Der Künstler Alfred Josef Opiolka hat bereits seit 20 Jahren täglich in seinem Berufsalltag mit dem Thema Tod zu tun. Der 64-Jährige bemalt in seinem Atelier "Sargladen" in Lindau Särge und Urnen mit lebensfrohen Farben und fröhlichen Motiven. "Ich glaube, meine Aufgabe als Künstler ist es, Menschen zum Lächeln zu bringen", so der Wahllindauer.

Zwei Rollen
Im Rahmen seiner Arbeit ist er regelmäßig in Kontakt mit Sterbenden, die einen Sarg für sich selbst vorbestellen oder auch mit den Angehörigen nach dem Tod dieser. Dabei bleibt es nicht nur bei der Gestaltung der Holzsärge, die ein Schreiner extra für ihn anfertigt. Fürs Fertigstellen braucht er zwischen drei Tagen und einer Woche. Fast so lange wie das Malen braucht er manchmal auch fürs Zuhören. Dann schließt er sein Atelier zu, um mit den Kunden ungestört sprechen zu können. "Ich bin nicht bloß Künstler. Ich glaube, ich bin mittlerweile Trauerbegleiter", resümiert er.
Während er ein Buch mit seinen Werken durchblättert, weiß er zu jedem Sarg und den jeweiligen Verstorbenen eine Geschichte. Die individuellen Motive auf den Särgen sind an die Verstorbenen angepasst - wie etwa gemalte Instrumente und Gitarrensaiten für den Musiker, Pilze und Bäume für einen Waldliebhaber oder mit einem Briefschlitz für ein verstorbenes Kind.
Bewusster leben
Doch nicht immer war der Tod ein wichtiges Thema für den gebürtigen Polen. Erst durch einen Auftrag einer Bestatterin wurde der Künstler damit konfrontiert. Opiolka gestaltete damals die Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens. Wie dort mit den Toten umgegangen wurde, prägte ihn und bewegte ihn dazu, sich selbst mit dem Tod zu beschäftigen. Erst später begann er, die Leinwände teilweise durch Holzsärge zu ersetzen.

Die inzwischen ständige Konfrontation mit dem Tod empfindet der 64-Jährige keinesfalls als Belastung, sondern als Geschenk. Denn dadurch lebt er besser, ist sich der gebürtige Pole sicher. So genießt Opiolka auch gerade mit seinem Partner selbstgekochtes Gulasch und ein Glas Wein, als VOL.AT ihn in seinem Atelier am frühen Nachmittag besucht. "Man weiß ja nicht, wie lange man noch lebt", kommentiert er dies lachend. Gleich wird deutlich: Er lebt sein Leben in vollen Zügen.
Mit seinem eigenen Tod und Sterben hat er sich nämlich schon ausführlich befasst. "Seitdem lebe ich viel bewusster und wesentlich intensiver", meint er lächelnd. Sein eigener Sarg steht ebenfalls schon fertig bemalt in seinem Schaufenster. Er hat bunte Schmetterlinge als Symbol für den Kreislauf des Lebens dafür ausgewählt. Das Bemalen hat ihm Freude bereitet: "Ich hatte eine gute Zeit dabei."
Beerdigung als Feier
Mit seinen bunten Särgen und Urnen möchte er für andere die Beerdigungen zu einem schönen Fest machen. Er erwähnt eine Kundin, die ihm kurz vor dem Gespräch mit VOL.AT eine Dankeskarte vorbeigebracht hatte. "Sie hat mir erzählt, dass sie vor 14 Tagen ihre Mutter beerdigt haben und wie schön es war, was für ein tolles Fest es war und wie die Menschen danach nach Hause gingen", berichtet er. Genau so soll eine Beerdigung laut ihm auch sein.
Auch in seinem Atelier ist von Trauer und tristen Farben keine Spur zu sehen. Seine Lieblingsfarbe ist nur unschwer zu erkennen: Er trägt ein grünes Hemd, grüne Socken und einen Sonnenhut mit gelbem Band. Das sei kein Zufall, erklärt er. Grün ist seine Lieblingsfarbe. Auch sein kürzlich von einem Verlag veröffentlichtes Buch heißt "Der Tod ist grün." Grün wie der Frühling oder wie ein Neubeginn.

Tabuthema Tod
Der Vater von drei Kindern und Großvater von vier Enkeln tut genau das, was sich die meisten nicht trauen: Er spricht offen über den Tod und präsentiert auch seine Särge auf Messen. "Ich glaube, dass ganz viele Menschen sehr interessiert an dem Thema sind, aber es ist nicht üblich darüber zu sprechen", so der 64-Jährige.

Dieses Tabu bekam er auch schon deutlich zu spüren. Als er vor 20 Jahren in Kempten in Deutschland begonnen hat, Särge und Urnen mit bunten Motiven zu gestalten, kam dies nicht bei allen gut an. "Ganz am Anfang gab es einige Proteste, weil sich die Menschen angegriffen gefühlt haben von jemanden, der solch ein Tabuthema nach außen bringt."
Die Reaktionen seien teilweise heftig gewesen. Er erzählt etwa von ausgeschütteten Mülltonnen vor seinem damaligen Atelier. "Das sind einfach Reaktionen der Menschen, die sich überfordert fühlten, dass da jemand mit dem Thema so nach außen geht", sagt er. "Vor allem in so einer Art, nicht in Grau, Schwarz und Braun, sondern lebendig."
Inzwischen sei dies jedoch besser geworden. Seit sieben Jahren malt er in Lindau. Ausgeleerte Mülltonnen gibt es dort keine mehr. Zuletzt beobachtet er immer mehr Akzeptanz des Themas und dass der Tod positiver gesehen wird: "Das freut mich."
(VOL.AT)
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