Einigung im Atomstreit: Weltweite Hoffnung, Freude im Iran und Sorgen in Israel

Die Vereinbarung, die am Donnerstagabend nach tagelangen Verhandlungen zwischen dem Iran und der Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschland im schweizerischen Lausanne erzielt wurde, sieht weitreichende und langfristige Einschnitte beim iranischen Atomprogramm vor.
Im Gegenzug für die Zugeständnisse Teherans sollen die in dem Streit von UNO, USA und EU verhängten Wirtschaftssanktionen schrittweise aufgehoben werden. Mit der Forderung nach einer sofortigen Aufhebung der Strafmaßnahmen setzte sich der Iran nicht durch.
Atomstreit: Die Punkte der Einigung im Detail
Im Einzelnen verpflichtet sich der Iran, die Zahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung für die kommenden zehn Jahre von derzeit 19.000 auf 6100 zu reduzieren. Zudem dürfen sie für 15 Jahre nur noch Uran auf 3,67 Prozent anreichern.
Die Urananreicherungsanlage von Fordo wird in ein Forschungszentrum umgewandelt. Der halbfertige Schwerwasserreaktor von Arak wird so modifiziert, dass er kein waffenfähiges Plutonium erzeugen kann.
Alle Atomanlagen sowie die Uranbergwerke und Fertigungsanlagen für Zentrifugen und Brennstäbe sollen für 25 Jahre scharfen Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unterliegen.
Im Gegenzug sagen die EU und die USA zu, ihr Ölembargo aufzuheben. Auch die UN-Finanz- und Handelssanktionen sollen fallen. Auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung soll nun bis Ende Juni ein komplettes Abkommen ausgearbeitet werden.
“Historische Einigung”
Die beteiligten Staaten würdigten die Einigung als “historisch”. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sprach von einem “großen Verdienst aller Verhandlungspartner”. Mit dem Rahmenabkommen “sind wir einer Vereinbarung, die dem Iran den Besitz von Atomwaffen unmöglich macht, so nah wie nie”, erklärte Merkel.
Scharfe Kritik kommt aus Israel
“Wenn der Iran betrügt, wird die Welt es wissen”, warnte Obama. Zugleich verteidigte der US-Präsident aber mit Nachdruck die Vereinbarung gegen Kritiker im Kongress und in Israel. Die Diplomatie sei der beste Weg zur Lösung des Konflikts. Später telefonierte Obama mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, der ein entschiedener Gegner der Verhandlungen ist, sowie mit Saudi-Arabiens König Salman.
Während Salman in dem Telefonat die Hoffnung äußerte, dass das finale Abkommen “die Stabilität und Sicherheit der Region” stärken werde, kam aus Israel scharfe Kritik. Netanyahu warnte im Telefonat mit Obama, die Vereinbarung hindere den Iran nicht an der Entwicklung von Atomwaffen, sondern ebne ihm eher den Weg. Das Abkommen werde daher “das Überleben Israels gefährden” und erhöhe die Risiken eines “furchtbaren Kriegs”.
Netanyahu forderte weiter, dass jedes endgültige Atomabkommen mit dem Iran eine “unzweideutige” Anerkennung des Existenzrechts Israels durch die Islamische Republik beinhalten müsse.
Israel hält sich Militärschlag offen
Netanyahus Sprecher Mark Regev sprach von “einem Schritt in eine sehr, sehr gefährliche Richtung”. Das Ziel des Iran bleibe die Herstellung einer Atombombe. Für Freitag wurde eine Sitzung des Sicherheitskabinetts einberufen.
Der israelische General Nimrod Sheffer betonte, ein einseitiger Militärschlag gegen den Iran sei weiter möglich. “Die militärische Option ist immer noch auf dem Tisch”, sagte der Chef der Planungsabteilung der Zeitung “Hayom”. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief Israel auf, die Vereinbarung zunächst genauer zu prüfen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte dagegen, eine diplomatische Lösung des Atomstreits werde den Frieden in der Region stärken. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu äußerte sich “sehr glücklich” über die Einigung.
Faymann erfreut
Auch Bundeskanzler Werner Faymann begrüßt die Einigung über die Eckpunkte zum iranischen Atomprogramm. “In den nächsten Wochen muss das Abkommen auf sichere Beine gestellt werden und dafür gesorgt werden, dass Ängste abgebaut und neues Vertrauen gewonnen werden kann”, forderte Faymann in einer Aussendung am Freitag.
Zustimmung und Freudentaumel im Iran
Selbst der als Hardliner geltende Freitagsprediger Ayatollah Mohammad Emami-Kashani (78) erteilte der Rahmenvereinbarung seinen Segen. “Das Verhandlerteam hat sich als standhaft, weise und ruhig erwiesen”, sagte Emami-Kashani bei der traditionellen Freitagspredigt an der Teheraner Universität, wie die Studenten-Nachrichtenagentur ISNA berichtete. “Der Oberste Führer unterstützt diese Vertreter”, fügte er hinzu.
In Teheran gingen in der Nacht zum Freitag hunderte Menschen auf die Straße und feierten die Einigung. Es gab Hupkonzerte, Menschen tanzten und hielten die Hand im Siegeszeichen hoch. Am Freitag wurden Außenminister Mohammad Javad Zarif und sein Verhandlungsteam bei der Rückkehr nach Teheran begeistert empfangen. Für die Iraner verbindet sich mit der Aufhebung der Sanktionen die Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation.
Gemäßigte Kräfte im Iran müssen liefern
Auch für den iranischen Präsidenten Hassan Rohani steht viel auf dem Spiel. Die Iraner hatten ihn 2013 vor allem in der Hoffnung auf eine Aufhebung der Sanktionen ins Amt gewählt. Die iranische Bevölkerung leidet ebenso wie die heimische Wirtschaft massiv unter den Strafmaßnahmen der USA, EU und Vereinten Nationen in dem seit zwölf Jahren schwelenden Atom-Streit.
Mit den Sanktionen will der Westen den Iran davon abhalten, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms Kernwaffen zu entwickeln. Die Islamische Republik bestreitet solche Pläne.
Unklar ist bisher auch, welche Auswirkungen die Einigung auf die zahlreichen Konflikte im Nahen Osten haben wird. Ein abschließendes Atom-Abkommen mit der Aufhebung der Sanktionen dürfte den Iran als traditionellen Gegenspieler Saudi-Arabiens, das eng mit den USA verbündet ist, auf jeden Fall stärken. Das Land ist militärisch in die Bürgerkriege in Syrien und dem Irak verwickelt und soll auch im Jemen, der derzeit ebenfalls in Gewalt versinkt, seine Interessen verfolgen.
In allen diesen Konflikten stehen sich Sunniten und Schiiten gegenüber. Der Iran betrachtet sich als Schutzmacht der Schiiten, während die Saudis sich als Hüter der sunnitischen Interessen verstehen. (red/APA/dpa)
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