Schüssel sagte, man müsse in der verabredeten Denkpause nach dem Nein der Franzosen und Niederländer auf die Bedenken und Wünsche der Bevölkerung eingehen, die weniger Zentralisierung und mehr Subsidiarität wolle. Dann habe auch der Verfassungsvertrag eine Chance.
In allen Ländern gebe es Sorgen über den Verlust der nationalen Identität. Der Überregulierung und dem Kompetenzverlust der Mitgliedsstaaten müsse Einhalt geboten werden, betonte der Kanzler. Auch befürchteten die Bürger eine Überdehnung der EU durch die Aufnahme der Türkei. Bei der Erweiterung müsse eine vorsichtigere Linie eingeschlagen werden. Das Tempo vieler europäischer Projekte war für die Bevölkerung einfach zu hoch.
Der Bundeskanzler beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Regelung des Hochschulzugangs in Österreich, es geschähen in der EU Dinge bar jeglicher demokratischer Kontrolle und jeder politischer Willensbildung. Da gehöre etwas vom Kopf auf die Füße gestellt.
Zur Debatte über die politische Finalität der EU sagte Schüssel, er glaube, dass die Briten sich nicht mehr mit einer Freihandelszone zufrieden gäben, die Deutschen und Franzosen andererseits aber auch nicht mehr den europäischen Bundesstaat wollten: Man will etwas anderes, ein Europa, das funktioniert.
Schüssel sagte, die im Jahr 2000 beschlossenen Sanktionen der EU gegen seine Regierung seien so unangenehm und uneuropäisch (gewesen), dass es mich nach wie vor trifft. Er habe nie verstanden, was da schief gelaufen ist. Diese Vorgänge hätten ihm, Schüssel, gezeigt, dass die europäischen Errungenschaften nicht selbstverständlich seien.