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Eine Alm der extravaganten Art

©Wolfgang Schlocker, Elmar Ludescher
Die neue Umbrüggler Alm ist zwar fast ganz aus Holz gebaut, „holzig“ auf nostalgisch-urige Art, wie man sich eine Tiroler Alm vielleicht vorstellt, ist die, die Elmar Ludescher und Philip Lutz für einen ganz besonderen Platz hoch über Innsbruck erfunden haben, allerdings nicht.
Alm der extravaganten Art

Ist sie doch eine Alm der ganz neuen Art, bei der das Traditionelle auf erfrischend heutige und innovative Weise weitergedacht ist. Was den meisten Besuchern des Ausflugsgasthauses so gut gefällt, dass das Pächterpaar Sonja Schütz und Thomas Raska den Ansturm oft kaum bewältigt. Während die wenigen, denen die Architektur der Umbrüggler Alm zu „neumodisch“ ist, murrend zu einem der anderen nicht allzu weit entfernten Orte zum Rasten weiterwandern oder -radeln. Und die vielen Fans, die die Alm in dem guten halben Jahr seit ihrem Aufsperren bereits hat, haben es nun amtlich: Kann sie sich doch seit rund drei Wochen mit einem „best architects 17“-Award in Gold schmücken, verliehen von einer international besetzten Jury an zehn aus knapp 400 dem Wettbewerb sich stellenden Projekten aus ganz Europa.Bauherrin ist die Innsbrucker Immobilien Gesellschaft, die 2014 einen geladenen Architektenwettbewerb für den Neubau der vor rund 30 Jahren abgebrannten alten Umbrüggler Alm ausgeschrieben hat, den das Bregenzer Architektenduo Elmar Ludescher und Philip Lutz gegen starke Konkurrenz eindeutig für sich entscheiden konnte. Gebaut an fast derselben Stelle wie die alte am oberen Rand einer plateauartig sich ausbreitenden Lichtung an den steilen bewaldeten Abhängen der Nordkette.

Die architektonische Form der neuen Umbrüggler Alm ist extravagant, kommt fast wie ein monumentales Objekt japanischer Faltkunst daher. Worüber Elmar Ludescher nur lachen kann, sei die Architektur doch allein aus der speziellen Topografie entwickelt, um diese in geometrisch stilisierter Form weiterzuführen. Letztlich als raffinierter künstlicher Gegenentwurf zur Natur, in die sich das Gebäude fast organisch schmiegt, um sich andererseits gegen sie zu stemmen. Vielfältig verzogene Dreiecke spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, besonders beim Unterbau des mächtigen Walmdachs, das schwer auf der größtenteils eingeschoßigen Architektur liegt. Auch über dem drei Seiten des Gebäudes umlaufenden breiten – sympathisch als konsumfreie Zone geführten – Balkon, der sich zu den zwei Gasträumen durch riesige dreifachverglaste Panoramafenster zum Tal hin öffnet. Denn der Grund, auf die Umbrüggler Alm zu wandern, ist nicht nur das gute Essen, das hier immer frisch mit saisonalen Produkten gekocht wird, sondern die grandiose Aussicht.

Außer dem betonierten Keller und einer langen Betonwand, die sozusagen als „Rückgrat“ die Architektur aussteift, ist die Umbrüggler Alm komplett aus Holz gebaut. Die Außenhaut inklusive des Dachs besteht aus Lärchenschindeln, die Wände im Inneren sind mit sägerauen Brettern, die Böden mit geölten Riemen aus Weißtanne belegt. Gegen die Patina, die diese bereits ansetzen, sich zu wehren, versucht die in „ihr“ schönes Haus verliebte Wirtin sich schweren Herzens langsam abzugewöhnen.

Im Boden fest verankert wird das Haus durch einen durchgehenden mächtigen offenen Kamin in der größeren der beiden Gaststuben. Eine Reverenz an den Ort ist dagegen die Wand aus Höttinger Breccie in der kleinen. Von den Architekten entworfen sind auch die Möbel, in denen das Jonglieren mit Knickungen reizvoll weitergespielt wird. Betreten wird die Umbrüggler Alm vom großen sonnigen Gastgarten aus oder bergwärts. Von hier geht es in die Küche bzw. führt eine Stiege zu den ganz cool in Schwarz bzw. Edelstahl gestalteten Sanitärräumen einen Stock tiefer, wo auch die Privaträume des Pächterpaares liegen.

Dass die Umbrüggler Alm ein Ausflugsgasthaus der ganz besonderen Art ist, zeigt sich nicht zuletzt bei der in einem eigenen Raum eingerichteten „Naturschau Karwendel“. Per Knopfdruck kann der Besucher hier eine ganze Reihe von Türen öffnen, um u. a. in der Region beheimatete (ausgestopfte) Vögel zum Zwitschern oder Blumen zum Duften zu bringen.

Daten & Fakten

Objekt Umbrüggler Alm, Innsbruck
Bauherr Stadt Innsbruck
Architektur Ludescher + Lutz, Architekten
Statik ZSZ Ingenieure ZT GmbH, Innsbruck
Fachplaner Heizung, Lüftung, Sanitär: SHP Stiefmüller Hohenauer & Partner Kundl; Bauphysik: Spektrum Zentrum für Umwelttechnik und -management, Innsbruck; Elektro: ING-B Ingenieurbüro, Innsbruck; Kulturtechnik: alpECON, Klinger & Klinger, Imst
Planung 2014–2015
Ausführung 2015–2016
Grundstücksgröße 5757 m²
Nutzfläche 385 m², Keller: 341 m²
Bauweise Stahlbeton, Dach aus Holz
Besonderheit Dach mit verschiedenen Neigungen, Innenausbau aus Weißtanne sägerau
Ausführung Baumeister SWIETELSKY, Innsbruck; Holzbau: Hutter & Söhne, Innsbruck; Elektro: Fiegl & Spielberger, Innsbruck, Heizung, Lüftung, Sanitär: Markus
Stolz, Innsbruck; Kulturbautechnik: Teerag-Asdag, Kematen; Schlosser: Raffl Stahlbau, Steinach am Brenner; Spengler: Waldhart, Telfs; Innenausbau/ Möbel: Sponring Tischlerei, Hall in Tirol
Energiekennzahl 2,7 kWh/m² im Jahr
Baukosten ca. 2,5 Mill. Euro

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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