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"Eine dunkle Begierde" im Theater in der Josefstadt

"Eine dunkle Begierde" mit Jung und Alt, Freud und Leid
"Eine dunkle Begierde" mit Jung und Alt, Freud und Leid ©APA/HERBERT NEUBAUER
Das Stück "Eine dunkle Begierde" wird derzeit im Theater an der Josefstadt aufgeführt. Dabei geht es um drei Männer: Der eine leugnet glattweg, dass er den Ehrenkodex seine Standes gebrochen hat und einer Patientin zu nahe gekommen ist.

Der andere behauptet, gänzlich ambitionslos zu sein. Beide lügen. Ehrlich und aufrichtig sind dagegen die Frauen. Es nützt ihnen nichts – im Leben wie in der Kunst. Das Stück “Eine dunkle Begierde” handelt vor allem von den Männern. Zumal sie C.G. Jung und Sigmund Freud heißen.

“Ein dunkle Begierde” in Wien

Das Duell zwischen Jung und Freud ist Christopher Hamptons ganz persönliche Obsession. Die Beschäftigung des Briten, der 1989 für “Gefährliche Liebschaften” mit dem Drehbuch-Oscar ausgezeichnet wurde, mit dem Stoff um die Anfänge der Psychoanalyse reichen bis 1997 zurück. Ein erstes Drehbuch hieß “Sabina” und hatte die Figur von Jungs Patientin Sabina Spielrein im Mittelpunkt. Das Scheitern dieses Versuchs führte Hampton darauf zurück, die falsche Hauptfigur gewählt zu haben. Mit C.G. Jung als zentrale Gestalt stellte sich der Erfolg ein – im Stück “The Talking Cure”, in David Cronenbergs Film “A Dangerous Method”. “Eine dunkle Begierde” ist eine neuerliche Annäherung Hamptons, der auch gleich selbst die gestrige Uraufführung im Theater in der Josefstadt besorgte.

Wir schreiben die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts. Der Schweizer Arzt Carl Gustav Jung experimentiert mit der “Sprechkur” und schenkt der Welt den epochalen Begriff “Komplex”, sein Wiener Kollege Sigmund Freud entschließt sich, die “Psychanalyse” in “Psychoanalyse” umzubenennen (“Das ist logischer und klingt besser”). Die Welt, mit der die beiden Seelenforscher konfrontiert werden, ist aufregend, kontrastreich und weiblich: Zu Hause umhegt sie die eigene Ehefrau im engen und starren gesellschaftlichen Korsett der Konventionen, in der Ordination geben ihnen Patientinnen Einblicke in geheimste Leidenschaften und verdrängte Ängste und Wünsche.

Theater an der Josefstadt

Hampton steckt in einer fulminanten Anfangsszene den Gegensatz ab: links frühstückt Jung (Michael Dangl) mit seiner schwangeren Ehefrau Emma (Alma Hasun), rechts wird die hysterische junge russische Patientin Sabina Spielrein (Martina Ebm) von Pflegern und einer energischen Krankenschwester (Therese Lohner) niedergerungen, gefesselt und geknebelt. Die realistische und funktionale Drehbühnenlösung von Tim Goodchild, ständig in Bewegung zwischen Behandlungszimmern und Privaträumen und auch schon mal ein Opernhaus und das Sonnendeck eines Ozeandampfers andeutend, arbeitet stark mit Gegenüberstellungen.

Stärker als im Film, der sich vor allem dank Keira Knightleys virtuosen Hysterie-Ausbrüchen ins Gedächtnis geschrieben hat, wird herausgearbeitet, dass bei Jung erst durch Gespräche mit dem skrupellosen, jede eigene Wunsch-Unterdrückung ablehnenden, drogenabhängigen jungen Kollegen Otto Gross (Florian Teichtmeister) die Hemmungen fallen, mit seiner Patientin ein intimes Verhältnis zu beginnen.

Schnörkellose Inszenierung

Im eigentlichen Mittelpunkt steht jedoch der Bruch zwischen Jung und Freud (Herbert Föttinger), der als klassischer Vater-Sohn-Konflikt gedeutet wird, in dem der weißbärtige Übervater für die Versuchungen durch die Patientinnen (“Berufsrisiko. Diese Frauen. Wie sie uns zu verführen suchen, wie sie jede nur erdenkliche seelische List anwenden. Eines der dramatischsten Schauspiele der Natur.”) mehr Verständnis aufbringt als für die Offenheit des als Nachfolger gewählten Kollegen für mystische und religiöse Bezüge. Die eigenen privaten Zerrissenheiten Freuds werden dabei bloß angedeutet.

In seiner Inszenierung konzentriert sich Hampton schnörkellos auf die Seelendramen hinter der Seelenforschung. Das psychoanalytische Duell findet Ausdruck im Dauernuckeln an Pfeife (Jung) und Zigarre (Freud). Ein Ausblick auf Spielreins Ermordung durch SS-Soldaten im Jahr 1942 wirkt ebenso deplatziert wie die Umrahmung des Innenlebens durch zylindrische, an den “Narrenturm” des Alten AKH erinnernde Außenwände, die sich nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden lautstark wieder schließen.

Verhaltener Jubel

Gespielt wird tadellos. Am differenziertesten kann Martina Ebm vermitteln, dass sie eine zerrissene Frau voller Talente, aber auch voller durch eine brutale Erziehung hervorgerufenen Seelenqualen ist. Gegen Ende gibt es eine schöne Szene der Frauensolidarität, bei der Alma Hasun als Jungs duldende und verständnisvolle Gattin zu erkennen gibt, dass sie über alles Bescheid weiß und selbst einen vorsichtigen Aufbruch in die Emanzipation wagen wird, während ihr Mann zunehmend verzweifelt. Michael Dangl spielt die Wendungen seiner Figur intensiv, doch ein wenig vordergründig, während Hausherr Herbert Föttinger und Jungstar Florian Teichtmeister in ihren Rollen als alter Patriarch und junger Scharlatan auftragsgemäß die ausgewogene Konstellation ergänzen.

Am Ende wurde “Eine dunkle Begierde” höflich akklamiert und verhalten bejubelt. Wogen der Emotion löste diese manierliche Uraufführung keine aus. Die wahren, tief liegenden, verborgenen Begierden blieben in der Josefstadt wohl unausgeleuchtet.

“Eine dunkle Begierde” von Christopher Hampton
Deutsch von Daniel Kehlmann
Regie: Christopher Hampton
Bühnenbild: Tim Goodchild
Kostüme: Birgit Hutter
Musik: George Fenton
Uraufführung, Theater in der Josefstadt, Nächste Vorstellungen: 28.11., 3.-8.12., Karten: 01 / 42700/300
(APA)

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