Überlastete Strukturen im Rheintal
Wer derzeit einen Vorsorgetermin vereinbaren möchte, braucht Geduld. In Bregenz, Dornbirn und Bludenz sind freie Slots rar. Laut mehreren Praxen sind Kapazitäten ausgeschöpft, teils über Monate hinaus. Auch Hausärzte berichten, dass es zunehmend schwierig wird, Patientinnen und Patienten zeitnah an Fachärzte zu vermitteln.
Fachärzte warnen vor massivem Engpass
Philipp Rein, Fachgruppenobmann für Innere Medizin in der Ärztekammer, spricht von einer kritischen Situation. Das System sei bereits vor der jüngsten Ausweitung der Anspruchsberechtigung „auf Kante genäht“ gewesen. Nun komme zusätzlicher Druck hinzu.
Rein erklärt, dass die neue Altersgrenze für die kostenfreie Darmkrebsfrüherkennung zwar medizinisch sinnvoll sei, aber ohne ausreichende Vorbereitung implementiert wurde. „Die Information kam praktisch über Nacht“, sagt er. Allein in Vorarlberg bedeute der jüngste Jahrgang rund 4000 zusätzliche Anspruchsberechtigte.
Pensionierungen verstärken das Problem
Mehrere Internisten sind in den vergangenen Jahren in Pension gegangen – in manchen Bezirken ohne unmittelbare Nachbesetzung. Besonders im Walgau und im Montafon hat sich die Zahl der durchführenden Ärzte reduziert. Die entstehenden Versorgungslücken könnten nur mit erheblichem Aufwand kompensiert werden, so Rein. Für manche Regionen bedeutet das längere Anfahrtswege oder deutlich verschobene Termine.
Zur Person: Priv.-Doz. Dr. Philipp Rein, PhD
Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Gastroenterologie und Hepatologie
Niedergelassener Internist in Dornbirn und tätig in der Krankenhausbetriebsgesellschaft Vorarlberg.
- Ausbildung zum Internisten und Gastroenterologen 2005–2014 am LKH Feldkirch (Innere Medizin/Kardiologie, Nephrologie).
- Oberarzt am LKH Feldkirch, anschließend ab 2016 Ausbildung zum Facharzt für Rheumatologie am Kantonsspital St. Gallen.
- Seit 2019 niedergelassener Internist in Dornbirn sowie tätig am LKH Feldkirch und LKH Hohenems (Rheumatologische Ambulanz).
Neue Altersgrenze ab 45 – strukturelle Vorbereitung fehlt
Seit Juli können Frauen und Männer bereits ab dem 45. Lebensjahr eine darmkrebsvorsorgende Koloskopie kostenlos in Anspruch nehmen. Ziel ist, Tumoren früher zu erkennen und die Therapiechancen zu erhöhen. Die fachärztlichen Strukturen waren jedoch nicht darauf ausgelegt, kurzfristig tausende zusätzliche Untersuchungen abzudecken.
Vorsorge ohne Qualitätsverlust
Rein betont, dass die Koloskopie ein zentrales Instrument der Krebsfrüherkennung sei. Wenn Termine nicht sofort verfügbar sind, empfiehlt sich ein Stuhltest als niedrigschwellige Alternative, um zumindest in die Vorsorge einzusteigen. Gleichzeitig mahnt er, dass Untersuchungen Zeit benötigen. „Niemand kann erwarten, dass rund um die Uhr gespiegelt wird“, sagt Rein sinngemäß. Die fachliche Qualität müsse gewährleistet bleiben.
Warum Früherkennung bei Darmkrebs so wichtig ist
1. Darmkrebs entsteht meist langsam
In vielen Fällen entwickelt sich Darmkrebs über mehrere Jahre aus zunächst gutartigen Polypen. Diese können bei einer Darmspiegelung früh erkannt und entfernt werden – bevor sie bösartig werden.
2. Frühstadien sind sehr gut behandelbar
Wird Darmkrebs im Anfangsstadium entdeckt, liegen die Heilungschancen laut internationalen Fachgesellschaften bei über 90 Prozent. In späteren Stadien sinkt die Erfolgsrate deutlich.
3. Die Vorsorge senkt Sterblichkeit und Neuerkrankungen
Studien zeigen, dass regelmäßige Vorsorgekoloskopien sowohl die Sterblichkeit als auch die Häufigkeit von Darmkrebs klar reduzieren. Der Grund: Polypen werden entfernt, bevor Krebs entsteht.
4. Auch Stuhltests können frühe Warnsignale liefern
Moderne FIT-Stuhltests erkennen kleinste Mengen von nicht sichtbarem Blut im Stuhl. Ein positiver Test bedeutet noch keinen Krebs, zeigt aber an, dass eine Koloskopie notwendig ist.
5. Darmkrebs gehört zu den häufigsten Tumorerkrankungen
In Österreich zählt Darmkrebs zu den häufigsten Krebsarten bei Männern und Frauen. Eine rechtzeitige Vorsorge ist ein zentraler Baustein, um die Erkrankungszahlen langfristig zu senken.
Hinweis: Diese Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung. Entscheidungen zur Vorsorge sollten gemeinsam mit einem Arzt oder einer Ärztin getroffen werden.
Vorsorge ja – aber nicht auf Kosten der Qualität
Trotz der Engpässe hält Rein die Maßnahme für medizinisch richtig. Darmkrebs sei eine der häufigsten Tumorerkrankungen im Land – und die Darmspiegelung ein bewährtes Instrument der Früherkennung. Für Personen, die keinen raschen Termin erhalten, bietet sich ein Stuhltest als niedrigschwellige Alternative an. Wichtig sei es, überhaupt einen Einstieg in die Vorsorge zu finden.
130 Ärzte fehlen bis 2030
Nach Berechnungen der Ärztekammer wird Vorarlberg in den nächsten fünf Jahren rund 130 zusätzliche Ärztinnen und Ärzte benötigen, um den aktuellen Versorgungsstandard zu halten. Die Fachgruppe arbeitet an Modellen wie Gruppenpraxen oder flexibleren Arbeitszeitmodellen. Für eine nachhaltige Verbesserung seien jedoch zusätzliche Rahmenbedingungen erforderlich – darunter langfristige Planung, finanzielle Steuerung und regionale Versorgungsstrategien, die nur auf Ebene des Landes gesetzt werden können.
Die Früherkennung von Darmkrebs gilt als wichtiger medizinischer Fortschritt. Um den steigenden Bedarf zu bewältigen, müssen Versorgungsstrukturen und Personalressourcen jedoch mitwachsen. Fachärzte verweisen darauf, dass dafür neben den eigenen Bemühungen auch gesundheitspolitische Entscheidungen notwendig sind, die die Kapazitäten der kommenden Jahre absichern.
Was man über eine Darmspiegelung (Koloskopie) wissen muss
1. Was ist eine Koloskopie?
Eine Darmspiegelung (Koloskopie) ist eine Untersuchung des Dickdarms und des letzten Abschnitts des Dünndarms mit einem flexiblen Schlauch (Endoskop) und einer Kamera. Sie dient dazu, Veränderungen der Darmschleimhaut – etwa Polypen oder frühe Krebsstadien – zu erkennen und gegebenenfalls sofort zu behandeln.
2. Wichtige Rolle in der Vorsorge
Darmkrebs zählt in Europa zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Männern und Frauen. Polypen im Darm können sich über Jahre zu Krebs entwickeln. Bei einer Vorsorgekoloskopie können solche Polypen meist direkt entfernt werden, bevor sie bösartig werden.
3. Vorbereitung auf die Untersuchung
Für eine aussagekräftige Koloskopie muss der Darm vollständig entleert sein. Dafür erhalten Patienten vorab genaue Anweisungen, was sie essen dürfen und wann ein Abführmittel einzunehmen ist. Eine gute Vorbereitung ist entscheidend, damit der Arzt die Schleimhaut vollständig beurteilen kann.
4. Ablauf der Untersuchung
Die Untersuchung findet in der Regel ambulant statt und dauert meist zwischen 20 und 40 Minuten. In vielen Fällen wird ein Beruhigungs- oder Schlafmittel verabreicht, damit die Untersuchung als möglichst schonend erlebt wird. Über das Endoskop können Luft oder Kohlendioxid eingebracht werden, um den Darm zu entfalten, und kleine Eingriffe wie die Entfernung von Polypen sind möglich.
5. Risiken und Nebenwirkungen
Die Koloskopie gilt insgesamt als sichere Untersuchung. Wie bei jedem medizinischen Eingriff gibt es seltene Risiken, etwa Blutungen nach der Entfernung von Polypen oder sehr selten eine Verletzung der Darmwand (Perforation). Leichte Blähungen oder ein Völlegefühl nach der Untersuchung sind häufig und klingen meist rasch ab.
6. Nach der Untersuchung
Wer ein Beruhigungs- oder Schlafmittel erhalten hat, darf am Untersuchungstag in der Regel nicht selbst Auto fahren oder Maschinen bedienen. Die meisten Patienten können aber noch am selben Tag nach Hause und normalen Alltagsaktivitäten nachgehen – sofern der Arzt nichts anderes empfiehlt.
7. Alternativen zur Darmspiegelung
Als niedrigschwellige Alternative zur Vorsorgekoloskopie gibt es Stuhltests, mit denen nicht sichtbares (mikroskopisches) Blut im Stuhl nachgewiesen werden kann. Ein unauffälliger Test ersetzt allerdings nicht in allen Fällen eine Koloskopie. Bei Auffälligkeiten oder erhöhtem Risiko empfehlen Fachgesellschaften in der Regel eine Darmspiegelung.
Hinweis: Diese Box ersetzt keine ärztliche Beratung. Konkrete Entscheidungen zu Untersuchungen sollten immer gemeinsam mit einem Arzt oder einer Ärztin getroffen werden.
(VOL.AT)
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