Forschung über Imperien: Fokus auf Landwirtschaft und Militärtechnik

Das Team um den russisch-amerikanischen Komplexitätsforscher Peter Turchin vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna stützte sich für die im Fachmagazin "Science Advances" erschienene Studie auf die ursprünglich von Turchin entwickelte "Global History Databank Seshat". Das ist eine Sammlung historischer und archäologischer Daten für 373 Gesellschaften weltweit. Die Wissenschafter konzentrierten sich in der Studie auf den Zeitraum vom Beginn des Zeitalters des "Holozäns" vor rund 10.000 Jahren bis zum Jahr 1900 nach Christi Geburt.
Daten der Forschung zeichnen Kommen und Gehen von Imperien nach
Diese Daten zeichnen die Bildung und Auflösung von größeren Gesellschaften über die Zeit hinweg nach. Seit rund 5.000 Jahren dominiert hier die Organisationsform des Staates in ihren verschiedenen Ausgestaltungen. Anhand der zusammengetragenen Informationen überprüften die Wissenschafter mit mathematischen und statistischen Methoden empirisch zahlreiche Theorien zur "Holozän Transformation".
Landwirtschaft und Militärtechnik im Fokus der Forschung
Während manche vor allem die Entwicklung der Landwirtschaft ins Zentrum stellen, haben andere eher Konflikte, wie Kämpfe zwischen gesellschaftlichen Klassen oder militärische Bedrohungen durch andere Mächte im Fokus. Wieder andere sehen die bemerkenswerten Entwicklungen als komplexe Anpassungsstrategie an gesellschaftliche Probleme an, wie es in einer Aussendung des CSH heißt.
17 potentielle Einflussfaktoren
Obwohl all diese Gedankengebäude auf nachvollziehbaren Beispielen fußten, habe "sich keines jemals als entscheidend überzeugender erwiesen als die anderen", meint Turchin. Zusammen mit Kollegen hat er nun 17 potenzielle Einflussfaktoren in mannigfaltigen Kombinationen untersucht, die von diversen Theorien als für die "Holozän Transformation" wichtig angesehen werden. Als am besten zu den Daten über Bildung und Veränderung von staatlichen Gebilden passend, entpuppten sich vor allem zwei Faktoren in Kombination: Eine steigende landwirtschaftliche Produktivität und die Erfindung oder die Übernahme von militärischen Technologien, wie etwa aus Eisen geschmiedeter Waffen oder die Entwicklung von berittenen Armeen bzw. des Schießpulvers.
Konflikte um Territorien und Ressourcen brachten großen Druck auf die Menschen
Letztlich sei die sozio-politische und kulturelle Entwicklung am besten dadurch zu erklären, dass Konflikte um Territorien und Ressourcen hohen Druck auf die Menschen mit sich brachten. Das wiederum führte dazu, dass Gesellschaften im Vorteil waren, die mehr Lebensraum hatten, aus mehr Menschen bestanden, die in der Lage waren, mehr Information anzusammeln und zu speichern, die effektiver über größere Distanzen kommunizieren und mehr Menschen für den Aufbau von Infrastruktur oder militärische Zwecke mobilisieren konnten.
Umgang mit Bronze und Eisen vergrößerte Einflussbereich von Gesellschaften
Das Bild, der sich wiederholenden Geschichte, stellt sich für die Forscher derart dar: Gesellschaften, die beispielsweise den Umgang mit Bronze und später Eisen oder bestimmte militärische Innovationen für sich nutzen konnten, vergrößerten rasch ihren Einflussbereich. Dann kam es zu einer relativen Stabilisierung ihrer Größe. In der Folge stellten sich weitere Innovationen und kulturelle Errungenschaften ein, bis wieder ein neuer Durchbruch kam, und sich erneut bestimmte, mitunter andere Gesellschaften schnell ausbreiteten und stabilisierten, bis der Prozess wieder von vorne begann. Als Beispiele nennen die Forscher das Alte und Neue Königreich in Ägypten, sowie erste Großreiche im Nahen Osten oder in China, das Römische Reich oder die riesigen Kolonialreiche europäischer Staaten, die teils weit bis ins 20. Jahrhundert erhalten blieben.
Forschung als Denkanstoß über etablierte Theorien
Die Wissenschafter sehen ihre Arbeit als Anstoß, über die Plausibilität von teils etablierten Theorien in dem Feld nachzudenken. Für Turchin hat die empirische Überprüfung das Zeug dazu, Hypothesen ein für alle Mal zu verwerfen, die solchen Überprüfungen nicht standhalten.
(APA/Red)
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