“Meine Reise führte mich durch acht Länder”, schildert Tori im VOL.AT-Gespräch seine Flucht. Diese führte den Paschtunen im Sommer 2013 nach Österreich. Seit eineinhalb Jahren lebt er nun in Vorarlberg. Er lebt in Raggal und wartet dort das Ende seines Asylverfahrens ab. „Ich möchte arbeiten und in Frieden leben“, sagt der Mann, der laut Aufenthaltskarte 27 Jahre alt ist. Sein genaues Alter weiß Tori nicht: „In meiner Heimat wird der Geburtstag nicht aufgeschrieben.“
Gefährliche Stammesgebiete
Aufgewachsen ist Tori in den pakistanischen Stammesgebieten. Diese liegen an der Grenze zu Afghanistan. Nach dem Einmarsch der US-Truppen in Afghanistan flüchteten die Taliban und Al-Kaida-Kämpfer in die Stammesgebiete. Auch Toris Stadt Parachinar wurde zum Rückzugsgebiet der religiösen Fanatiker. Tori war damals etwa 16 Jahre alt. Seine Eltern hatten Herzprobleme und starben früh und so wurde der junge Mann von seinem Onkel aufgenommen. Zusammen arbeiteten sie auf den Feldern, doch dann begann der Drohnenkrieg.
“Der 11. September hat mein Leben verändert”
2004 weitete sich der Krieg gegen den Terror auch nach Pakistan aus. Zum ersten Mal in der Militärgeschichte verzichteten die USA dabei aber komplett auf den Einsatz von Bodentruppen oder Luftstreitkräften. Die CIA schickt stattdessen eine Flotte von ferngesteuerten Robotern los, die von Militärbasen in den USA aus gesteuert wurden. In einer Höhe von 7,5 Kilometern bahnen sich die Drohnen ihren Weg über das feindliche Gebiet zum Ziel. Bestückt mit “Hellfire”-Raketen schießen die Drohnen auf Knopfdruck ihre tödliche Fracht ab. In der Amtszeit Obamas nahmen die Angriffe beträchtlich zu. 2012 hat Präsident Obama schließlich erstmals den Einsatz von Drohnen zur Bekämpfung von Aufständigen in den Stammesgebieten zugegeben.
Tori erinnert sich, wie die Drohnen über die Stammesgebiete kreisten. “Wir sahen die schwarzen Punkte am Himmel jeden Tag. Oft wurde ich von Drohnen-Angriffen geweckt.” Der 11.September habe sein Leben für immer geändert. “In der Nacht konnte ich nicht schlafen, ich schreckte immer wieder hoch.” Einmal sei ein Haus in seiner unmittelbaren Nähe explodiert. 2011 flüchtete er schließlich.
Drohnen-Angriffe forderten bereits hunderte unschuldige Opfer
Obama behauptete immer wieder, dass der Einsatz von unbemannten Drohnen die “präziseste” und “schonendste” Waffe im Kampf gegen den Terrorismus sei. Sie verursache nur geringe Kollateralschäden. Dabei sprach Obama auch immer wieder von “gezielter Tötung”, doch die Drohnen töten nicht nur Terroristen.
Laut dem in London beheimateten Büro investigativer Journalisten hat Obama mindestens 369 Drohnenangriffe in Pakistan angeordnet. Bei insgesamt 420 Drohnen-Angriffen auf Pakistan sollen 700 Zivilisten getötet worden sein, darunter 170 Kinder. Insgesamt sind zwischen 2500 und 4000 Menschen getötet und an die 1500 verletzt worden.
Todesstrafe ohne Gerichtsverfahren
Die investigative britische Menschenrechtsorganisation Reprieve kommt auf ähnliche Zahlen. Das Leben unter Drohnen sei ein Zustand des permanenten Terrors. Über ihr Killer-Drohnenprogramm vollstrecke die CIA die Todestrafe ohne Gerichtsverfahren. Das geschehe in Pakistan, in Somalia und im Yemen.
Nach allem was man bisher weiß und was Menschenrechtsorganisationen in Europa und den USA an Beweisen zusammengetragen haben, ist der Drohnenkrieg jedenfalls alles andere als genau. Die renommierte Zeitung “The Guardian” berichtet von 41 Männern in Pakistan und im Yemen, die getötet werden sollten. Mehrfach wurden Angriffen auf die vermeintlichen “Ziele” geflogen. Die blutige Bilanz 1.147 Menschen wurden getötet. Das entspricht 27 getöteten Zivilisten für einen Terroristen.
Tori: “Die Taliban sind Bestien”
Am Himmel tödliche Drohnen und zu Lande die Taliban: Für Tori eine praktisch ausweglose Situation um ein normales Leben führen zu können. “Unser Leben war von Angst beherrscht. Die Taliban kontrollierten die Straßen. Sie haben mich ständig drangsaliert: ‘Warum trägst du keinen Bart?’, fragten sie beispielsweise, wenn ich mich rasiert habe”, berichtet Tori im VOL.AT-Gespräch. Verstöße gegen ihr fanatisches Weltbild bestraften die selbsternannten Gottteskrieger mit Schlägen und Folter bis zum Tod. “Das sind Bestien”, sagt Tori.
“Wer an Gott glaubt, achtet die Menschen”
“Wenn ich mich den Mördern angeschlossen hätte, hätte ich gutes Geld verdienen können. Doch am Tag des jüngsten Gerichts müssen sie für ihre Grausamkeiten büßen”, ist der 27-jährige Schiite überzeugt. “Wer an Gott glaubt, achtet die Menschen. Ich bin ein guter Mann und möchte das beweisen.” In all den Ländern, die er zu Fuß und in den Autos von Schleppern durchquert habe, sei es sehr schwierig gewesen. Verwandte und Freunde haben ihn mit Geld unterstützt. “In Österreich möchte ich in Frieden leben und meinen Lebensunterhalt selbst verdienen”, hofft er auf einen positiven Asylbescheid.
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