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Folter-Skandal: Schwere Vorwürfe gegen Militär

Nach dem Untersuchungsbericht des Pentagon zum Folterskandal von Abu Ghraib hat ein weiterer Bericht der US-Armee die Militär-geheimdienste schwer belastet. Insgesamt 27 Geheimdienstler seien in die Misshandlung von Häftlinge verwickelt gewesen.

Das heißt es in dem am Mittwoch präsentierten Untersuchungsbericht, der unter Leitung von US-Generalmajor George Fay erstellt wurde. Die meisten Misshandlungen durch eine „kleine Gruppe moralisch verdorbener Soldaten und Zivilisten“ hätten nichts mit den Verhören in der Anstalt zu tun gehabt. Vielmehr habe es sich um „brutale Spiele“ gehandelt.

Nach den Worten von General Paul Kern waren 23 Mitarbeiter von Militär-Nachrichtendiensten sowie vier Verhörspezialisten von Privatfirmen an insgesamt 44 Fällen beteiligt. Sie hätten Misshandlungen in Auftrag gegeben, unterstützt, stillschweigend geduldet oder direkt daran teilgenommen. In anderen Fällen werden Armee-Ermittler in Schutz genommen, weil sie aus Unwissenheit oder Konfusion über bestehende Gesetze und Anordnungen zu „Missbrauchstaktiken“ gegriffen hätten.

Der Bericht prangert auch die US-Armeespitze im Irak wegen mangelnder Führungskraft an. Es gebe nicht „eine einzige, einfache“ Erklärung für die Geschehnisse in Abu Ghraib, heißt es in dem Bericht. Die wichtigsten Ursachen für die Misshandlungen seien „unmenschliches bis sadistisches Fehlverhalten, ein Mangel an Disziplin von Seiten der Anführer und Soldaten der 205. Brigade des Militärgeheimdienstes und ein Mangel an Führung“ bei den US-Truppen im Irak gewesen.

Der Bericht stellt 44 Fälle von Misshandlungen im Zeitraum zwischen dem 25. Juli 2003 und dem 6. Februar dieses Jahres fest. In einem Fall sei der Gefangene an den Folgen gestorben. Außerdem gab die US-Armee zu, dass insgesamt acht irakische Häftlinge als so genannte Geister-Gefangene vor dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) versteckt worden seien. Einer der Männer sei an den Folgen von Misshandlungen gestorben.

„Die meisten gewalttätigen und sexuellen Misshandlungen, aber nicht alle, erfolgten unabhängig von den geplanten Verhören“, stellt die Untersuchungskommission fest. Damit widerspricht sie den Angaben von einigen der bisher sieben wegen Misshandlung angeklagten Soldaten. Diese hatten erklärt, sie hätten auf Anweisung von Militärpolizisten gehandelt, um Gefangene für die Verhöre „weich zu machen“. In keinem der durch schockierende Fotos weltweit bekannt gewordenen Fälle habe es sich um Häftlinge gehandelt, die zum Verhör festgehalten wurden. Auf den im April veröffentlichten Bildern sind unter anderem zu menschlichen Pyramiden aufgetürmte, nackte Häftlinge zu sehen. Die Fotos sorgten in der ganzen Welt für Empörung.

Neben den Angehörigen der 205. Brigade des militärischen Geheimdienstes, die von US-Oberst Thomas Pappas befehligt wurde, werden drei weitere Militärpolizisten der Beteiligung an Misshandlungen beschuldigt, ein anderer, weil er nicht eingriff, sowie zwei Mitarbeiter des medizinischen Personals. Der Bericht wirft Pappas sowie mehreren weiteren Offizieren Versagen vor, weil sie die Lage nicht unter Kontrolle gehabt, zu spät auf die Warnungen des IKRK reagiert und keine klaren Anweisungen gegeben hätten. Die Offiziere, deren Verhalten Gegenstand eines Disziplinarverfahrens werden dürfte, hätten jedoch nicht „direkt“ an den Misshandlungen teilgenommen, betonte General Paul Kern, einer der Verfasser des Berichts.

Zuvor hatte der demokratische US-Präsidentschaftskandidat John Kerry wegen des Folterskandals den Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gefordert. Der am Dienstag veröffentlichte Untersuchungsbericht des früheren Pentagon-Chefs James Schlesinger zu dem Skandal mache klar, dass Rumsfeld mit seiner Politik „ein Klima geschaffen hat, in dem diese Art von Übergriffen geschehen konnten“, erklärte Kerry. Die Kommission war zu dem Schluss gekommen, dass die Misshandlungen in Abu Ghraib und anderen Haftanstalten der US-Armee zwar nicht von ganz oben angeordnet oder gebilligt, jedoch durch mangelnde Planung für den Irak-Krieg sowie durch fehlende Aufsicht ermöglicht worden seien.

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