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Erste Hallen-EM ist mehr als nur ein Skirennen

Am 7. November 2009 wird in Frankreich nicht nur geklärt, wer erster Alpinski-Europameister der Geschichte wird. Der Hallen-Slalom in Amneville soll vielmehr als positive Zäsur in die Geschichte eingehen, nach der der Skisport in eine vor allem jüngere Zukunft geführt worden ist.
Vor dem ersten Hallen-EM-Slalom
Streit zwischen FIS und ESF

“Wenn wir so weitermachen wie bisher, ist der Skisport in Bälde tot”, ist Peter Schröcksnadel, der österreichische Präsident des neuen Europa-Skiverbandes ESF, überzeugt.

Mit der Gründung der ESF hat man sich bekanntlich den Zorn des Weltskiverbandes FIS zugezogen. Etwas, was Schröcksnadel nicht verstehen will. “Wir haben nicht den Anspruch, Weltcup-Ersatz zu werden. Aber drunter muss man etwas tun, denn sonst stirbt der Weltcup”, gab sich der Tiroler in Frankreich als Warner. Millionen-Verluste der Skifirmen sowie das schon auf 40-plus gestiegene Durchschnittsalter der Skitouristen seien eine deutliche Warnung, meinte der Betreiber mehrerer Liftanlagen.

So wird der EM-Slalom am Samstag in Lothringen auch weit mehr als das erste live im TV zu sehende Hallen-Skirennen der Welt sein. Vielmehr ein Signal, dass es höchste Zeit für Erneuerung ist und Ski-Hallen ein Ort sind, in dem man zukünftige Skifahrer “produzieren” kann. “Die Menschen haben keine Zeit mehr, suchen die Unterhaltung in der Nähe”, hält auch ÖSV-Alpinchef Hans Pum Hallen durchaus für sinnvoll.

Selbst Schröcksnadel behauptet nicht, dass man in Frankreich mit dem EM-Slalom die Zukunft des Skisports sieht. “Dass hier ist in erster Linie ein Signal, dass es die ESF gibt.” Die beste Werbung machte ausgerechnet der größte ESF-Gegner. FIS-Präsident Gian Franco Kasper hatte im Vorfeld Sanktionen nicht ausgeschlossen. “Wir sind kein untergeordneter, sondern ein Parallelverband wie die UEFA zur FIFA”, erklärte Schröcksnadel und ergänzte frohlockend: “Ursprünglich dachten wir, hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu fahren. Nach dem ganzen Theater kommen jetzt aber gleich 80 Journalisten hierher.”

Die FIS-Drohungen schrecken mittlerweile ohnehin niemanden mehr. Sowohl die arbeits- als auch die marktrechtliche Seite seien abgeklärt, hieß es. “Wir suchen keinen Streit. Wir machen etwas für eine Sache und nicht gegen etwas. Das würde die Energie nur in die falsche Richtung leiten”, so Schröcksnadel.

In zweiter Linie soll der EM-Slalom in Frankreich aber auch ein Fingerzeig sein, was alles im leicht angestaubten Skisport möglich ist. “Wir sind ja nicht wie die FIS irgendwelchen Regeln unterworfen, können ausprobieren was wir wollen, selbst wenn wir damit auf die Nase fallen”, gab sich der 69-jährige TW1- und Pisten-TV-Erfinder aus Innsbruck innovativ. “Unser Credo ist, neue Dinge zuzulassen.” Ob es weitere Europameisterschaften als Einzel- oder Serienevent gäbe, sei nicht ausschlaggebend. “Wichtig ist, dass wir in Zukunft Events haben, die die Jugend wieder zum Skisport bringen.”

Noch weiter geht da mit Rainer Schönfelder einer von Schröcksnadels Aushängerschildern. Der Kärntner Skirennfahrer gilt trotz seiner andauernden Schienbeinprobleme als einer der Favoriten am Samstag. “Vor zehn Jahren hätte ich auch nicht geglaubt, dass wir jemals in einer Halle eine Ski-EM fahren. Wer weiß, was in zehn Jahren ist”, outete sich Schönfelder als Fan der Veranstaltung.

Vor allem das Fernsehen habe bei Hallen-Veranstaltungen ungeahnte Möglichkeiten, ist Schönfelder überzeugt. Auch wenn in Kitzbühel und Schladming Zehntausende Fans vor Ort seien, “die Mehrheit sitzt daheim vor den TV-Schirmen.” Die aber wisse noch immer relativ wenig. “Die Leute glauben ja immer noch, bei uns entscheidet, ob das Wachs rot oder blau ist.”

Er fahre daher überall, wenn es der Sache diene, so Schönfelder. “In der Halle hat man hochinteressante Möglichkeiten, den Skisport völlig neu darzustellen, fast schon so wie in der Formel 1”, sieht der Wahl-Wiener Parallelen zu Boxenstopps, Reifenwechsel und Co.

In der Tat wird auch beim ersten EM-Hallenslalom eine von außen schwer zu durchschauende “Materialschlacht” darüber den Ausschlag geben, wer erster Ski-Europameister bzw. Europameisterin wird. Der Schnee für die auf über 600 m verlängerte “Snowhall”, deren Rennpiste 482 m lang ist, wird großteils in Eistruhen produziert, ist dementsprechend “tot” und kräfteraubend. Dazu der flache Hang, ein Fall also für Spezialisten und für Überraschungen.

Hinzu kommt, dass Läufer und Serviceleute im Training von den vielen Steinen in der Piste überrascht wurden. “Du würdest am besten in jedem Lauf einen neuen Ski nehmen”, so Schönfelder. Die Ski-Kanten würden sogar schon während der Fahrt auf dem eisigen Untergrund nachlassen.

Wer immer sich am Samstag aus dem Feld von 35 Herren und 39 Damen nach vier oder fünf Läufen durchgesetzt und die 10.000 Euro-Siegesprämie kassiert hat und wohin die ESF den Skisport in Zukunft auch führen wird: Der Sieger wird für immer der erste Europameister der Skigeschichte sein.

Im ÖSV-Aufgebot gab es Veränderungen bei den Damen. Anna Fenninger und Simone Streng starten nicht, dafür fahren Michaela Nösig, Verena Höllbacher und Stefanie Moser, die schon ein Europacuprennen in der Halle gewonnen hat.

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