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EU-Gipfel: Entscheidung um Grenzschutz aufgeschoben - Zuversicht bei "Brexit"

Kanzler Faymann bleibt bei seiner Forderung: Finanzielle Konsequenzen für unsolidarische EU-Länder.
Kanzler Faymann bleibt bei seiner Forderung: Finanzielle Konsequenzen für unsolidarische EU-Länder. ©APA
Brüssel. Die EU-Partner sind zuversichtlich, sich mit dem britischen Premier David Cameron über dessen Reformforderungen zu einigen. "Ich bin viel optimistischer als vor unserem Treffen", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. - Für mehr Wirbel sorgte der Plan, die Außengrenzen notfalls auch ohne Zustimmung der einzelnden Länder zu überwachen.
Faymann droht Osteuropäern
Ist Faymanns Forderung sinnvoll?

Vor allem eine Mammutaufgabe brannte am ersten EU-Gipfeltag in Brüssel allen unter den Nägeln: Der Plan der EU-Kommission für einen besseren Grenz- und Küstenschutz. Eine Einigung gab es deshalb nicht, stattdessen wurde die Frage verschoben: Bis “spätestens Ende Juni 2016” will man darüber entscheiden.

Entscheidung über Frontex-Einsatz vertagt

Hintergrund des Plans ist, dass in diesem Jahr knapp eine Million Flüchtlinge und Migranten in der EU angekommen sind, allerdings wurde wohl nur ein Viertel davon ordnungsgemäß registriert. Die Masse betrat in Griechenland europäischen Boden, allein hier geht man von rund 770.000 Menschen aus, wovon der Großteil nach Deutschland und Schweden strebt.

Prinzipiell sind sich alle Staats- und Regierungschefs zwar einig, dass die EU-Außengrenze in Zukunft besser überwacht werden müsse, die Wiedererlangung der Kontrolle sei unabdingbar. Unstimmigkeiten gibt es jedoch bei der Umsetzung: Die EU-Kommission will der EU-Grenzschutzbehörde “Frontex” das Recht geben, Grenzschützer, Flugzeuge und Schiffe notfalls auch gegen den Willen der jeweiligen Länder zu entsenden. Geplant ist eine Grenzschutztruppe aus mindestens 1.500 Beamten, die binnen drei Tagen einsatzbereit sein sollen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk räumte ein, der Plan sei äußerst umstritten. Es gehe darum, den visafreien Reiseverkehr zwischen jenen Staaten zu erhalten, die das Schengenabkommen unterschrieben haben. Andererseits müssten auch die Schengenländer ihre Grenzen wirkungsvoll schützen. Er fürchte, dass es keine weniger schmerzhafte Lösung gebe als den Vorschlag der Kommission.

“Eingriff in nationale Souveränität”

Vor allem die südeuropäischen Länder, allen voran Griechenland, Italien, Kroatien und Ungarn, befürchten jedoch dadurch einen Einschnitt in ihre nationale Souveränität. Die weiter nördlich gelegenen Staaten Schweden und Deutschland befürworten dagegen den Plan, um den Andrang von Flüchtlingen zu bremsen. Sie sei sehr für den Plan der EU-Kommission, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande schloss sich ihr an.

Faymann warnt erneut: “Solidarität keine Einbahnstraße”

Ähnlich Bundeskanzler Werner Faymann: “Ich glaube das war ein Schritt in die richtige Richtung.” Die 28 Staats- und Regierungschefs hätten einige Punkte beschlossen, die “operativ sehr wichtig sind”, ohne jedoch näher ins Detail zu gehen. “Wir müssen den Winter nutzen, wir brauchen eine Lösung”, warnte Faymann.

Bei den Gesprächen mit seinen Amtskollegen habe er erneut darauf hingewiesen, dass Solidarität keine Einbahnstraße sei, erklärte Faymann. “Deutliche Worte helfen die Dramatik der Situation, aber auch die Notwendigkeit einer Lösung anzusprechen.”

Im Vorfeld hatte der Bundeskanzler im Streit um die europaweite Verteilung von Flüchtlingen den Osteuropäern mit der Kürzung der EU-Beiträge gedroht. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte diesen Vorstoß als “Erpressung” kritisiert. “Man tut gut daran, dass man uns ernst nimmt”, so Faymann in Richtung Orban.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte, die Spaltung Europas in der Frage sei “unübersehbar”. Faymanns Worte zeigten, “wie dramatisch die Lage ist”. Während die EU-Nettozahler Flüchtlinge aufnähmen, wollten sich “die Nehmerländer an der Bewältigung der Problematik nicht beteiligen”.

“Brexit”: Ringen um Camerons Reformwünsche

In der Debatte um die britischen Reformforderungen an die EU verbreiten alle Akteure Hoffnung auf einen Kompromiss. Es gebe einen Weg zu einer Einigung, viel guten Willen und Dynamik, sagte Premierminister David Cameron. Es habe “enorme Unterstützung” gegeben dafür, Lösungen zu finden, die Großbritannien in der EU hielten.

Osteuropäer gegen Beschränkung von Sozialleistungen

Zugleich räumte er mit Blick auf den Widerstand gegen seine Wünsche bei Themen wie Zuwanderung und Soziales ein, dass noch viel Arbeit bevorstehe. Cameron will, dass zugewanderte EU-Bürger vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, um bestimmte Sozialleistungen zu erhalten. Vor allem dieser Punkt rief viel Widerspruch hauptsächlich aus Osteuropa hervor.

Der britische Premier will jedoch die EU reformieren und die Briten dann vor Ende 2017 darüber abstimmen lassen, ob ihr Land Teil der Union bleiben soll, oder den “Brexit” vollziehen soll. Neben dem erschwerten Zugang zu Sozialleistungen verlangt Cameron weniger EU-Bürokratie und mehr Macht für die nationalen Parlamente.

Rote Linien

Der aus Polen stammende Tusk zeigte sich allerdings unnachgiebig bei EU-Grundsätzen wie der Nicht-Diskrimierung: “Wir sind absolut überzeugt, dass wir hart bleiben müssen, wenn es darum geht, rote Linien und fundamentale Werte zu verteidigen.” Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnen Einschränkungen bei der Freizügigkeit innerhalb der EU grundsätzlich ab.

Merkel hat Verständnis für Briten

Angela Merkel schloss eine Änderung der europäischen Verträge nicht aus, mahnte aber ein verantwortungsvolles Handeln an. Allerdings müsste eine solche Entscheidung bereits heute auch vor den Parlamenten gerechtfertigt werden.

Frankreich: “Europa der zwei Geschwindigkeiten”

Francois Hollande dagegen lehnte Vertragsänderungen ab und sprach sich für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus. Es könne ein Basis-Europa geben, so Hollande, aber auch eines, das weiter gehe. Nicht möglich sei hingegen, eine “Union a la carte”, in der sich jeder nur diejenigen Regeln aussuche, die ihm passten. (red/APA/dpa)

 

 

 

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