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Farbenblind: Grüner Erfolg in schwarzem Gewand

Das erfolgreichste Ticket in der Geschichte des Verkehrsverbund. 365 Tage für 365 Euro.
Das erfolgreichste Ticket in der Geschichte des Verkehrsverbund. 365 Tage für 365 Euro. ©VVV
Im Meinungsblog “Farbenblind” analysiert Gerold Riedmann auf VOL.AT kleine und große Begebenheiten im Vorfeld der Landtagswahl am 21. September 2014.

gerold-farbenblindGästen, die noch nie in Vorarlberg zu Besuch waren, erzähle ich gerne die Geschichte des kraftvollen Rheintals, einer Bandstadt quasi, in der rund 280.000 Menschen wohnen. In der die Dinge eher städtisch funktionieren, jedenfalls anders als auf dem Land, wo sich nur alle 20 Kilometer eine Siedlung an der Bundesstraße auffädelt. Auch der öffentliche Verkehr ist durchaus bemerkenswert, vergleicht man mit anderen europäischen Regionen. Die öffentlichen Verkehrsmittel mit den Stadt- und den Landbussen waren der Hammer in den späten 90ern, die Verdichtung des S-Bahn-Taktes auf 30 Minuten die logische Fortführung. Doch jetzt gäbe es wieder viel zu tun.

Der einsame Busfahrer

Bei mir führt eine Buslinie vor der Haustüre vorbei. Ich seh’ die farbenfrohen Busse alle 30 Minuten – und oft genug ist der Fahrer der einzige Insasse. Ich hoffe wirklich, die Linie wird nicht eingestellt, denn eigentlich tut die gegenteilige Richtung Not: der öffentliche Verkehr braucht einen weiteren Entwicklungsschub. Ich kann nur mutmaßen, dass es noch mehr Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern so geht, wie mir: ich möchte nicht mehr auf die Uhr, auf den Haltestellen-Service oder sonst wohin schauen, ob gerade ein Bus oder Zug abfährt. Da fällt der Unterschied vom geliebten Vorarlberg zur richtigen Stadt dann doch auf. Kein Mensch schaut in der Wiener Spittelau oder an der Münchner Freiheit auf den U-Bahn-Plan, ehe er sich auf den Weg in den Untergrund begibt. Die Züge kommen eh alle zehn Minuten.

Wo kein Angebot ist, entsteht Nachfrage nur sehr schleppend oder gar nicht. Das kennen wir Vorarlberger von einem anderen Thema, der Kleinkinderbetreuung, nur allzu gut.

Erfolgreichstes Ticket der Geschichte

Im vergangenen Jahr haben sich die Grünen also durchgesetzt. Die Formel war einfach, erprobt aus Wien: für einen Euro pro Tag ein ganzes Jahr lang mit Bus und Bahn fahren, das 365-Euro-Ticket. Bernd Bösch und Johannes Rauch forderten das Konzept in Vorarlberg – und am Ende beschloss der überwiegend schwarze Landtag den Antrag einstimmig.

Heute, natürlich kurz vor der Wahl, ließ es sich Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) mit Verkehrslandesrat Erich Schwärzler (ÖVP) und dem Verkehrsverbund-Geschäftsführer nicht nehmen, die erfolgreichste Verkaufsaktion in der Geschichte des Verkehrsverbundes zu verkünden: Von Jänner bis August 2014 wurden um 47 Prozent mehr Jahreskarten verkauft, als im Vorjahreszeitraum. Und das erfolgreichste Ticket? Natürlich das 365-Euro-Jahresticket. Heute haben 7200 Vorarlberger mehr ein General-Abo in der Tasche als noch 2013. Bei soviel ÖVP-Personal bei der Verkündigung der guten Nachricht muss man laut sagen: ein Riesenerfolg für grüne Verkehrspolitik!

Auch der jetzige Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das größte Versäumnis der Vorarlberger schwarz-blauen Verkehrspolitik quasi aus dem All sichtbar ist. Ich kenne kein anderes Gebirgstal in Europa, durch das sich zwei Autobahnen schlängeln, eine hies-, eine diesseits des Rheins. Ohne Verbindung natürlich. Und daran ist in erster Linie nicht der Wachtelkönig schuld.

Wahl-Blog „Farbenblind”

Gerold Riedmann (Twitter: @geroldriedmann) ist Vorarlberger Journalist und kommentiert als Geschäftsführer von Russmedia Digital für VOL.AT kleine und größere Episoden aus dem Vorarlberger Landtagswahlkampf. Riedmann war bis 2011 stv. Chefredakteur der VN und arbeitete zuvor in München, unter anderem für den Bayerischen Rundfunk und elektronische Medien der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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