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Ein Netzwerk hilft bei der Rückkehr ins Leben

Großes Interesse am Vortrag
Großes Interesse am Vortrag ©VOL.AT/Hartinger
Schlaganfallpatienten benötigen eine gute abgestimmte Rehabilitation.
Video vom Vortrag

Die Krankheit Schlaganfall bewegt. Kein Wunder, gibt es doch allein in Vorarlberg jährlich rund 900 Betroffene. Für etwa 30 Prozent kommt jede medizinische Hilfe zu spät. Viele andere müssen oft mühsam wieder lernen, was vorher selbstverständlich war: von der Sprache über die Bewegung bis hin zum Halten einer Tasse. Diese Menschen brauchen ein gut funktionierendes Netzwerk an rehabilitativer Unterstützung. Nur so könne die Rückkehr ins Leben gelingen. Darin waren sich alle drei Referenten bei der Mini Med-Veranstaltung zu diesem Thema einig.

Koordinierter Einsatz

Trotz sportlicher Konkurrenz durch die Fußball-Europameisterschaft war der Cubus in Wolfurt sehr gut besucht. „Vielleicht sind Sie hier, weil Sie sich nicht über das Spiel ärgern und so einen Schlaganfall verhindern wollen“, feixte Primar Dr. Thomas Bochdansky, um einen Schuss Humor in die ernste Materie zu bringen. Die Frage blieb ungeklärt, ein herzhaftes Lachen war dem Leiter der Rehaklinik Montafon in Schruns aber sicher. Er befasste sich zum Einstieg mit der allgemeinen Definition von Rehabilitation. „Sie bezeichnet den koordinierten Einsatz verschiedenster Maßnahmen und Berufe zur Wiederherstellung einer optimalen Funktionsfähigkeit“, fasste Thomas Bochdansky eine im Ursprung lange Erklärung kurz zusammen. Die medizinische Reha als ein Teil sieht ihre Aufgabe in der Verbesserung von Gesundheitsproblemen durch Diagnose und Behandlung. Laut Bochdansky gibt es immer mehr Ärzte, die sich darauf spezialisieren.

Abgestufter Plan

In Vorarlberg gibt es die Möglichkeit der stationären und ambulanten Reha. „Die stationäre Reha ist kurzzeitig, spezialisiert und intensiv, die ambulante ein langfristiger Prozess, breit angelegt und alltagsorientiert“, beschrieb der Arzt einige Unterschiede. Aber: „Es braucht beides mit untereinander abgestimmten Schwerpunkten.“ Die Frührehabilitation ist noch Teil des Akutkrankenhauses. Sie wird im LKH Rankweil durchgeführt. Danach, so der Plan, geht es in die stationäre und anschließend in die ambulante Reha. Die Langzeitreha umfasst die Fortführung der Übungen zu Hause. Laut Bochdansky ist es auch möglich, von der Frühreha direkt in eine ambulante Reha zu wechseln. Das hänge immer vom Ausmaß des Schlaganfalles ab. Früher wurden Vorarlberger Patienten für eine stationäre Reha nach Ostösterreich geschickt. Die Patientenflüsse reichten bis ins südliche Burgenland. Seit Inbetriebnahme der Rehaklinik Montafon hat sich dieses Bild gewandelt.

Pflegeheime einbeziehen

Das Idealbild einer Reha wäre die Rückführung des Patienten vom Spital in das eigene häusliche Umfeld. Doch nur wenigen Schlaganfallbetroffenen ist das vergönnt. Die meisten benötigen eine umfassende Nachbetreuung. Ein großer Wunsch der Reha-Mediziner in diesem Zusammenhang wäre eine bessere Einbindung von Pflegeheimen in das Netzwerk. Thomas Bochdansky betonte jedoch, dass ein Pflegeheim nicht zwangsläufig die Endstation sein muss. Es könnte in manchen Fällen aber den Übergang erleichtern. Das Problem sind noch die unterschiedlichen Kostenträger. „Um zu gewährleisten, dass Patienten dorthin kommen, wo sie am besten und kostengünstigsten versorgt werden, braucht es eine gemeinsame Finanzierung“, so der abschließende Appell des Arztes an die Politik.

Inspirierendes Umfeld

Ein Anbieter ambulanter neurologischer Rehabilitation ist die Sozialmedizinische Organisation (SMO), 1985 von Dr. Peter Girardi gegründet. In vier Tageskliniken werden jährlich rund 1400 Personen betreut, etwa 600 davon nach Schlaganfall. „Für möglichst viel Alltagsrehabilitation haben wir unsere Therapiezentren jeweils mitten in den Städten eingerichtet“, erklärte Peter Girardi. Anhand einer Patientengeschichte verdeutlichte er, wie sehr ein Schlaganfall ein Leben verändert und wie eine gut funktionierende Reha vieles wieder ins Lot bringen kann. „Das erfordert ein Umfeld, in dem sich Betroffene wohlfühlen und das sie zum Lernen und Üben inspiriert“, so der SMO-Geschäftsführer. Denn nur, was man gern und mit Interesse tue, gelinge.
Diese Voraussetzungen wolle man schaffen. Wichtig in jedem Fall sei, mit dem Patienten ein Ziel zu formulieren, das ruhig auch visionär sein dürfe, und gemeinsam an dem zu arbeiten, was er für sein künftiges Leben brauche.

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„Ein hochkomplexer Lernprozess“

Die stationäre neurologische Rehabilitation ist im Landeskrankenhaus Rankweil angesiedelt. Insgesamt 92 Betten stehen zur Verfügung, 36 davon für die Nachsorge, die übrigen sind der Akutbehandlung vorbehalten. „Reha ist etwas sehr Spannendes, weil ein hochkomplexer Lernprozess“, sagte Primar Dr. Stefan Koppi, Leiter der Neurologischen Abteilung. Und wie in vielen Dingen bringt auch hier nur stetes Üben den Erfolg. „Je mehr, umso besser“, betonte Koppi.

Belastende Sprachstörungen

Während aber in der Akutphase eines Schlaganfalles schnelles Handeln gefordert ist, um möglichst viel Gehirngewebe zu retten, benötigt unsere Schaltzentrale in der Nachsorge vor allem eines, Zeit. Es gehe um eine phasenspezifische Annäherung an das Problem. Überforderung sei das Letzte, das der Patient in dieser Situation brauchen könne. Daher ist die Nachsorge in Phasen gegliedert. „Wir müssen Betroffene soweit bringen, dass sie Reha-Maßnahmen durchstehen“, erklärte Primar Koppi.
Die größten Probleme nach einem Schlaganfall sind Sprachstörungen, Halbseitenlähmungen bzw. sensomotorische Ausfälle, Gedächtnisstörungen und der Verlust von Raumwissen, also der Orientierung. Besonders belastend für Patienten ist laut den Erfahrungen von Koppi, wenn sie sich nicht mehr ausdrücken können. Das führe häufig zu Depressionen. Es müsse alles getan werden, um diesen Menschen mit einer Sprachtherapie zu helfen. Wie gut sich eine Sprachstörung zurückbildet, hängt letztlich vom Ausmaß der Zerstörung ab, die der Schlaganfall im Gehirn angerichtet hat. Koppi: „Versuchen muss man es aber immer.“

Mühsame erste Schritte

Mühsam ist bei Schwerbetroffenen auch die Behandlung von Bewegungsstörungen. „Nur 5 Prozent der Patienten können Arme und Hände wieder uneingeschränkt benützen“, verdeutlichte Stefan Koppi. Hingegen können 75 Prozent wieder gehen. Der Unterschied resultiert daraus, dass die Handsteuerung wesentlich komplexer ist. 25 Prozent der Schlaganfallpatienten brauchen einen Rollstuhl oder sind bettlägerig.
Es gibt auch Medikamente, die in der Lage sind, das motorische Lernen zu fördern bzw. zu beschleunigen. Generell gilt, dass die Besserungsdynamik in den ersten 12 Wochen am schnellsten fortschreitet. Immerhin 46 Prozent der Patienten können vom Spital direkt nach Hause entlassen werden, 16 Prozent kommen in die Reha.

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Fragen aus dem Publikum

Ist bei einem Schlaganfall immer nur die linke Körperhälfte betroffen?
Koppi: Nein, Lähmungserscheinungen können sowohl rechts wie links auftreten. Mitunter können auch alle vier Extremitäten gelähmt sein.

Warum wird ein Patient mit Verdacht auf Schlaganfall zuerst in das nächstgelegene Krankenhaus und nicht gleich ins LKH Feldkirch eingeliefert, wo es eine Stroke Unit gibt?
Koppi: Alle Akut-Abteilungen in den Spitälern beherrschen die nötigen Methoden zur Erstversorgung eines Schlaganfalles. Wir haben diesbezüglich ein Netzwerk gegründet, das sich regelmäßig trifft, um Abläufe genau zu besprechen und zu definieren, wie Schlaganfälle behandelt werden müssen.

Wie kann ein Laie zwischen einem Gehirninfarkt und einer Gehirnblutung unterscheiden?
Koppi: Es lässt sich nicht unterscheiden. Nicht einmal Ärzte können das. Es braucht zum Ausschluss einer Gehirnblutung immer eine Computertomografie.

Eine Bekannte hat nach einer Bypass-Operation einen Schlaganfall erlitten. Ist es möglich, dass solche Operationen das auslösen?
Koppi: Ja, und diese Fälle sind gar nicht so selten. Man muss bedenken, dass bei solchen Patienten ja schon eine Gefäßschädigung vorliegt.

Mein Hausarzt hat mir gesagt, dass es eine Veranlagung für Hirnblutung gibt. Stimmt das?
Koppi: Das ist in einzelnen Fällen tatsächlich so. Ähnlich den Blutschwämmchen, die manche Menschen auf der Haut haben, können solche Fehlbildungen auch im Gehirn vorkommen, die dann spontan zu bluten beginnen.

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