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Erstmals "Judas Evangeliums" präsentiert

Der renommierte Bibelwissenschaftler Prof. Thomas Söding hält das restaurierte und erstmals übersetzte "Judas- Evangelium" religions-geschichtlich für interessant, aber nicht sensationell.

„Der Text vermittelt uns keine neuen historischen Einsichten über den Apostel Judas oder den Kreuzestod Jesu“, sagte der in Wuppertal lehrende Professor für Biblische Theologie, der auch Mitglied der Päpstlichen Bibelkommission ist, am Donnerstag in einem dpa-Gespräch. „Der Text, in dem Judas nicht als Verräter sondern Erfüller des Willens Jesu dargestellt wird, zeigt uns eine Facette der Frömmigkeit im 3./4. Jahrhundert innerhalb der religiösen Bewegung der Gnosis.“

Nach Einschätzung von Söding, der nach eigener Aussage den Text des „Judas-Evangeliums“ bereits kennt, sind die Forschungsarbeiten und die beteiligten Wissenschaftler seriös: „Es ist keine Story des US-Schriftstellers Dan Brown („Sakrileg“).“ Das Magazin „National Geographic“ will die Forschungsergebnisse noch heute, Donnerstag, in Washington präsentieren.

Der Schwachpunkt sei die Fundgeschichte, meinte Söding. Es sei nicht klar, woher das Dokument eigentlich ursprünglich stamme. Sollten die naturwissenschaftlichen Analysen stimmen und das Dokument tatsächlich im 3./4 Jahrhundert entstanden sein, wäre es nahe liegend, dass es sich um eine koptische Übersetzung des ursprünglich vermutlich in Griechisch verfassten „Judas-Evangeliums“ handle. Über dieses habe bereits der Lyoner Bischof Irenäus um 180. n. Chr. berichtet. „Das Besondere wäre aber, dass jetzt der Text erstmals vorläge.“

Ägyptische Christen entwickelten die koptische Sprache, eine Mischung aus Griechisch und Ägyptisch, um die biblischen Texte übersetzen zu können, erläuterte Söding. Beim Übersetzen ins Koptische dürften auch eigene Interpretationen eingeflossen sein.

Söding erläuterte die religionsgeschichtliche Bedeutung des Textes: Die vier Evangelien im Neuen Testaments seien mehr als zwei Jahrhunderte früher entstanden und erzählen vom Leben, Wirken und Sterben Jesu. Nach christlichem Verständnis war Jesus „wahrer Mensch und wahrer Gott“ zugleich. Die Gnostiker, eine religiöse Strömung, hätten diese Vorstellung nicht akzeptieren können. Für sie sei Jesus auch auf Erden Gott gewesen, nur in eine menschliche Hülle gekleidet. Die Gnostiker sprachen daher von einer Schein-Kreuzigung Jesu, bei der der göttliche Jesus sich seiner menschlichen Hülle entledigt habe. „Es geht also um das damalige kontrovers diskutierte Jesus- Bild“, sagte Söding.

In dem „Judas-Evangelium“ werde daher der biblisch überlieferte Verrat des Judas, Jesus für 30 Silberlinge an die römischen Soldaten auszuliefern, positiv umgedeutet. Jesus habe Judas in seine göttliche Mission eingeweiht und dieser ihm mit dem Verrat einen letzten Gefallen getan. „Diese gnostische Sichtweise ist nicht neu, sie ist aber bislang nirgends so zugespitzt gefunden worden wie in dem „Judas-Evangelium““, sagte Söding. Er betonte, dass das Dokument keine Worte Jesu enthalte, die als authentisch betrachtet werden könnten.

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