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Ein offenes Haus, das sich züchtig gibt

Einheit von Architektur und Natur und das mitten im betriebigen Dorfzentrum von Andelsbuch.
Einheit von Architektur und Natur und das mitten im betriebigen Dorfzentrum von Andelsbuch. ©Imanuel Schnabel
Andelsbuch - Die von Jürgen Haller und Peter Plattner geplante neue Heimat für die Wälder Versicherung in Andelsbuch ist ein typisches Wälderhaus und doch ganz anders.
Verwaltungsgebäude Wälder Versicherung

Wie gut sich architektonisch Unter – schiedlichstes vertragen kann, zeigt sich in Andelsbuch. Wo Jürgen Haller und Peter Plattner zwischen das signalartig aufgeständerte Rathaus von Rolf Ennulat, Wise Geser und Walter Felder und ein altes Bauernhaus sowie vis-a-vis von Peter Zumthors mächtigem „Werkraum“ für die Wälder Versicherung ein neues Haus gebaut haben. Das auf den ersten Blick unspektakulär daherkommt, seine Finessen erst nach und nach offenbart. Besonders bei Nacht, wenn der dreigeschoßige Holzbau von innen heraus zu leuchten beginnt.

Notwendig wurde der Neubau, da die bisherige Bleibe zu klein wurde. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgelobt, an dem sich 23 Büros aus dem Bregenzerwald beteiligt haben. Und den der Mellauer Architekt Jürgen Haller gemeinsam mit seinem Südtiroler Partner Peter Plattner gewonnen hat. Mit einem Projekt, bei dem – der Philosophie des Versicherungsunternehmens entsprechend – Transparenz und eine gewisse Bodenständigkeit ganz großgeschrieben werden. Ist die Wälder Versicherung doch die älteste in Vorarlberg, gegründet als Solidargemeinschaft nach dem verheerenden Großbrand von 1790, dem im benachbarten Großdorf 32 Häuser zum Opfer gefallen sind.

Teilweise wunderschöne alte Bauernhäuser, deren Neuinterpretation Jürgen Haller und Peter Plattner mit ihrem Haus für die Wälder Versicherung versucht haben. Innen wie außen von lokalen Handwerkern aus dem Holz heimischer Weißtannen gebaut, dem seit Jahrhunderten bevorzugten Werkstoff in dieser Region. Teilweise aus vorgefertigten Elementen, um Bauzeit wie Kosten zu minimieren. Ohne Konzessionen in Sachen architektonischer Raffinesse zu machen. Die allerdings subversiv versteckt daherkommt. Als reizvolles Spiel mit sehr heutig umformulierten Zitaten von gestern, als Spiel mit Offenem, Geschlossenem und der Kombination von beidem.

So ist das Haus der Wälder Versicherung zwar giebelig wie das alte Bauernhaus daneben, aber eben ganz anders. Vordächer gibt es keine, die Fenster scheinen nicht viel größer als die in der Nachbarschaft zu sein, sind es in Wirklichkeit aber doch. Versteckt sich ihr Großteil doch hinter einem „Mantel“ aus in regelmäßigen Abständen vertikal montierten schmalen hölzernen Latten, in den das gesamte Haus samt Dach „gehüllt“ ist. Was es nach außen relativ geschlossen anmuten lässt, während im Innern die Wände tagsüber durch das natürliche Licht mehr oder weniger aufgelöst zu sein scheinen. Ein Eindruck, der sich nächtens komplett verkehrt, wenn das künstliche Licht durch die streifig gerasterte Textur dieses „Mantels“ und dessen ausgeschnittene Rechtecke und Quadrate dringt.

Dass die Wälder Versicherung ein offenes Haus sein sollte, suggeriert bereits sein teilweise nach innen versetzter, raumhoch verglaster Eingangsbereich. Hineinziehend in ein geschickt vernetztes Gefüge größerer und kleinerer Räume, die in den unterschiedlichen horizontalen Ebenen ineinander verschränkt sind. Die Logik dieser räumlichen Konzeption wird durch schmale Lichtbänder, die sich durch das gesamte Haus ziehen, geschickt akzentuiert.

Die Büros im Erdgeschoß sind zum Foyer hin verglast, das Chefbüro ist klein, das Vorzimmer dazu dagegen groß und über zwei Geschoße offen. Dominiert von der schrägen Lampe eines spanischen Designers, die in Wirklichkeit eine Skulptur ist, die – auch – leuchtet. Als ganz bewusst irritierende Elemente sind dagegen die 32 schwarz verkohlten Bretter gedacht, die die an sich makellos sägerauen hölzernen Wände der Wälder Versicherung subtil „stören“. Hier handelt es sich um eine künstlerische Intervention von Michael Breitenbrücker und Markus Innauer, die an das Niederbrennen der 32 Häuser vor 224 Jahren erinnern soll. Was Walter Rüf, dem Vorstand der Wälder Versicherung, sehr wichtig ist. Der jeden Tag beim Betreten des neuen Hauses „ein gewisses Gefühl von Leichtigkeit und Harmonie zwischen Bauwerk und Natur“ spürt, was er als regelrechten „Quantensprung an Lebensqualität am Arbeitsplatz“ empfindet.

Daten & Fakten

Objekt: Verwaltungsgebäude Wälder Versicherung

Eigentümer/ Bauherr:
Wälder Versicherung VaG, Andelsbuch
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Architektur: PlattnerHaller Architekten

Ingenieure/ Fachplaner: Statik: merz kley partner, Dornbirn & zte Leitner, Schröcken; Heizung-, Sanitär-, Lüftung: E-Plus, Egg; Elektro: Willi Meusburger, Bezau

Planung: 3/2012–5/2013
Bau: 5/2012–5/2013
Grundstücksgröße: 1392 m²
Nutzfläche: netto 905 m² (ohne Tiefgarage)
Tiefgarage/Keller: 435 m²
Bauweise: Tiefgarage Beton-Massivbau; darüber konstruktiver, viergeschoßiger Holzbau

Besonderheiten: über 600 m³ Schnittholz, überwiegend bezogen aus der Region Bregenzerwald; über 90 Prozent der Aufträge wurden in der Region vergeben; Photovoltaikanlage: in Dachflächen integriert – reicht aus, die Strommenge von Heizung, Lüftung und Kühlung zu erzeugen; Erdwärmepumpe mit Erdsonden; kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung, Beheizung und Kühlung über Fußbodenheiz- und Kühlsystem; Kälteerzeugung direkt über die Energiesonden

Ausführung: Konstruktiver Holzbau: Kaspar Greber, Bezau; Holz-Innenausbau und Fassade: Zimmerei Huber, Mellau; Baumeister: Moosbrugger Bau, Andelsbuch; Spengler: Florian Moosbrugger, Bezau; Dachdecker: Roman Moosbrugger, Bezau; Heizung, Sanitär: Wälderinstallateure, Bezau; Lüftung: Dietrich Luft Klima, Lauterach; Elektro: Will, Andelsbuch; Estriche: Vigl & Strolz, Schoppernau; Fenster, Außentüren: Böhler, Wolfurt; Sonnenschutz: Immler, Andelsbuch; Metallbau: Felder Mechanik, Andelsbuch; Innentüren: Tischlereien Rüf & Beer, beide in Schnepfau; Holzböden: Holzhandwerk Fink, Au; Innenverglasung: Meier, Bezau

Energiekennwert: 11 kWh/m² im Jahr

Heizwärmebedarf: Baukosten 2.850.000 Euro inkl. Einrichtung

Quelle: VN/ Leben & Wohnen

Für den Inhalt verantwortlich
vai Vorarlberger Architektur Institut
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