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Ein Haus für Ferrero Rocher

DC3 Toweer - Donaustadt Wien_Dietrich-Untertrifaller / BEHF ___©_KURT HOERBST 2022
Einer der letzten Bausteine in der Donau-City-Skyline ist ein goldener Turm mit vergoldeten Mietpreisen.

Vor wenigen Monaten wurde in Wien der DC-Tower 3 in Betrieb genommen. Der Wohnturm nach Plänen von Dietrich Untertrifaller und BEHF Architekten ist ambivalent und liegt irgendwo zwischen großartigem ersten Eindruck und teurem fragwürdigen Betreiberkonzept.

Hochhäuser statt Expo: Wo einst die Weltausstellung 1995 hätte stattfinden sollen, entstand ein Wohn- und Office-Cluster mit kleinen Wolkenkratzern. Der jüngste Spross ist der DC-Tower 3 mit 832 Mini-Wohnungen.

An manchen Nachmittagen, wenn die Südwestsonne über die Donau streicht und das gegenüberliegende Ufer in ein goldenes Licht taucht, funkelt der neue DCTower 3 neben der Reichsbrücke wie eine aufgestellte Luxuspralinenschachtel von Ferrero Rocher. "Eigentlich", sagt Much Untertrifaller, "hätte das Hochhaus noch viel stärker glänzen sollen, denn wir wollten es ursprünglich in eine hochreflektierende Haut aus eloxiertem Aluminium hüllen. Aus Spargründen ist es nun eine lackierte Metallfassade geworden." Die Geschichte des DC-Towers 3 hat ihren Ursprung in der abgesagten EXPO 95 Wien-Budapest. Nachdem sich die Wiener Bevölkerung in einer Volksbefragung im Mai 1991 gegen die Abhaltung der Weltausstellung ausgesprochen hatte, wurde die WED Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum AG gegründet, ein Konsortium aus sieben Banken und Versicherungsgruppen, die mit der Stadt Wien für das 18,5 Hektar große Areal zwischen UNO-City und Neuer Donau einen ganz genauen Funktionsmix sowie einen maximalen Bebauungsschlüssel im Ausmaß von 1,65 Millionen Kubikmetern vereinbarte. Der DC3 ist einer der letzten Bausteine der neuen Donau-City. Bald wird die beschlossene Volumengrenze erreicht sein.

Umzingelt von Bahnen und Türmen: Der 110 Meter hohe DC3 folgt der Baukultur auf der "Donauplatte". Er passt sich nicht an, sondern steht als goldene Skulptur selbstbewusst und eigenmächtig auf der Verkehrsinsel.

"Ein großes Problem in der Donau-City ist die hohe Windbelastung", sagt Much Untertrifaller. "Um die Fallwinde zu reduzieren, haben wir uns entschieden, die Oberfläche mit vorgefertigten, asymmetrischen Modulen möglichst stark zu strukturieren." Hinzu kommt, dass man aus den Erkernischen, die wie dreidimensionale Pixel aus der Fassade ragen, nun in drei verschiedene Himmelsrichtungen blicken kann. Das Parapet weist eine angenehme Sitzhöhe auf und kann als Couch oder Leseecke genutzt werden. "Damit schaffen wir auch in den kleinsten Wohneinheiten eine schöne Großzügigkeit."

Erkerspiel: Die golden eloxierten Erker sind das formal auffälligste Element des DC3. Diese Ausbuchutungen bilden die Fassade und erzeugen so Sitznischen mit Blick in zwei Himmelsrichtungen.

Der 110 Meter hohe DC3, errichtet von der gewerblichen Projektentwicklerin S+B Gruppe, steht auf einer winzigen Verkehrsinsel in eingekesselter Lage zwischen Reichsbrücke, U-Bahn-Trasse und Autobahnabfahrt. "Eine städtebaulich exotische Lage, wie man das sonst nur aus Megastädten wie Bangkok, Hongkong oder New York City kennt", schwärmt der Architekt. "Doch leider gab es eine ganze Reihe an Einsparungen, die dem Haus nicht gutgetan haben." Die schmerzlichste davon, die gegen den Rat des Wiener Gestaltungsbeirats vorgenommen wurde, hat Ausmaße von kilometerweiter Fernwirkung: Aus Kostengründen musste der umlaufende Windschutz auf der Dachterrasse, der ursprünglich zweigeschoßig geplant war, um drei Meter gekürzt werden. Nun ragt aus der sonst eleganten Silhouette des Turms wie ein Mahnmal die schwarze Haustechnik Zentrale hoch. Sehr banal, und leider auch echt hässlich.

Die Lobby des DC3 gleicht einem schicken Concept-Store. Neben Concierge, einer ganzen Briefkasten-Batterie an der Rückwand und Sitzgelegenheiten am Fenster kann man hier aber auch einen Kaffee oder ein Bier zu sich nehmen.

Aufgrund der Verkehrslärmbelastung durch Auto und U-Bahn wäre ein klassisches Wohnhaus an dieser Stelle nicht möglich gewesen. Die S+B Gruppe verkaufte das Projekt daher vor einigen Jahren an den internationalen Residential-Developer Greystar, der auf serviciertes Kurzzeit-Wohnen spezialisiert ist und weltweit rund 800.000 Business-Wohnungen und Studierenden-Einheiten ver - waltet. In Zusammenarbeit mit dem Wiener Architekturbüro BEHF schuf Greystar hier 832 Mini-Wohnungen, voll möbliert und bezugsfertig. Die Mietdauer reicht von einer Nacht bis zu einem Jahr, Verlängerungsoption inklusive.

Auf der Südseite des Hauses mit Blick auf die Wagramer Straße und Reichsbrücke erstreckt sich ein dreigeschoßiges Coworking-Paradies mit Arbeitsbereichen und Chill-out-Areas. Die Nutzung ist im (sehr hohen) Mietpreis der Wohnung bereits inbegriffen.

Allein, die monatlichen Mietpreise sind – selbst für Wiener Verhältnisse – recht heftig bemessen und reichen von 610 Euro für 16 Quadratmeter bis zu 1700 Euro für 45 Quadratmeter. "Doch erstens sind die Wohnungen bis Tee - löffel und Zierkissen komplett ausgestattet", sagt Thomas Wünsche, Managing Director bei Greystar, und betont die angelsächsische Herkunft des Modells, "und zweitens ist in der Miete die Nutzung von Internet, Yoga-Raum, Fitness Studio, Coworking-Spaces, Secret Garden und diversen Bars und Lounges bereits inkludiert. Sie kriegen also ein Wohnzimmer mit 2000 Quadratmetern Fläche!"

Brückenschauen: Die Erker haben Sitzhöhen und können auf diese Weise als Sitzbank und Lümmelecke genutzt werden. Das kleinere der beiden Fenster ist öffenbar. Im Hintergrund: Reichsbrücke und Neue Donau

Fazit: Die spürbaren budgetären Einsparungen im städtebaulichen Maßstab und in der Möblierung der Zimmer sind unverzeihlich, das Angebot ist elitär, utopisch teuer und bestenfalls im Expat-Kontext beheimatet. Damit ist der DC3 eine zwar luxuriöse Pralinenschachtel mit appetitlicher Verpackung, allerdings auch ein sozialer Fremdkörper in der Skyline der Stadt.

Die Wohnungen werden in zwei Ausstattungsgraden und unterschiedlichen Größen angeboten. Jede einzelne Wohnung ist möbliert und mit Textilien und Küchenutensilien ausgestattet und kann somit direkt bewohnt werden.

Daten und Fakten

Objekt DC-Tower 3, Wien
Bauherr S+B Plan & Bau, Wien
Architektur Dietrich | Untertrifaller ZT, Wien www.dietrich.untertrifaller.com
Statik KS Ingenieure, Wien www.ksingenieure.com
Fachplanung Haustechnik: die Haustechniker, Jennersdorf; Heizung, Fassade: Dr. Pfeiler, Graz; Brandschutz: Kunz, Mödling; Strömung: Weatherpark, Wien; Verkehr: Rosinak & Partner, Wien; Bodenmechanik: 3P, Wien; Landschaft: Kieran Fraser, Wien u. weitere
Planung 05/2016–10/2018
Ausführung 11/2018–02/2022
Grundstück 6400 m²
Nutzfläche 23.600 m² (zzgl. Keller/Nebenräume)
Bauweise Stahlbeton-Skelettbau auf Pfahlgründung
Ausführung Baumeister, Hochbau: Granit, Graz; Tiefbau: i+R, Lauterach; Fassade: Alu Sommer, Stoob; Heizung, Lüftung, Sanitär: ESW, Wien; Elektro: Keider, Mistelbach; Bäder: Varis, Lendava; Metallbau: Rudolf, Leobendorf; Trockenbau: Böhm, Wien; Innentüren: r&r, Perchtoldsdorf; Brandschutztüren: Ei2 Protector, Ottnang am Hausruck; Maler: Polleres, Wien; Fliesen: Rott, Wien; Signaletik: Dunkler, Wien u. weitere
Energiekennwert 24 kWh/m² im Jahr (HWB)

Im gesamten Haus macht sich ein roher Charme breit. Gleich beim Eintreten offenbart sich ein bewusst zelebriertes Spiel mit offen geführten Installationsleitungen für Strom, Luft und Wasser.

Text: Wojciech Czaja | Fotos: Kurt Hörbst

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