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EU lockert ESG-Regeln – wer jetzt aufatmen kann

Das EU-Parlament hat gegen die geplante Klimareform gestimmt.
Das EU-Parlament hat gegen die geplante Klimareform gestimmt. ©AFP
Die EU hat zentrale Teile ihrer geplanten ESG- und Klimaschutzregeln zurückgezogen – nach massivem Druck aus den USA und Katar. Vor allem Mittelständler sind nun entlastet. Kritiker sprechen von einem schweren Rückschritt.

Die Europäische Union hat zentrale Elemente ihrer geplanten ESG- und Sorgfaltspflichten-Reform überraschend deutlich entschärft. Das EU-Parlament beschloss mit breiter Mehrheit, die Schwellenwerte für künftige Berichts- und Haftungspflichten massiv anzuheben. Damit reagieren die Abgeordneten auf zunehmenden wirtschaftlichen und geopolitischen Druck – unter anderem aus den USA und Katar.

Ursprünglich sollten Unternehmen durch die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) verpflichtet werden, detaillierte Klimaziele, Umweltfolgen und Risiken entlang ihrer Lieferketten offenzulegen. Jetzt sind diese Pläne in ihrer ursprünglichen Form vom Tisch.

Wie die Berliner Zeitung berichtet, bleiben nach der Neuregelung künftig rund 90 Prozent der ursprünglich betroffenen Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereichs. Auch verpflichtende Klimatransitionspläne und eine EU-weite zivilrechtliche Haftung entfallen vollständig.

Archivbild: Ursula von der Leyen mit Donald Trump.

USA und Katar übten massiven Druck aus

Laut der Berliner Zeitung und Bloomberg war der Kurswechsel in Brüssel nicht zuletzt eine Reaktion auf intensive Einflussnahme aus dem Ausland. Die Vereinigten Staaten drohten offen mit Handelsmaßnahmen, sollte die EU ihre ESG-Regeln nicht entschärfen. US-Handelsminister Howard Lutnick kündigte an, "Handelsinstrumente" gegen Brüssel zu prüfen, nachdem 16 Generalstaatsanwälte US-Konzerne öffentlich dazu aufriefen, die EU-Vorgaben zu ignorieren.

Auch Katar übte Druck aus: Energieminister Saad al-Kaabi stellte öffentlich in den Raum, man werde Europa künftig kein LNG (Flüssiggas) mehr liefern, sollte die geplante Sorgfaltspflichten-Richtlinie nicht abgeschwächt werden. Für die EU wäre ein solcher Schritt geopolitisch brisant – schließlich gelten LNG-Importe aus Katar und den USA seit dem Ausstieg aus russischem Erdgas als zentrale Stütze der europäischen Energieversorgung.

Der französische EU-Abgeordnete Pascal Canfin kommentierte das Ergebnis der Abstimmung mit einem ungewöhnlich offenen Satz: "Sie haben gewonnen."

Das hat das EU-Parlament konkret beschlossen

Die nun beschlossenen Anpassungen im Rahmen des sogenannten "ESG-Omnibus" sehen folgende Schwellenwerte und Änderungen vor:

  • CSRD (Berichtspflicht): Gilt künftig nur noch für Unternehmen mit über 1.750 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro
  • CSDDD (Sorgfaltspflicht): Betrifft nur noch Firmen mit über 5.000 Mitarbeitenden und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz
  • Klimatransitionspläne: werden nicht mehr verpflichtend eingefordert
  • EU-weite zivilrechtliche Haftung: entfällt vollständig

Damit reduziert sich der bürokratische Aufwand für eine Vielzahl an mittelständischen Unternehmen deutlich. In Österreich betrifft das unter anderem exportstarke Betriebe in Vorarlberg, Oberösterreich und Tirol, die ursprünglich unter die strengeren Regeln gefallen wären.

Banken kritisieren neue Lücken bei ESG-Daten

Während Industrie- und Handelskammern den Schritt begrüßen, kommt aus der Finanzbranche Kritik. Wie die Börsen-Zeitung berichtet, sind ESG-Daten heute ein entscheidender Bestandteil des Risikomanagements von Banken – insbesondere bei der Kreditvergabe. Durch die Reform fürchten viele Institute nun, künftig deutlich weniger valide Nachhaltigkeitsinformationen zu erhalten. Diese müssten dann mit eigenem Aufwand beschafft, geschätzt oder modelliert werden.

Ein ESG-Experte wird mit den Worten zitiert: "Was für Unternehmen wie eine Entlastung aussieht, bringt uns in der Praxis erhebliche Mehraufwände."

Politische Fronten in Europa verhärten sich

Die politische Debatte in Brüssel ist hitzig. Befürworter des Beschlusses sprechen von einem "notwendigen Schritt zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit Europas", wie etwa der schwedische EU-Abgeordnete Jörgen Warborn erklärte. Die Grünen und zahlreiche NGOs hingegen sprechen von einem "historischen Rückschritt" für den Klima- und Menschenrechtsschutz.

In den kommenden Wochen beginnen nun die sogenannten Trilogverhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten. Besonders skandinavische Länder und die Benelux-Staaten haben bereits angekündigt, sich gegen die weitreichenden Lockerungen zu stellen. Österreichs Regierung hat sich dazu bisher nicht öffentlich geäußert.

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