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EuGH weist Klage wegen Vorratsdatenspeicherung ab

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Die zur Verfolgung von Straftaten und zur Terrorabwehr erlassene Vorschrift basiere auf einer geeigneten Rechtsgrundlage, befanden die obersten europäischen Richter am Dienstag und wiesen eine Klage Irlands zurück.  Vorbericht

Das Urteil bezieht sich allein auf die formale Rechtsgrundlage und nicht auf eine mögliche Verletzung der Grundrechte wegen Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre, erklärten die Luxemburger Richter. Auch der deutsche Datenschutz-Beauftragte Peter Schaar verwies darauf, dass der EuGH nichts zur inhaltlichen Rechtmäßigkeit gesagt habe.

Die Vorratsdatenspeicherung war 2006 auf Initiative von Frankreich, Irland, Schweden und Großbritannien beschlossen worden. Danach werden nicht die Inhalte aber verschiedene Kontaktdaten der Telefon- und Internetnutzung für sechs Monate gespeichert. Das sind etwa Zeitpunkt und Dauer eines Telefongesprächs, bei Handygesprächen auch der Standort, die Kontaktdaten von E-Mails sowie Zeiten der Internetnutzung. In den meisten EU-Staaten können polizeiliche Ermittlungsbehörden auf diese Daten zugreifen.

Zur Begründung des Urteils erklärte der EuGH am Dienstag, die Richtlinie entspreche in überwiegendem Maß dem Funktionieren des Binnenmarktes. Der Markt wäre ohne Eingreifen der EU durch eine Vielzahl nationaler Maßnahmen beeinträchtigt worden. Die irische Regierung hatte moniert, die Richtlinie könne nicht auf Artikel 95 des EG-Vertrags gestützt werden, da ihr Schwerpunkt nicht auf dem Binnenhandel, sondern auf der Verfolgung von Straftaten liege.

Das Europäische Zentrum für E-Commerce und Internetrecht (e-center) in Wien spricht von einem “Fehlurteil”. “Richtigerweise kommt der Europäischen Gemeinschaft keine Kompetenz zur Schaffung derartiger Überwachungsinstrumente zu”, erklärte Vizedirektor Lukas Feiler in einer Aussendung vom Dienstag. Er teilte die Ansicht Irlands, dass bei der Richtlinie die Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten im Vordergrund gestanden sei.

Während in Deutschland die Weitergabe nach Rechtsprechung des Karlsruher Verfassungsgerichts nur bei schweren Straftaten zulässig ist, gingen Österreich bereits zwei Mahnschreiben der EU-Kommission zu, weil es die Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt hat. Grund für die Säumigkeit: Ex-Innenminister Günther Platter (V) wollte eine Ausdehnung der Mindestspeicherdauer auf ein Jahr, war aber nicht allein für die Umsetzung zuständig.

Infrastrukturministerin Doris Bures (S) betonte laut Aussendung vom Dienstag, dass nun “größte Sorgfalt” im Umgang mit personenbezogenen Daten geboten sei. “Da es sich um eine Speicherung von Daten auf Vorrat handelt, also ohne dass es Verdachtsmomente gegen eine bestimmte Person gibt und damit jeder Einzelne betroffen ist, ist es mir besonders wichtig, dass wir hier eine Regelung finden, die den größtmöglichen Schutz persönlicher Daten sicherstellt.”

Eine Expertengruppe unter Federführung des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte werde einen Gesetzesentwurf zu den telekommunikationsrechtlichen Problemstellungen ausarbeiten, der “allen datenschutzrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards und Erfordernissen gerecht werden soll”. Der Wiener Zivilrechts-Professor und e-center-Leiter Wolfgang Zankl hält eine flächendeckende und verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten für unvereinbar mit dem Grundbegriff auf Privatsphäre (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention).

Das deutsche Ausführungsgesetz bestimmt, dass alle Telefon-, Internet- und Handyverbindungsdaten ein halbes Jahr lang gespeichert werden müssen. Die Daten dürfen nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts jedoch nur für Ermittlungsverfahren wegen einer schweren Straftat an die Behörden weitergegeben werden. Ein Eilbeschluss schränkte den Zugriff auf die Daten weiter ein: Eine Verwendung durch Polizei und Geheimdienste ist danach nur bei Gefahr für Leib und Leben eines Menschen oder für den Bestand des Staates gestattet.

Derzeit prüft das deutsche Verfassungsgericht die Umsetzung der EU-Richtlinie auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (deutsche Verfassung). Nicht nur der Datenschutz-Beauftragte Schaar ist der Meinung, dass die millionenfache Speicherung von Daten ohne Anlass und Verdacht einen schwerwiegenden und nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das vom Grundgesetz geschützte Fernmeldegeheimnis darstellt.

Für die heimischen Verfassungsrichter ergeben sich aus dem aktuellen EuGH-Urteil unmittelbar keine Konsequenzen: “Erst nach der Umsetzung der Richtlinie Vorratsdatenspeicherung kann sich der Verfassungsgerichtshof – bei entsprechenden Anträgen bzw. Beschwerden – damit befassen”, so VfGH-Sprecher Christian Neuwirth gegenüber der APA. Auf die bestehenden VfGH-Verfahren zum Sicherheitspolizeigesetz habe das Luxemburger Urteil keine Auswirkungen.

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