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Eckart Ratz - Ein Vorarlberger als OGH-Präsident

Verhandlungsvorsitzende Eckart Ratz am Donnerstag, 17. Februar 2011, vor der Berufungsverhandlung am OGH zum Fall Herberstein.
Verhandlungsvorsitzende Eckart Ratz am Donnerstag, 17. Februar 2011, vor der Berufungsverhandlung am OGH zum Fall Herberstein. ©APA
Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien wird seit 1. Jänner von einem (nicht nur gebürtigen) Vorarlberger geleitet: Auch als Präsident will Eckart Ratz (58) weiter zwischen seinem Hauptwohnsitz Koblach und der Bundeshauptstadt pendeln, "wenn es sich machen lässt".

Unter Juristen ist er als Mitherausgeber des großen “Wiener Kommentars” zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung wohl bekannt. Für einiges Aufsehen sorgte Ratz als Senatsvorsitzender in der Causa der ORF-“Am Schauplatz”-Reportage – mit der Entscheidung, dass das Redaktionsgeheimnis “absolut” sei.Wien. In der Jugend des am 28. Juni 1953 in Bregenz Geborenen zeichnete sich noch nicht ab, dass er es einmal zum Präsidenten bringen würden. Denn er war ein – wie er selbst sagt – “miserabler Schüler”, bis er mit einigen Fünfern ans Feldkircher Jesuitengymnasium Stella Matutina kam. Dort schaffte er die Matura und entschloss sich dann, wie sein Vater Jus zu studieren. In die Politiker-Fußstapfen – Gerold Ratz war von 1963 bis 1973 VP-Landesstatthalter in Vorarlberg – trat er allerdings nicht. Er schlug die Richterkarriere ein.

1980 startete er am Bezirksgericht Feldkirch, 1981 wechselte er ans Landesgericht Feldkirch und widmete sich fortan – bis heute – dem Strafrecht. 1994 nahm der Vorarlberger den ersten Posten in Wien an, zunächst am Oberlandesgericht. 1997 kam Ratz schließlich an den OGH, wo er am 15. März 2011 Vizepräsident und mit 1. Jänner 2012 Präsident wurde. Seit 2003 ist er überdies Honorarprofessor für Strafrecht an der Uni Wien.

Am OGH gilt Ratz als Initiator des “erweiterten Grundrechtsschutzes” – mit dem Entscheidungen über Grundrechtsverletzungen in Strafverfahren deutlich beschleunigt wurde, weil auf den “Umweg” über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verzichtet wird.

Menschen zu führen – wie er es jetzt als Präsident zu tun hat – und auch “Chaos zu organisieren” lernte Ratz beim Militär, als Offizier auf Zeit während des Studiums. Am Richterberuf schätzt er die “Selbstständigkeit ohne wirtschaftliches Risiko” – wobei er sich aber auch der Verantwortung bewusst ist, “die man wahrnehmen muss”.

In der Freizeit betätigt sich der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder sportlich, beim Skifahren und als “miserabler Golfer”.

Ratz pocht auf Verankerung des erweiterten Grundrechtsschutzes

Der neue OGH-Präsident Eckart Ratz wünscht sich zum Amtsantritt die gesetzliche Verankerung des seit 2007 praktizierten erweiterten Grundrechtsschutzes. Die Beschwerde gegen Grundrechtsverletzungen in Strafverfahren sei ein “großer Erfolg”. Aber um auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg völlig akzeptiert und “nicht nur subtil denkenden Juristen zugänglich” zu sein, müsste dieses Rechtsschutzinstrument nunmehr gesetzlich verankert werden, sagte Ratz im APA-Interview.Wien. Gesetzlich geregelt ist nur die Grundrechtsbeschwerde in Haftsachen (seit 1993). 2007 hat der OGH seine Kompetenz auf andere Grundrechte (Meinungsfreiheit, Eingriffe durch Hausdurchsuchungen etc.) ausgeweitet – und zwar über den “Transmissionsriemen” des Par. 363a Strafprozessordnung. Demnach kann der OGH Verfahren erneuern, wenn der EGMR eine Grundrechtsverletzung durch ein Strafgericht festgestellt hat.

Auf die Entscheidung des EGMR wird beim erweiterten Grundrechtsschutz verzichtet, dieser kann aber nach dem OGH-Urteil angerufen werden. Die Straßburger Richter begrüßen, so Ratz, die neue Praxis. Aber auch sie hätten gerne eine gesetzliche Regelung, damit klargestellt ist, dass die neue Grundrechtsbeschwerde Teil des innerstaatlichen Instanzenzuges ist, der absolviert werden muss, ehe man sich an die Straßburger Richter wenden kann.

In der heimischen Justizwelt werde der erweiterte Grundrechtsschutz mittlerweile sehr geschätzt – selbst von den Rechtsanwälten, die früher immer eine Beschwerdemöglichkeit beim Verfassungsgerichtshof verlangt haben. Seit 1. Jänner 2008 wurden 123 Erneuerungsanträge gestellt, insgesamt 18 waren – direkt oder in Form einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur – erfolgreich, berichtete Ratz.

Dem Vorarlberger Strafrechtler ist es ein großes Anliegen, den OGH stärker als Hüter der Grundrechte in der Rechtsprechung zu positionieren. Der – von Richtern und Staatsanwälten mitunter erhobenen – Kritik der “unangenehmen Kontrolle” und des Formalismus tritt er entgegen. So betont er, dass er als OGH-Präsident sich nicht als “Chef der Richter” sieht, denn Richter seien “Gott sei Dank selbstbewusst in ihrer Unabhängigkeit”.

Eine gewisse Formalisierung hält Ratz für erforderlich, damit der OGH rasch jenen Rechtsschutz bieten kann, die ihn wirklich brauchen – und nicht durch eine Fülle von Beschwerdeschreiben ohne konkretes Anliegen blockiert wird. Seit zehn Jahren sei man besonders bestrebt, dieser Gefahr zu begegnen, etwa mit der Vorgabe einer vernünftigen Strukturierung von Beweisanträgen.

(APA)

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