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EU einig zu Schengen: Im Notfall Grenzkontrollen bis zwei Jahre

Einigung: Als Ultima Ratio bei "außergewöhnlichen Umständen".
Einigung: Als Ultima Ratio bei "außergewöhnlichen Umständen". ©AP
Die EU-Innenminister haben sich auf eine Reform des grenzkontrollfreien Schengen-Raums geeinigt. Sie beschlossen bei einem Treffen am Donnerstag in Luxemburg einen Notfallmechanismus, der im Fall von außergewöhnlichen Umständen und als Ultima Ratio die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bis zu zwei Jahren ermöglicht.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) schloss nicht aus, dass der Mechanismus im Fall Griechenlands zur Anwendung gelangen könnte “wenn die innere Sicherheit in Gefahr ist”, betonte aber auch, dass “derzeit keine Veranlassung dazu bestehe”.

Reisefreiheit erhalten

“Wir sind zwei Zentimeter vor dem Ziel”, sagte Mikl-Leitner. Der Beschluss gestatte es dem EU-Ministerrat in Verhandlungen mit dem Europaparlament zu treten. Ziel sei es gewesen, Schengen zu stärken, die Reisefreiheit zu erhalten sowie die Sicherheit der EU und der Mitgliedstaaten weiter zu gewährleisten. Der vorliegende “abgestufte Fahrplan” würde dies vollständig gewährleisten. Ein Pool von EU-Experten würde zunächst Evaluierungen vornehmen, “und erst dann wenn all diese Maßnahmen nicht greifen, hat man die Möglichkeit Grenzkontrollen auch wieder einzuführen.”

Notfall: Mangelnde Kontrolle der Außengrenzen

Der Schengen-“Notfallmechanismus” soll im Fall von “außergewöhnlichen Umständen” – etwa bei “anhaltenden ernsthaften Mängeln in Bezug auf die Kontrolle der Außengrenzen” – die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bis zu sechs Monaten ermöglichen. Diese Maßnahme kann dreimal verlängert werden, was eine theoretische Dauer der Grenzkontrollen von bis zu zwei Jahren ermöglichen würde. Zuvor muss die EU-Kommission die Situation evaluieren. Erst danach könne der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit eine entsprechende Empfehlung beschließen.

Türkisch-griechische Grenze als Brennpunkt

Ein wesentlicher Grund für die Reform war die Flüchtlingssituation in Griechenland. Nach Angaben der EU-Kommission hat es in den letzten drei Monaten des Jahres 2011 fast 30.000 irreguläre Grenzübertritte in den Schengen-Raum gegeben. Mit rund drei Viertel aller Fälle sei die östliche Mittelmeerroute über die Türkei nach Griechenland einer der “Brennpunkte”. “Hätten wir diesen Mechanismus vorher schon gehabt, würde es vielleicht die Situation, die derzeit in Griechenland besteht, nicht geben”, sagte Mikl-Leitner. Die EU wolle Situationen wie derzeit an der türkisch-griechischen Grenze verhindern.

Bisherige Möglichkeiten zum Hochziehen nationaler Grenzkontrollen bleiben neben dem “Notfallmechanismus” bestehen. So können die Staaten im Fall von Terrorangriffen die Grenzen für zehn Tage schließen, diese Maßnahme kann auf zwei Monate ausgedehnt werden. Bei Großveranstaltungen wie etwa Sportevents können die Staaten für 30 Tage die Grenzkontrollen wieder einführen, dies kann auf bis zu sechs Monate verlängert werden.

Malmström fürchtet Missbrauch

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström zeigte sich “traurig” über den Beschluss. Dieser sei nicht im Einklang mit dem Geist von Schengen, sagte sie. Sie fürchte außerdem, dass Staaten die Möglichkeit zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen missbrauchen könnten, während dies eigentlich nur eine Sicherheitsmaßnahme sein sollte. “Wir müssen Schengen vor populistischen Bewegungen schützen”, sagte sie. “Die Entscheidung, Grenzkontrollen wieder einzuführen kann nicht von einem Land allein getroffen werden.” Diesbezüglich sei der Text aber noch viel zu unklar.

Mikl-Leitner sagte, es gebe nur eine große Differenz mit der EU-Kommission, dies sei die Rechtsgrundlage für den Evaluierungsmechanismus. Der EU-Ministerrat wolle ein Anhörungs- aber kein Mitentscheidungsrecht für das Europaparlament. Der ÖVP-Europaabgeordnete Hubert Pirker sagte, das EU-Parlament sei bereit, in dieser Frage bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu gehen. Malmström schloss nicht aus, gegen den EU-Ministerrat in diesem Punkt vor den EU-Gerichtshof zu ziehen.

“Das Letztentscheidungsrecht bleibt bei den Mitgliedstaaten, denn wir sind verantwortlich für die Sicherheit unserer Bürger”, unterstrich der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Die europäische Komponente werde schon bei Berichtsmöglichkeiten und der Evaluierung gestärkt. “Wenn Gefahr in Verzug ist, wenn es um die innere Sicherheit der Menschen geht, dann muss hier die Verantwortung bei den Innenministern liegen und letztendlich auch die Entscheidung der Mitgliedstaaten sein”, betonte Mikl-Leitner. Die EU wolle aber gerade Situationen wie im Vorjahr in Frankreich und in Dänemark verhindern, als die dortigen Regierungen im Alleingang die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Gang setzten.

(APA)

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