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Flüchtlingskrise: Gewerkschaften fordern mehr Personal bei Bahn, Bus und Polizei

An der Grenze der Belastbarkeit
An der Grenze der Belastbarkeit
Mit einem gemeinsamen Appell wenden sich die Spitzen von Bahn-, Bus- und Polizeigewerkschaft an die Öffentlichkeit. Die Beschäftigten der ÖBB, die Busfahrer und die Polizisten im Einsatz bei den Flüchtlingen brauchten mehr Personal und klare Regelungen. Die Regierung müsse handeln: Die Ausnahmesituation dürfe nicht einfach prolongiert, die Provisorien nicht zum Dauerzustand werden.

ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit fordert im Gespräch mit der APA – Austria Presse Agentur mehr Personal und eine bessere Planung. “So eine Krisensituation mit dem normalen Personal abzudecken, das geht auf Dauer nicht.” Die Beschäftigten der ÖBB hätten schon bis 1. Oktober 3,6 Millionen operative Überstunden geleistet, im ganzen Jahr 2015 würden es wohl 4 Millionen Überstunden werden.

Private Bahn hätte Aufgabe nicht stemmen können

Bisher hat die ÖBB 360 Sonderzüge geführt und 1.200 Autobusse (über die Tochter Postbus) gestellt. Rund 300.000 Menschen wurden befördert, der Großteil davon an die deutsche Grenze. Außerdem habe die ÖBB in ihren Einrichtungen 55.000 bis 60.000 Flüchtlinge beherbergt. Die Beschäftigten hätten sehr engagiert tolle Arbeit geleistet, und auch das ÖBB-Management habe die Beschäftigten unterstützt, etwa durch die Organisation psychosozialer Betreuung, erläutert der oberste Bahn-Gewerkschafter.

Die Bewältigung all dieser Aufgaben sei nur im integrierten Bahnkonzern der Bundesbahnen möglich gewesen, ist Hebenstreit überzeugt: “Hätten wir nicht eine staatliche Bahn wie sie jetzt existiert, ein integriertes Unternehmen, gäbe es wahrscheinlich seit den ersten Tagen ein unglaubliches Chaos in Österreich.” Die ÖBB-Infrastruktur sei für die Notfallzentralen genutzt worden. An die Befürworter einer Privatisierung der Staatsbahn gerichtet meint Hebenstreit, man solle sich nur einmal vorstellen, es hätte 30 kleine Bahnen im eigenwirtschaftlichen Betrieb in Österreich gegeben, als die Flüchtlinge in großen Zahlen an den Grenzen standen.

Dann wären all diese Leistungen nicht möglich gewesen, ist der Gewerkschafter überzeugt. Denn der Druck durch den freien Markt würde jegliche Reserven in einem Unternehmen vernichten. “Wenn es nur mehr darum geht, wer ist der Billigste, leistet man sich keine Reserven für Krisenfälle.” Die ÖBB hätten zu Beginn der Flüchtlingskrise ihre Reserven mobilisiert. Nun sei “professionelles Management” gefordert: Die Regierung müsse einen “modus operandi”, also einen Plan für das weitere Vorgehen, entwickeln.

“Busfahrer sind ziemlich am Limit”

“Wir sind zur Zeit ziemlich am Limit”, erläutert Karl Delfs von der Fachgewerkschaft vida, der für die Straße zuständig ist. Das Verkehrsministerium sollte den Ausnahme-Erlass, dass Busfahrer im Einsatz für die Beförderung von Flüchtlingen nicht an Lenk- und Ruhezeiten gebunden sind, wieder aufheben. Von den Strecken her wären die Fahrten innerhalb der normalen Lenkungszeiten durchaus machbar. Bei längeren Routen sollte ein zweiter Fahrer mitgeschickt werden. “Die Busgesellschaften sollten einfach mehr Busfahrer für diese Aufgabe einsetzen”, fordert Delfs.

Wenn der Bus nicht Richtung Deutschland fährt

Das zweite Anliegen des Gewerkschafters: In den Bussen sollte auch eine Ansprechperson für die Flüchtlinge mitfahren. Derzeit sei der Fahrer alleine, und er müsse sich aufs Fahren konzentrieren. Die Flüchtlinge, die nach einer beschwerlichen langen Reise verständlicherweise erschöpft, ausgelaugt und nervös seien, würden die Fahrroute am Handy mitverfolgen und wenn sie von der Route nach Deutschland abweiche, aufgeregt den Fahrer bestürmen.

Dabei komme es zu schwierigen Situationen für die betroffenen Busfahrer, die hinter dem Lenkrad mit einer Gruppe von Flüchtlingen, deren Sprache sie nicht verstehen, konfrontiert seien. Es gebe zwar eine Notfalltelefonnummer, aber das sei zu wenig. Um die Situation in den Bussen für die Fahrer zu erleichtern, sollten die Flüchtlinge von einem Mitarbeiter oder Freiwilligen einer Hilfsorganisation begleitet werden.

“Polizisten zahlen die Zeche!”

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Hermann Greylinger bekräftigte seine Forderung nach mehr Personal für die Exekutive. Schon vor der Flüchtlingskrise sei die Polizei immer weiter ausgedünnt und tausende Planstellen seien abgebaut worden. “Wir zahlen jetzt die Zeche für 15 Jahre verfehlte Planung”, wetterte er.

Jetzt sei die Belastung einfach zu hoch: Kollegen hätten bis zu 30 Stunden Einsatzzeit an der Grenze. Es gebe Verlegungen innerhalb weniger Stunden von Bundesland zu Bundesland ohne Rücksicht auf das soziale Umfeld der betroffenen Polizisten. Bei den Einsätzen an der Grenze sei trotz aller Schwierigkeiten bisher kein einziger Vorfall von Gewalt passiert – “darauf bin ich stolz”, sagte Greylinger. Er danke allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Besonnenheit.

Nun habe auch die Innenministerin erkannt, dass die Polizei mehr Personal brauche. Greylinger fordert einen Aufnahmepool für “vorausschauende Aufnahmen”, denn derzeit dürften Planstellen erst nachbesetzt werden, wenn sie frei werden. Mit der Ausbildungszeit von 24 Monaten habe man dann aber immer eine Lücke von zwei Jahren.

Weiters sollte es einen “Abwesenheitspool” geben, um Abwesenheiten, die etwa aus Karenzen oder dem Wechsel auf Teilzeit entstünden, sofort aufzufüllen. Die ersten Gespräche zum Personalaufbau seien ganz gut gelaufen. Trotzdem lasse die Polizeigewerkschaft “die Rute im Fenster”, sagte er: “Die Räume für die Dienststellenversammlungen bleiben gebucht.” Denn ohne Druck gehe anscheinend nichts weiter. (red/APA)

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