AA

Ausnahmezustand über Ägypten verhängt - ElBaradei erklärt Rücktritt

Gesundheitsministerium: 95 Tote bei Unruhen.
Gesundheitsministerium: 95 Tote bei Unruhen. ©EPA
Der ägyptische Übergangspräsident Adli Mansour hat nach schweren Unruhen am Mittwoch für einen Monat den Notstand ausgerufen.
Blutbad in Ägypten
Kairo: Mursi-Anhänger erschossen
Polizei bereitete Räumung vor

Darüber hinaus wurde in zwölf Provinzen eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Demnach darf sich in Kairo und in zwölf anderen Provinzen zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr niemand auf den Straßen bewegen.

Ausgangssperre in zwölf Provinzen

Das staatliche Nachrichtenportal Al-Ahram meldete, die Ausgangssperre könne bis zu einem Monat lang gelten. Betroffen seien die Provinzen Kairo, Alexandria, Giza, Assiut, Al-Buhaira, Beni Sueif, die Provinz Süd-Sinai mit den Touristenorten Sharm el-Sheikh und Nuwaiba, Nord-Sinai, Suez, Al-Minia, Ismailiya und Sohag.

Vizepräsident ElBaradei tritt zurück

Am frühen Mittwochabend hat der Vizepräsident der Interimsregierung, Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei, aufgrund der jüngsten Krawalle schließlich seinen Rücktritt eingereicht.

EPA/ Hannibal Hanschke
EPA/ Hannibal Hanschke ©EPA/ Hannibal Hanschke

Rücktritt aus Protest gegen Gewalt

ElBaradei trete aus Protest gegen die Gewalt in Ägypten zurück. Der Vizepräsident teilte am Mittwoch in einem Schreiben an Übergangspräsident Adli Mansour mit, er könne nicht länger “Verantwortung für Entscheidungen übernehmen, mit denen ich nicht einverstanden bin”. Es habe gewaltlose Alternativen gegeben, um die politische Krise im Land zu beenden, schrieb der ehemalige Chef der der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

“Es ist für mich schwierig geworden, weiter die Verantwortung für Entscheidungen zu treffen, mit denen ich nicht übereinstimme, und deren Auswirkungen mir Angst machen”, erklärte er. “Ich kann nicht die Verantwortung für einen einzigen Tropfen Blut übernehmen.”

Die Polizei hätte die Protestlager der Islamisten in Kairo nicht mit Gewalt räumen müssen. Es seien noch nicht alle friedlichen Möglichkeiten ausgeschöpft gewesen, erklärte ElBaradei. “Bedauerlicherweise werden diejenigen, die zu Gewalt und Terror aufrufen, von dem, was heute geschehen ist, profitieren”, heißt es in dem Rücktrittsschreiben ElBaradeis an Mansour, das vom staatlichen Nachrichtenportal Al-Ahram veröffentlicht wurde.

Fast 150 Tote bei blutigen Straßenschlachten

Offiziellen Angaben zufolge wurden bei Straßenkämpfen landesweit mindestens 149 Menschen getötet. 1403 Menschen seien verletzt worden, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Mena am Mittwoch einen Sprecher des Gesundheitsministeriums. Kurz zuvor war von 95 Toten die Rede gewesen.

AP/ Hussein Tallal
AP/ Hussein Tallal ©AP/ Hussein Tallal

Protestlager in Kairo gewaltsam geräumt

Armee und Polizei hatten am Morgen mit der Räumung von zwei Protestlagern der Anhänger des entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi in Kairo begonnen.

AP/ Hussein Tallal
AP/ Hussein Tallal ©AP/ Hussein Tallal

Dabei kam es zu schweren Zusammenstößen, die in einem Blutbad endeten. Im Laufe des Tages griff die Gewalt auf mehrere andere Städte über, darunter Alexandria und Suez.

Außenministerium rät von Reisen ab

Das Außenministerium in Wien rät auf seiner Homepage “aufgrund der aktuellen politischen Ereignisse von nicht dringend notwendigen Reisen nach Ägypten ab”. Eine partielle Reisewarnung gelte “für Saharagebiete und für den Sinai abseits der Tourismusorte am Golf von Akaba”. In allen anderen Landesteilen herrsche hohes Sicherheitsrisiko.

“In den Tourismusresorts am Golf von Akaba zwischen Sharm el Sheikh und Nuwaiba, sowie an der Westküste des Golfs von Suez, wie Ain Sukhna, Hurghada und Marsa Alam erscheint die Lage derzeit stabil”, heißt es auf der Homepage weiter. Sie seien bisher von den Ausschreitungen nicht betroffen.

Livebilder aus Ägypten:

“Gefahr für Sicherheit und Ordnung”

Der Ausnahmezustand gilt seit Mittwoch, 16.00 Uhr (MESZ). Die Präsidentschaft begründete die Maßnahmen mit der “Gefahr für Sicherheit und Ordnung” durch “gezielte Sabotage und Angriffe auf private und öffentliche Gebäude und den Verlust an Leben durch extremistische Gruppen”. Übergangspräsident Mansour habe die “Streitkräfte in Kooperation mit der Polizei beauftragt, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Sicherheit und Ordnung zu wahren und öffentliches und privates Eigentum sowie das Leben der Bürger zu schützen”, hieß es weiter.

Mursi-Anhänger stürmen öffentliche Gebäude

Sympathisanten Mursis hatten am Mittwoch, nachdem die Polizei ihre Protestlager in Kairo attackiert hatte, mehrere öffentliche Gebäude in verschiedenen Provinzen gestürmt. In Sohag, Al-Minya und Al-Arish griffen Extremisten Kirchen an. Beim gewaltsamen Einsatz der Sicherheitskräfte gegen Mursi-Anhänger sollen laut der Nachrichtenagentur AFP bisher weit mehr als 100 Menschen getötet worden sein. Die Demonstranten selbst sprachen von mehr als 2200 Toten und 10.000 Verletzten.

AP/ Manu Brabo
AP/ Manu Brabo ©AP/ Manu Brabo

Kameramann von Sky News erschossen

Bei der blutigen Räumung der Protestlager in Kairo wurde am Mittwoch ein Kameramann des britischen Senders Sky News erschossen. “Er wurde von einer Kugel getroffen und ist trotz medizinischer Versorgung kurz darauf gestorben”, teilte der Sender mit. Der 61-jährige Mick Deane (im Bild; Anm. d. Red.) habe seit 15 Jahren für Sky News gearbeitet und sei ein erfahrener und begabter Journalist gewesen.

AP/ Sky News
AP/ Sky News ©AP/ Sky News

Der genaue Ort des tragischen Vorfalls wurde zunächst nicht mitgeteilt. Deane sei am Morgen bei der Arbeit in der ägyptischen Hauptstadt von der Kugel getroffen worden, hieß es, seine Kollegen seien unversehrt geblieben. Alle Mitarbeiter des Senders seien schockiert und von Trauer ergriffen, erklärte Sky-News-Chef John Ryley. Der Kameramann hinterlasse zwei Kinder.

Unter den Opfern des tödlichen Polizeieinsatzes in Kairo ist laut der islamistischen Muslimbruderschaft auch die Tochter eines ihrer Anführer. Die siebzehnjährige Asmaa al-Beltagui sei bei den Zusammenstößen am Protestlager auf dem Rabaa-al-Adawiya-Platz getötet worden, sagte der Sprecher der Muslimbrüder, Gehad al-Haddad, am Mittwoch. Der Tochter des polizeilich gesuchten Anführers Mohammed al-Beltagui wurde laut einer Sprecherin der Protestbewegung in die Brust und in den Rücken geschossen.

Al-Azhar fordert Mäßigung

Derweil forderte das Oberhaupt des Al-Azhar Islam-Instituts in Kairo von allen Beteiligten Mäßigung ein. In einer Rede von Scheich Ahmed al-Tayyeb, die mehrere Fernsehsender am Mittwoch ausstrahlten, hieß es außerdem, Al-Azhar sei eine religiöse Institution und werde sich nicht in einen politischen Konflikt hineinziehen lassen. (APA/ red)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Politik
  • Ausnahmezustand über Ägypten verhängt - ElBaradei erklärt Rücktritt