In der EU geht die Auseinandersetzung über die künftige Ausrichtung der Europäischen Union weiter. Während der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bei einem Treffen am Mittwochabend den europäischen Geist beschworen, hält die Kritik aus Großbritannien an. Der britische Finanzminister Gordon Brown nannte die Wirtschaftspolitik der EU nicht nur veraltet, sondern kontraproduktiv.
Am heutigen Donnerstag will Premierminister Tony Blair seine Pläne für die am 1. Juli beginnende britische EU-Ratspräsidentschaft vor dem Europaparlament erläutern. In seiner Rede wolle er ein Plädoyer für umfassende Reformen in der EU halten. Er sei ein leidenschaftlicher Europäer und werde sich gegen die verzerrte Darstellung seiner Position in Europa zur Wehr setzen, erklärte Blair im Gespräch mit dem Handelsblatt und dem Tagesspiegel.
Ohne Blair direkt anzusprechen warnte Schröder in einem Gastbeitrag für die Bild-Zeitung vor nationalen Alleingängen, die das erfolgreiche Gesellschafts- und Sozialmodell Europa zerstören könnten. Die Auseinandersetzungen der letzten Tage und Wochen haben deutlich gemacht, wir stehen auch in Europa in den nächsten Monaten vor einer Wahl zwischen zwei Polen. Die einen wollen die Europäische Union entkernen und sie auf eine Art Freihandelszone reduzieren. Die anderen wollen eine politisch aktive und gestaltende Europäische Union erhalten. Für Letzteres stehe er, erklärte der deutsche Kanzler weiter.
Auch nach ihrem Treffen in Aachen hatten Schröder und Barroso am Mittwochabend davor gewarnt, Europa lediglich als Markt zu verstehen. Europa habe einen Markt, aber wir brauchen auch einen europäischen Geist, sagte Barroso. Europa sei mit den zehn neuen Mitgliedstaaten stärker, nicht schwächer geworden. Die neuen Mitglieder hätten bereits Kompromissbereitschaft gezeigt.
EU-Kommissar Günter Verheugen, der auch an dem Treffen in Aachen teilgenommen hatte, forderte, dass möglichst schnell eine Lösung für die EU-Krise gefunden werden solle: Je länger es dauert, desto größer wird der Schaden. Er betonte jedoch, dass Europa aus Krisen bisher stets gestärkt hervorgegangen sei. Ich glaube nicht, dass wir vor einem Scherbenhaufen stehen, sagte Verheugen.
Vor Vertretern der britischen Wirtschaft in London forderte Finanzminister Brown am Mittwoch erneut eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik, da diese ineffizient sei. Der Konkurrenzdruck durch die USA und China sei so groß, dass die EU eine Liberalisierung ihrer Märkte nicht länger aufschieben könne. Europa muss reformiert werden – und zwar schnell, sagte Brown. Die EU-Regierungschefs müssten einsehen, dass die alten Annahmen zum Föderalismus nicht mehr den Realitäten unserer Zeit entsprechen.
Der frühere EU-Agrarkommissar Franz Fischler zeigte unterdessen Verständnis für die Haltung Großbritanniens im Streit um die EU-Finanzen. Blair hat nicht kritisiert, dass zu viel Geld für die Landwirtschaft ausgegeben wird, sondern dass aus der europäischen Kassa zu viel Geld für Landwirtschaft ausgegeben wird, sagte er in der Nacht auf Donnerstag in der Zib 3. Sollten allerdings künftig weniger EU-Agrarmittel zur Verfügung stehen, so müssten die Nationalstaaten das Minus für die Bauern ausgleichen. Gleichzeitig sei es sinnvoll auf europäischer Ebene mehr in die Forschung zu investieren, sagte Fischler.
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