In der portugiesischen Hauptstadt läuft bis 26. Oktober die zweite europäische Konferenz über Suchtverhalten und Abhängigkeit “Lisbon Addictions 2017” mit rund 1.200 Teilnehmern. Die EMCDDA ist mit ihrem Sitz in Lissabon Ko-Veranstalter. Während aus den USA immer beängstigender klingende Meldungen über die dort ablaufende tödliche “Opioid-Epidemie” kommen, sehe die Situation in Europa ganz anders aus, betonte Goosdeel: “Die Drogenstrategie der EU und ihrer Mitgliedsstaaten hat dazu geführt, dass das Drogenproblem zunehmend unsichtbar geworden ist. Vergangenes Jahr gab es in Europa 8.000 bis 9.000 Drogentote. In den USA – also einem ähnlich großen Raum – wurden hingegen 66.000 mit Suchtgift in Verbindung stehenden Todesfälle registriert.” In den USA setze man viel mehr auf Polizeimaßnahmen und Strafjustiz.
Gefahr der Mittelkürzung zur Prävention
Auf den errungenen Lorbeeren ausruhen dürfe man sich nicht, sagte der Belgier, von der Ausbildung her ein Psychologe: “Der Umstand, dass bei uns keine Süchtigen mehr auf der Straße sterben – das ist ein gutes Resultat. Wir haben gemeinsam mit Europol vergangenes Jahr erstmals relativ harte Daten zum Marktvolumen von illegalen Drogen vorgestellt. Es geht um 21 bis 32 Milliarden Euro im Jahr. Das zeigt einfach, dass wir weiterhin ein Problem haben.” Es bestehe durchaus die Gefahr, dass die Politiker gerade aufgrund der Erfolge in Europa die Mittel für eine integrierte Drogenpolitik von der Prävention des Suchtgiftkonsums – auch Alkohol und Tabak gehören dazu, wie es bei der Konferenz in Lissabon am Dienstag immer wieder hieß – über Schadens-reduzierende Maßnahmen (Opiat-Substitutionstherapie, Spritzentauschprogramme), Therapie und Rehabilitation kürzen könnten.
“Ich war vor kurzem in Prag und habe dort einen Vortrag gehalten. In Tschechien gab es vergangenes Jahr 44 Drogentote. In den USA sind es statistisch täglich 160. Um 1990 waren in Europa nur rund 25.000 Opiatabhängige in oraler Substitutionstherapie (Drogenersatztherapie mit Substanzen wie Methadon, Buprenorphin, retardierte Morphine; Anm.). Heute sind es mehr als 650.000 und zwischen 1,3 und 1,4 Millionen Drogenkranke sind insgesamt in Behandlung.”
Medizinische Versorgung von Häftlingen verbesserungswürdig
Freilich, es gibt auch in den EU-Staaten noch genügend Defizite bei den Maßnahmen zum Zurückdrängen der Suchtproblematik: So infizieren sich noch immer Opiatabhängige zu einem hohen Anteil durch den Gebrauch nicht steriler Nadeln mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV. Die Hepatitis C könnte mit umfassenden Programmen zur Diagnose einer Infektion und einer nachfolgenden hoch wirksamen Therapie eliminiert werden. Auch die medizinische Versorgung von Häftlingen, ein hoher Prozentsatz der Insassen kommt wegen Drogendelikten ins Gefängnis und ist dazu oft auch noch drogenkrank, ist verbesserungswürdig.
Laut Experten wird auch in Österreich das Vorhandensein von illegalen Suchtgiften in den Gefängnissen ignoriert, was Hilfe und Gegenmaßnahmen unmöglich macht. “In der Justizanstalt Innsbruck kostet eine saubere Nadel bzw. ein sauberes Spritzenbesteck 50 Euro (Schwarzmarktpreis; Anm.)”, sagte beispielsweise der Tiroler Psychiater Ekkehard Madlung-Kratzer im Frühjahr bei den österreichischen Ärztetagen in Grado. Diese Zahl stamme von der Anstaltsleitung. Laut Daten aus Deutschland würden aber 25 Prozent der Gefängnisinsassen weiterhin intravenös Drogen injizieren. Wird das nicht zur Kenntnis genommen, kann in Gefängnissen kein regelrechtes Spritzentauschprogramm angeboten werden. Infektionen sind die Folge.
(APA)
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