “ein durchgehendes Stechen. Sie war auf Körperkontakt, die Messer haben sich bewegt. Die haben zugestochen. Es waren schnelle Bewegungen von oben nach unten. Der Kollege war in Lebensgefahr, ganz einfach.”

Folglich habe er zunächst “einen Schuss mit akzeptabler Visierung in ihre Körpermitte” abgegeben, sagte der Polizeibeamte. Dessen ungeachtet sei die Frau dem Kollegen “vorgebeugt nach. Ich habe keine Trefferwirkung gesehen”. Daher habe er weitere Schüsse abgegeben. Die Frau habe dann “ein Messer verloren” (laut Gerichtsmediziner hatte der Beamte es ihr aus der Hand geschossen, Anm.), während der Kollege zu Sturz kam: “Ich hab’ das Gefühl gehabt, dass sie ihm nachsticht”.

Das gaben die Polizisten an

Als die 37-Jährige infolge der zahlreichen erlittenen Treffer endlich zu Boden ging, habe sie weiter ein Messer mit nach oben gerichteter Klinge in Brusthöhe umklammert, sich “derrappelt” und wieder aufstehen wollen: “Dann sind noch zwei Schüsse gefallen.”

Darauf angesprochen, dass der zweite Polizist von “Fuchteln” gesprochen hatte, gab der Schütze, bei dem noch nicht feststeht, ob er vor Gericht muss oder sein Verfahren wegen Notwehr eingestellt wird, zu bedenken: “Fuchteln kann man harmloser auslegen, als es gemeint war. Ich bin mir sicher, dass es der Kollege nicht harmlos gemeint hat”.

Was vor seiner Einvernahme im Verhandlungssaal passiert war, hätte der 34-jährige Polizist gemäß Strafprozessordnung nicht vorab erfahren dürfen, da Zeugen ohne Kenntnis des bisherigen Verhandlungsverlaufs in den Zeugenstand zu treten haben. Der Schütze wurde jedoch von einem offenbar ebenfalls der Polizei angehörenden Mann informiert, der unter den Zuhörern gesessen war, dann den Saal verließ und dem Beamten vor dessen Befragung ein Update über das bisher im Prozess gegen die angeschossene Frau Geschehene gab.

(apa/red)

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