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Farbenblind: Die Arbeitslosen-Bombe

AMS Vorarlberg-Chef Anton Strini bei der Präsentation der Arbeitslosenzahlen.
AMS Vorarlberg-Chef Anton Strini bei der Präsentation der Arbeitslosenzahlen. ©VOL.AT/Steurer
Im Meinungsblog „Farbenblind“ analysiert Gerold Riedmann auf VOL.AT kleine und große Begebenheiten im Vorfeld der Landtagswahl am 21. September 2014. 
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„Vor allem Arbeit sichern“ ist eine der Parolen, die Markus Wallner (ÖVP) auf die schwarz-gelben Wahlplakate drucken lässt. Und seit sich Vorarlberg verhältnismäßig gut aus der Finanzkrise zurückgekämpft hat, ist die Frage nach der Konjunktur eine, von der verdammt viel abhängt.

Unverdächtiger Titel

Das Vorarlberger AMS hat die unerfreulichen Augustzahlen zwar unter dem etwas unverdächtigeren Titel „Rückgang des Wirtschaftswachstums“ veröffentlicht, dennoch steckt genügend sozialer Sprengstoff, vor allem für die ÖVP, in den Daten. Denn das, was alle hoffen – nämlich ein freundliches Wirtschaftsklima, mehr Arbeitsstellen, mehr verfügbares Geld für Arbeitnehmer – ist nicht so schnell zu erwarten. „Die erwartete Trendwende in Richtung Entspannung auf dem Arbeitsmarkt für das zweite Halbjahr kommt nicht“, muss AMS-Chef Anton Strini feststellen.

Mitten im Wahlkampf ist die Regierungspartei mehr denn je gefordert, wenn sich Wirtschaftsprognosen eintrüben und die Arbeitslosigkeit steigt, wie jetzt um 7,4 Prozent im Vergleich zum August 2013.

Ganz Hard ohne Arbeit

Rechnet man diejenigen ein, die derzeit in den diversen Schulungsprogrammen stecken, haben aktuell 11.292 Menschen in Vorarlberg keine Arbeit. Das entspricht rein mengenmäßig der Einwohnerzahl von großen Rheintalgemeinden wie Hard, Götzis oder Rankweil. Zum Vergleich ein Blick ins Archiv: als Herbert Sausgruber 2011 als Landeshauptmann zurücktrat und an Markus Wallner übergab, ging es nach den Krisenjahren mit höherer Arbeitslosigkeit wieder aufwärts, jedoch waren es ziemlich genau 1000 Arbeitslose weniger als heute. Klar, Vorarlberg ist nach wie vor unter den Besten in dieser Disziplin mit einer Arbeitslosenquote von 5,8 %, deutlich unter dem Bundesschnitt (7,6 %) – aber in Vorarlberg spricht man ja auch immer gern von einer – durch die starke Exportindustrie bedingte – Sonderkonjunktur.

Pflichtschule, Ausländer

Wer sind also die Arbeitslosen? Die offizielle Statistik des AMS führt vor allem gering qualifizierte Personen als hauptbetroffen an. Will heißen: gut die Hälfte aller Arbeitslosen hat nur die Pflichtschule absolviert, keine Lehre, keine weiterführende Schule. Und viele von ihnen sind Ausländer. Bei ihnen stieg die Arbeitslosigkeit um 15,4 % an, während Österreicher „nur“ von einem Anstieg von 4,8 % betroffen waren.

Eher SPÖ und FPÖ

interview peter filzmaier
interview peter filzmaier
Welche Parteien Arbeitslose bevorzugen, ist nicht ganz geklärt, jedenfalls nicht für Vorarlberg. „Die vergleichsweise kleine Gruppe im Wahlverhalten auf sechs Nationalratsparteien aufzusplitten, dafür ist die Stichprobe zu klein“, sagte mir Politikforscher Peter Filzmaier. Er empfiehlt, als Indiz auf das Wahlverhalten nach verfügbarem Monatseinkommen zu gehen: Und da sieht man – jedenfalls auf Bundesebene – dass Personen aus niedrigen Einkommensschichten deutlich mehr SPÖ und FPÖ wählen, auf Bundesebene früher auch Team Stronach und teilweise BZÖ. „ÖVP und interessanterweise Grüne haben eher Wähler mit höherem Einkommen“, analysiert Politikforscher Filzmaier für VOL.AT. Bei den Grünen ist der Kampf gegen Arbeitslosigkeit sowieso eher ein Solidaritätsthema, deren Wähler sind weniger selbst betroffen, bei SPÖ und FPÖ hingegen schon.

Besonderheit in Vorarlberg: Die ÖVP als derzeit 50,71-Prozent-Partei muss sowieso alle Schichten ansprechen – und die FPÖ hätte mit ihrer Vergangenheit eine Sonderstellung.

Blaue Wirtschaftspartei

Die FPÖ hat hier in Vorarlberg durch ihre Geschichte als liberale Wirtschaftspartei eine Riesenchance. Die Ländle-Freiheitlichen waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch Dieter Egger selbst und Hubert Gorbach mehr oder weniger fest auf das Wirtschaftsressort gebucht. In Dieter Eggers Grundsätzen „für ein blühendes Vorarlberg“ ist der erste wirtschaftspolitische Punkt aber auf Nummer 6 zu finden, ein Blick auf die FPÖ-Homepage zeigt die (keine Frage, auch wichtigen) Themen Missbrauchs-Opfer, Bundesheer, Wahlkampfauftakt, Einwanderung, Familienpolitik, Wohnbau. Wirtschaft? Auf der Homepage derzeit jedenfalls Fehlanzeige.

Nicht nur sichern, wachsen!

Arbeitsplätze zu sichern, wie Wallner plakatiert, ist das eine. Die andere große Frage – ich habe noch keine Antwort gehört – ist, wie Vorarlberg es schaffen kann, ein Klima zu schaffen, in dem neue Arbeitsplätze entstehen. Schließlich will die Geschichte vom bettelarmen Land, das über die Textilindustrie zum High-Tech-Exporteur wurde, weiter fortgeschrieben werden. (VOL.AT)

Wahl-Blog „Farbenblind”

Gerold Riedmann (Twitter: @geroldriedmann) ist Vorarlberger Journalist und kommentiert als Geschäftsführer von Russmedia Digital für VOL.AT kleine und größere Episoden aus dem Vorarlberger Landtagswahlkampf. Riedmann war bis 2011 stv. Chefredakteur der VN und arbeitete zuvor in München, unter anderem für den Bayerischen Rundfunk und elektronische Medien der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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