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Flauschiges Alter Ego: Wie ist es, Teil der Furry-Community zu sein, Chris?

VOL.AT traf Chris, der Teil der Furry-Community ist.
VOL.AT traf Chris, der Teil der Furry-Community ist. ©VOL.AT/Mayer, handout/Privat, Symbolbild: AFP, Canva Pro
Mirjam Mayer (VOL.AT) mirjam.mayer@russmedia.com
Chris ist Anfang 20 und kommt aus dem Bezirk Bludenz. Er ist seit mehreren Jahren Teil der Furry-Community. VOL.AT traf ihn zum Gespräch.

"Ich bin eigentlich ein normaler Junge, wie die meisten in der Furry-Community", erklärt Chris im VOL.AT-Gespräch. Er spiele gerne Billard, gehe angeln und spiele Airsoft. Seit drei bis vier Jahren ist er in der Furry-Community aktiv und hat dadurch viele Freunde kennengelernt.

VOL.AT traf Chris, der Teil der Furry-Community ist. ©VOL.AT/Mayer

Anthropomorphe Tierwesen

Zur Community kam er per Zufall: "Ich kam von der Arbeit, habe mich auf die Couch gelegt, bin eingeschlafen und habe YouTube im Hintergrund laufen lassen. Und dann kam irgendwann ein Furry-Video, das ich dann im Halbschlaf angeschaut habe", meint er. "Die waren mir relativ sympathisch und ich habe mir gedacht, ich schaue mal rein." Was genau einen Furry ausmache, sei schwer zu sagen, so der junge Vorarlberger. "Jeder könnte rein theoretisch ein Furry sein", gibt er zu verstehen. Ein Hauptmerkmal sei, dass man sich mit anthropomorphen Tierwesen beschäftigt. Also mit Tieren, die menschliche Eigenschaften aufweisen – ob in der Gestalt oder im Verhalten.

Zwei Furrys auf der Comic Con Bodensee 2018 im Messequartier ©VOL.AT/Rauch

Nur ein Viertel hat einen Fursuit

Was den meisten ein Begriff sein dürfte, sind die sogenannten Fursuits. Diese sind die wohl sichtbarste Ausprägung des Furry-Fandoms. Der Anzug aus Fell, Schaumstoff und Co. kann entweder den ganzen Körper bedecken oder nur gewisse Körperteile. "Also ich persönlich habe keinen Fursuit und in der Community generell hat circa nur ein Viertel einen Fursuit", verrät Chris gegenüber VOL.AT. "Aber man braucht es ja auch nicht unbedingt. Genauso muss man auch nicht unbedingt zeichnen können oder dergleichen", verdeutlicht er. "Man ist einfach dabei, wenn man sagt: Hey, ich möchte dabei sein." Man müsse sich eigentlich nur eingestehen, dass man ein Furry sei. Auch der Kostenfaktor dürfte hier eine Rolle spielen: Laut VOL.AT-Recherchen starten Fursuits bei 500 Euro, je nach Sonderwunsch können sie bis zu 5.000 Euro kosten.

Auch seine Wohnung schmückt Chris mit Wolf-Motiven. ©VOL.AT/Mayer

"Man nimmt dich so, wie du bist"

Den Mitgliedern der Community geht es auch um die Gemeinschaft selbst. "Es ist wie eine riesige große Familie oder freundliche Nachbarschaft, die einander hilft, ohne irgendwas dafür zu fordern, sozusagen", findet Chris. "Die meisten sagen: Hey, ich helfe dir. Und dann kannst du mir dafür Rasen mähen oder so. So ist es da nicht. Da hilft man einfach so, weil man gerne hilft, sozusagen." Auch, dass die Community sehr tolerant und freundlich ist, schätzt der junge Mann: "Egal, ob jetzt schwul, lesbisch oder sonst was, das ist denen egal. Man nimmt dich so, wie du bist und das gefällt mir einfach", gibt er zu verstehen.

Ein Bild von der Anthrocon 2023, einer Furry-Convention in den USA. Die Furry-Community gibt es in aller Herren Länder. ©AFP/Agner Bun

Was ist eine Fursona?

Ein Furry wählt sich eine sogenannte "Fursona". Der Begriff verschmilzt das englische "fur" für Fell mit "persona" für Persönlichkeit: "Am einfachsten ist es, wenn man sagt, man erstellt sich sozusagen in dieser Furry-Community  selber einen Charakter", schildert Chris. Dieses flauschige Alter Ego kann entweder der eigenen Persönlichkeit entsprechen oder eine Art Idealbild seiner selbst darstellen. "Manche machen es, um dem Alltag zu entfliehen oder einfach, um sich wohler zu fühlen", verrät er hierzu. "Ich zum Beispiel habe auch eine, die soll einfach ein bisschen cooler als ich sein, weil ich eher so als Streber immer angesehen wurde in der Klasse oder in der Schule." Anders als er trägt die Fursona etwa auch Ohrringe, ist lockerer, auch chilliger, wie er sagt. Jeder kann sie so gestalten, wie er will. Chris wählte einen Wolf – sein Lieblingstier. "Das könnte rein theoretisch alles sein, von Giraffe bis Hai bis alles Mögliche", meint er.

Eine Darstellung von Chris' Fursona. Tyrow (rechts im Bild) ist ein türkis-weißer Wolf. Daneben die Fursona seines Partners. ©handout/Privat

Seine Fursona "Tyrow" ist türkis-weiß und sozusagen eine Mischung aus Wolf und Husky. "Huskys sind so ein bisschen aufgewühlt, aufdringlich. Das bin ich auch", verdeutlicht er. Gleichzeitig findet er sich aber auch im Wolf wieder. Dieser gilt als Einzelgänger, ist aber ein Rudeltier. "Ich bin immer so ein Einzelgänger gewesen. Aber ich bin auch eher so einer, der gern mit Freunden was zusammen unternimmt", erklärt er den Hintergrund.

Conventions, Kommunikation und Erkennungszeichen

Furrys treffen sich auch immer wieder. "Man könnte es mit Cosplay-Events teilweise auch vergleichen", meint Chris. "Es gibt oft Stammtische in der Region." Auch in Vorarlberg gab es einen, dieser hat sich allerdings laut ihm durch Corona etwas aufgelöst. Furrys besuchen auch Conventions, kommunizieren hauptsächlich übers Internet, Instagram und Co. "Auch auf der Straße lernt man sich kennen", gibt er zu verstehen. "Indem man jetzt zum Beispiel gewisse Fursonas oder so auf dem T-Shirt hat, was andere jetzt nicht direkt erkennen würden, aber Furrys untereinander direkt erkennen", meint der junge Mann aus dem Bezirk Bludenz. "Dann spricht man sich an und zehn Minuten später isst man Eis und trinkt einen Kaffee." Auch gewisse Marken und Symbole, die mit er Community zu tun haben, können Erkennungszeichen sein.

Chris' Fursona mit der seines Partners. ©handout/Privat

Mit Vorurteilen aufräumen

Rund um die Entstehung der Furry-Community in den 1970ern gab es laut Chris eine Kontroverse. "Da kamen die ersten Cons, aber die waren ohne Regeln", erklärt er. Hier seien dann – auch durch Einfluss von Alkohol – teilweise Sachen vor der Kamera passiert, "die man jetzt eher nicht öffentlich zeigen sollte". Mit dadurch entstandenen Vorurteilen versuche man heute noch aufzuräumen. In den Medien werden Furrys vor allem mit Fursuits dargestellt, teilweise werden sie auch stark sexualisiert oder gar mit einem Fetisch in Verbindung gebracht. "Also ich persönlich finde es jetzt blöd, weil es ist überall irgendwie dabei, aber es gehört halt nicht in die Öffentlichkeit und wenn es zu der Community gehört, dann ist es der geringste Teil, den man sich vorstellen kann", meint Chris hierzu. "Es geht hier wirklich hauptsächlich um Gemeinschaft und Freundlichkeit und füreinander da zu sein. Das sind jetzt halt eher die schlechten Seiten, die man jetzt direkt sieht."

Video: Chris im VOL.AT-Gespräch

"Ein Großteil meiner Freunde weiß es, meine Eltern auch"

Chris geht relativ offen damit um, dass er ein Furry ist. "Also ein Großteil meiner Freunde weiß es, meine Eltern auch", erzählt er gegenüber VOL.AT. "Aber meine Eltern können nicht großartig was damit anfangen." Seine Freunde, die die Community kennen, würden es akzeptieren. "Aber man muss es denen ja nicht auch durchgehend unter der Nase reiben, sozusagen." Meistens sage er auch gar nichts dazu, nur wenn explizit danach gefragt werde. Er habe schon Furrys gekannt, die über 80 Jahre alt waren, so der Vorarlberger. "Also es fängt circa so mit 15, 16. Bis 80 kann alles dabei sein, aber so hauptsächlich um die Mitte 20 bis Mitte 30 sind ganz viele dabei", erklärt Chris.

Wer Interesse an der Community hat, kann die Vorarlberger Furrys gerne kontaktieren. Denn genau um folgendes geht es ihnen: "Einfach eine gute, nette Zeit haben, sich austauschen über Personas oder was sein Lieblingstier ist, was für Hobbys man hat", fasst der junge Mann aus dem Bezirk Bludenz zusammen.

(VOL.AT)

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