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Dunkelheit und Schlagschatten: Vorarlberger Komponist Georg Friedrich Haas wird 65

©APA
Es hat lange gedauert, bis Georg Friedrich Haas' Werke in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Mittlerweile hat sich der in Vorarlberg aufgewachsene Künstler jedoch zu einem der renommiertesten zeitgenössischen Komponisten Österreichs gemausert. Am Donnerstag feiert der derzeit vielleicht erfolgreichste Tonschöpfer des Landes seinen 65. Geburtstag.

Von großem Optimismus ist das Werk des Jubilar allerdings nicht geprägt – allein der Blick auf die Titel offenbart die etwas düstere Grundhaltung: “Melancholia”, “Nacht-Schatten” oder “Bluthaus”. Es schmerze, wenn man lange Zeit die eigenen Werke nicht in der entsprechenden Qualität hören könne, erinnert sich der Komponist, der nach eigenen Angaben seine Berufswahl schon als Kind getroffen habe.

Schmerzhaft

Zugleich blickt der Künstler auf eine durchaus schmerzhafte frühe Lebensgeschichte zurück. Geboren wurde Georg Friedrich Haas am 16. August 1953 in Graz, er wuchs allerdings im Bergdorf Latschau (Vorarlberg) auf. 2016 sprach er erstmals im Interview mit der “Zeit” über seine nationalsozialistische Herkunftsfamilie. Er selbst sei noch bis zum Studienbeginn “indoktriniert” gewesen und habe sich erst dann befreien können. Vor allem sein Großvater Fritz Haas, ein bekannter Architekt, war überzeugter Nationalsozialist und habe ihn stark beeinflusst.

Schuldgefühle

Schuldgefühle wegen seiner Familie seien eine wichtige Quelle der “Dunkelheit in meiner Musik”, eine weitere seine lange unterdrückte sadomasochistische Neigung, die ein großer Faktor für seine 2013 erfolgte Übersiedlung nach New York gewesen sei. 2016 schließlich gingen Haas und seine Gattin Mollena Williams-Haas unter anderem in einem großen Interview mit der “New York Times” in die Offensive und sprachen über ihre sadomasochistische Beziehung. In New York ist Haas heute Professor für Komposition an der Columbia University.

Eng verbunden

Zunächst aber zog es den jungen Haas von 1972 bis 1979 nach Graz, wo er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Komposition bei Gösta Neuwirth, Klavier bei Doris Wolf und Musikpädagogik studierte. 1978 begann er an der Grazer Musikhochschule zu unterrichten. Zwischen 1981 und 1983 führte ihn ein Postgraduiertenstudium bei Friedrich Cerha an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst nach Wien. Auch danach sind die beiden Komponisten eng verbunden geblieben, war es doch nicht zuletzt Cerha, der 2007 Haas für den Österreichischen Staatspreis vorschlug.

Musikalisches Neuland

In seinen Werken versucht Haas, sukzessive musikalisches Neuland zu erobern, wobei er sich intensiv mit der Mikrotonalität auseinandersetzt, also mit Intervallen arbeitet, die kleiner als ein Halbtonabstand sind und in Abkehr von der wohltemperierten Skala gleichsam magische Klangwelt schaffen. Zugleich beschäftigt sich Haas immer wieder mit den musikalischen Vorläufern. So entstand 1999/2000 “Torso”, eine Orchestrierung der unvollendet gebliebenen Klaviersonate in C-Dur von Schubert. Mozart hat er nicht nur in seinem frühen Streichorchesterwerk “…sodaß ich’s hernach mit einem Blick gleichsam wie ein schönes Bild…im Geist übersehe” (1990/1991) geehrt, sondern auch in den “7 Klangräumen” (2005). Und im “Concerto für Violoncello und Orchester” (2003/2004) führt das Soloinstrument ein Zitat aus Franz Schrekers Oper “Der ferne Klang” an.

Schwerpunkt

Die wichtigsten Stationen von Haas Karriere blieb die Trias aus Bregenzer und Schwetzinger Festspielen sowie den Donaueschinger Musiktagen. So wurden seine Opern “Nacht” (1998) und “Die schöne Wunde” (2003) in Bregenz uraufgeführt, die wichtigen Werke “Hyperion”, “Natures mortes” und “Limited approximations” in Donaueschingen. Seine beiden vergangenen Opern “Thomas” (2013) und “Koma” (2016) hingegen erblickten in Schwetzingen das Licht der Welt. Aber auch das Festival “Wien Modern” hat Haas bereits einen Schwerpunkt gewidmet, während sein Musiktheaterwerk “Melancholia” (2008) an der Pariser Opera Garnier uraufgeführt wurde.

Großer Österreichischer Staatspreis

Neben der eigenen kompositorischen Arbeit stand für Haas stets die Weitergabe seines Wissens im Mittelpunkt seines Schaffens. Seit 1989 lehrte er Kontrapunkt und Analyse an der Grazer Musikhochschule, 2003 wurde er zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Seit 2005 leitet Haas eine Kompositionsklasse an der Hochschule für Musik der Musik-Akademie der Stadt Basel und wurde Professor für Komposition an der Columbia University New York.

Mit dem Großen Österreichischen Staatspreis hat Haas 2007 die höchstrangige Auszeichnung der Republik für Künstler erhalten. Und 2013 bekam Haas den mit 60.000 Euro dotierten Musikpreis Salzburg.

Die wichtigsten Werke von Georg Friedrich Haas in chronologischer Reihenfolge:

  • 1981 Adolf Wölfli (Kammeroper)
  • 1992 …Schatten…durch unausdenkliche Wälder für zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger
  • 1994 Nacht-Schatten
  • 1996 Nacht (Kammeroper) 1997 1. Streichquartett
  • 1998 Violinkonzert
  • 1999 Nach-ruf…ent-gleitend… für Ensemble
  • 1999/2000 Torso (Nach der unvollendeten Klaviersonate C-Dur D 840 von Franz Schubert für großes Orchester)
  • 2001 Blumenstück 2003 Die schöne Wunde (Oper nach Franz Kafka, Edgar Allan Poe u. a.)
  • 2003 Natures mortes (für Orchester und Akkordeon)
  • 2004 Opus 68 für großes Orchester (nach der 9. Klaviersonate von Alexander Skrjabin)
  • 2005 Ritual für zwölf große Trommeln und drei Blaskapellen
  • 2005 Sieben Klangräume
  • 2008 Melancholia (Oper nach dem Roman von Jon Fosse)
  • 2010 6. Streichquartett 2011 Bluthaus (Oper nach dem Libretto von Händl Klaus)
  • 2013 Thomas (Oper nach dem Libretto von Händl Klaus) 2014 Concerto grosso Nr. 1 für Alphörner und Orchester
  • 2015 Morgen und Abend (Oper nach dem Roman von Jon Fosse)
  • 2016 Konzert für Posaune und Orchester
  • 2016 Koma (Oper nach einem Libretto von Händl Klaus)

(APA)

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