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EU und Türkei einig - Grenzkontrollen gegen rasche Visabefreiung

EU-Gipfel in Brüssel
EU-Gipfel in Brüssel
Die EU und die Türkei sind sich über einen gemeinsamen Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise einig. Die Türkei habe eine bessere Grenzkontrolle, Registrierung und Rücknahme von Flüchtlingen zugesagt, sagte EU-Kommissar Johannes Hahn nach Gesprächen in Ankara.
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Dafür sollen Türken rascher ohne Visum in die EU einreisen können und die Beitrittsverhandlungen mit Ankara wieder flott gemacht werden.

Außerdem soll die Türkei weitere Milliardenhilfen der EU-Staaten zur Bewältigung der Flüchtlingsströme erhalten, sagte Hahn. “Da muss man zwei bis drei Milliarden Euro ins Auge fassen.” Die EU-Staaten müssten vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise “eine Güterabwägung vornehmen”. Bisher haben die EU-28 der Türkei eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt.

“Verhältnis mit Türkei auf neue Grundlage stellen”

“Es ist wesentlich, das Verhältnis mit der Türkei auf eine neue Grundlage zu stellen”, sagte Hahn am Donnerstag in einem Telefonat mit der APA nach Gesprächen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. Nun seien die EU-Staaten am Zug. Die ersten Reaktionen auf den Aktionsplan seien “sehr positiv” gewesen. In Ratskreisen hieß es nach ersten Beratungen der EU-Botschafter, dass Zypern skeptisch reagiert habe, und Griechenland den Aktionsplan nur zur Kenntnis nehmen wolle. Deutschland und zahlreiche andere Staaten stehen ihm demnach positiv gegenüber.

Grenzkontrollen gegen rasche Visabefreiung

Die Visa-Liberalisierung mit der Türkei soll vorangetrieben werden und stehe im Frühjahr nächsten Jahres auf der Tagesordnung des EU-Gipfels, sagte Hahn. Die EU könne sich aber nicht auf einen Zeitpunkt zur Abschaffung der Visapflicht festlegen.

“Neue Dynamik” in EU-Beitrittsverhandlungen

Gleichzeitig soll eine “neue Dynamik” durch die Eröffnung von neuen Kapiteln in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entstehen, ein konkrete Zahl von neuen Kapiteln sei nicht vereinbart worden. Die Beitrittsverhandlungen mit Ankara sind weitgehend zum Stillstand gekommen, das bisher letzte Kapitel wurde 2013 eröffnet.

Türkischen Medien zufolge sollen fünf neue Kapitel eröffnet werden, darunter die wichtigen Bereiche Justiz und Grundrechte, Energie, Wirtschafts- und Finanzpolitik und Außenbeziehungen. Diese Kapitel wären durchaus “Kandidaten”, so Hahn, doch bedürfe es auch der Zustimmung der EU-Staaten.

Hahn sagte, die Türkei wolle laut dem Aktionsplan bessere Zugangsbedingungen für Syrien-Flüchtlinge auf ihrem Arbeitsmarkt schaffen. Nur etwa ein Fünftel der Flüchtlinge lebt in der Türkei in Lagern.

Juncker “sehr zufrieden” mit Einigung

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich vor dem EU-Gipfel in Brüssel “sehr zufrieden” mit der Einigung. Er gehe davon aus, dass die Türkei in den “nächsten Tagen und Wochen eine bessere Grenzabsicherung” angehen werde. Die Türkei sei schließlich ein Schlüsselelement in der Flüchtlingskrise.

Faymann sieht Verteilungsfrage noch lange ungelöst

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat vor dem EU-Gipfel Optimismus geäußert, was das bisher fehlende finanzielle Engagement der EU-Staaten in der Flüchtlingskrise betrifft. Lange ungelöst werde jedoch die Frage nach einem permanenten Verteilungsmechanismus der Flüchtlinge bleiben. “Das ist eine Diskussion für die nächsten fünf oder nächsten zehn Gipfel”, sagte Faymann.

Zurückhaltend zeigte sich der französische Präsident Francois Hollande zu der geplanten Vereinbarung mit der Türkei. Die Visabefreiung für türkische Staatsbürger sei an Bedingungen geknüpft, sagte er. Frankreich werde darauf achten, dass diese auch erfüllt würden. Die Türkei müsse auch gegen Schlepper vorgehen, um weitere Dramen zu vermeiden, forderte Hollande.

Hahn: “Türkei nicht am längeren Ast”

Hahn sieht die Türkei nicht am längeren Ast in den Verhandlungen mit der EU. “Die Türkei ist auch in einer Situation, dass sie verlässliche internationale Partner braucht”, sagte der Kommissar. “Es ist keineswegs so, dass es eine einseitige Angelegenheit ist.”

Der Schengen-Raum, die Türkei und die Visafrage

Türkische Staatsbürger benötigen für die Einreise in den Schengen-Raum in der Regel ein Visum, das sie in der Türkei beantragen müssen. Bürger aus vielen EU-Staaten dürfen dagegen ohne Visum in die Türkei einreisen. Die Türkei fordert für ihre Bürger seit Jahren freie Einreise in den Schengen-Raum.

Die EU und die Türkei initiierten Ende 2013 einen “Dialog zur Visa-Liberalisierung”. Der damalige Ministerpräsident und heutige Staatschef Recep Tayyip Erdogan stellte den türkischen Staatsbürgern damals eine visafreie Einreise in den Schengen-Raum innerhalb von dreieinhalb Jahren in Aussicht. Die EU nannte dagegen keinen Zeitrahmen.

Im Gegenzug verpflichtete sich der EU-Beitrittskandidat Türkei in einem “Rückübernahme-Abkommen” dazu, illegal in die EU eingereiste Menschen wieder aufzunehmen. Das Abkommen trat vor gut einem Jahr in Kraft. Für die allermeisten Flüchtlinge aus Drittstaaten wie Syrien oder Afghanistan gilt es aber erst ab Oktober 2017.

(APA)

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