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Eklat überschattet Gedenken an Holocaust-Opfer

Das traditionelle Gedenken des Deutschen Bundestages an die Opfer des Holocaust ist von einem Eklat überschattet worden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland blieb am Dienstag aus Protest gegen Missachtung und steigendem Judenhass demonstrativ fern.

In der Gedenkstätte Auschwitz wurde der Befreiung des Vernichtungslagers durch Sowjettruppen vor 64 Jahren gedacht.

Zentralrat-Generalsekretär Stephan J. Kramer erklärte auf AP-Anfrage, Vertreter wie die amtierende Präsidentin Charlotte Knobloch und deren Vorgänger Ignatz Bubis und Paul Spiegel seien noch nie als Überlebende des Holocaust auf der Tribüne des Bundestags begrüßt worden. Dieser Behandlung als “Zaungäste” wolle man sich nicht mehr aussetzen. Der Zentralrat beklagte zudem einen wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Während des Gaza-Krieges habe sei die Zahl der Hass-Mails um 40 Prozent gestiegen, auch konkrete Morddrohungen habe es gegeben.

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler sagte im Bundestag, das Geschehene bleibe Teil deutscher Gegenwart. Die Lehren aus der Vergangenheit gehörten “zum Fundament unseres Selbstverständnisses als Nation”. Vor den höchsten Repräsentanten des Staates, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesratspräsident Peter Müller, gedachte Köhler “der Juden, der Sinti und Roma, der Kranken und Menschen mit Behinderung, der politisch Andersdenkenden und der Homosexuellen und aller, die der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten und den deutschen Raub- und Vernichtungskriegen zum Opfer fielen”.

Der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert ging in seiner Rede auf das Fernbleiben des Zentralrats der Juden ebenso wenig ein wie Köhler. Dem “Tagesspiegel” sagte Lammert, er empfinde die Beschwerde, von der er aus der Presse erfahren habe, als “unverständlich und bedauerlich”. Eine von der NPD geplante Kundgebung war vom Verwaltungsgericht Berlin auch wegen ihres Bezugs zum Holocaust-Gedenktag kurzerhand verboten worden. Der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers durch die Rote Armee wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Holocaust-Gedenktag erklärt.

Nach der Rehabilitierung des Traditionalisten-Bischofs Richard Williamson, der die Existenz von Gaskammern während der NS-Zeit geleugnet hat, sieht der Zentralrat der Juden in Deutschland den Dialog mit der katholischen Kirche in Gefahr. “Für mich als Überlebende ist momentan das Gespräch nicht fortzusetzen”, sagte Präsidentin Knobloch, dem Nachrichtensender N24 am Dienstag in Berlin. Der Vatikan müsse sich überlegen, inwieweit er die nach 1945 mühsam errichteten Verbindungen zwischen der Kirche und dem Judentum fortführen möchte.

Sie glaube nicht, dass die Rehabilitierung “mit großer Überlegung” vorgenommen worden sei und hoffe, dass sie wieder zurückgenommen werde. “Es ist immer sehr schwierig, etwas, was im Raum steht, wieder zurückzunehmen. Aber die Religionen kennen auch das”, sagte Knobloch. Der Historiker Wolfgang Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin äußerte sich entsetzt. Er sei fassungslos, dass der Bischof ausgerechnet zwei Tage vor dem Auschwitz-Gedenktag “feierlich wieder in den Schoß der Kirche zurückgeholt wird”, sagte Benz dem Radiosender Bayern 2.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zeigte sich solidarisch mit dem Protest der jüdischen Gemeinden. Die Kirche müsse ihre Haltung zu ihrer noch immer halbherzigen Aufarbeitung der eigenen Geschichte in der NS-Zeit ändern und endlich ihre Archive vollständig öffnen, erklärte der Zentralrats-Vorsitzende, Romani Rose. Der Präsident des Maximilian-Kolbe-Werks, Friedrich Kronenberg, sagte, die Kirche dürfe die Verhöhnung der Opfer nicht zulassen. “Nur wer den Holocaust anerkennt, wer von Völkermord spricht, wo er verübt wurde, stellt sich der Geschichte und der mit ihr verbundenen Schuld”, erklärte Kronenberg. Das katholisches Hilfswerk unterstützt die etwa 30.000 Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos in Polen und den Ländern Mittel-und Osteuropas.

Am Nachmittag fand in Auschwitz in Polen eine Feierstunde und eine Kranzniederlegung in der Gedenkstätte statt. Dort wurden zwischen 1942 und 1944 schätzungsweise 1,5 Millionen Juden sowie viele tausend Sinti und Roma sowie Polen ermordet. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen im brandenburgischen Oranienburg standen in diesem Jahr die spanischen Häftlinge. Von den 8.700 in deutschen KZ namentlich erfassten Spaniern werden etwa 200 Sachsenhausen zugeordnet. Unter ihnen befand sich auch Francisco Largo Caballero, der nach Beginn des Bürgerkrieges zum Ministerpräsidenten und Kriegsminister der spanischen Republik ernannt worden war.

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