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Drei Szenarien nach dem Wulff-Gauck-Duell

Wenn der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Mittwoch das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl in der Bundesversammlung bekanntgibt, wird sich auf den Gesichtern der 1244 Elektoren Lächeln, Enttäuschung oder gar Entsetzen abzeichnen. Denn der Wahlausgang dürfte die weitere Bundespolitik erheblich beeinflussen. Drei mögliche Szenarien:

DER “BEFREIUNGSSCHLAG”

Der Kandidat der Regierungsparteien, Christian Wulff (CDU), wird bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewählt. Die Erleichterung in Union und FDP ist etwa so groß wie im deutschen Team nach den Siegen der Fußballnationalmannschaft gegen Ghana und England. CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Vizekanzler Guido Westerwelle erklären, dass dies ein Signal der schwarz-gelben Geschlossenheit sei, und kündigen energisches Regieren an. Die Präsidentenwahl wird die Regierung zunächst stabilisieren. Auch wenn Gefahr besteht, dass die Koalition bereits im Herbst aus der neuen Euphorie erwacht, ist dies das Wunschszenario von Schwarz-Gelb.

DIE GESCHWÄCHTE KOALITION MACHT WEITER

Wulff wird gewählt, allerdings erst im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit reicht. Es haben doch mehr Wahlleute von Union und FDP als erwartet dem niedersächsischen Ministerpräsidenten ihre Stimme verweigert. Merkel und Westerwelle treten dennoch mit betont gelassenen Minen vor die Kameras. Das Ziel heißt Schadensbegrenzung. An der negativen Grundstimmung ändert sich durch diese Mischung aus Sieg und Schlappe wenig. CDU, CSU und FDP beschuldigen sich weiterhin gegenseitig, für Unruhe in der Koalition verantwortlich zu sein. Westerwelle wird zu kämpfen haben, um sich als Parteichef halten zu können. Als Entlastung attackieren die Liberalen verstärkt die Union. Auch Merkel wird Unmut in ihrer Partei zu spüren bekommen.

DAS POLITISCHE ERDBEBEN

Der Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, wird im dritten Wahlgang gewählt, weil sich eine doch überraschend große Zahl von Wahlleuten der Union, der FDP, aber auch der Linkspartei für den Ostdeutschen ausspricht. SPD-Chef Sigmar Gabriel und die Grünen-Spitze erklären im Freudentaumel, dass dies der Anfang vom Ende des schwarz-gelben Siegeszuges sei. Merkel geht in die Not-Offensive: Sie gratuliert Gauck und würdigt ihn als gute Wahl, auch für die Union. In Wahrheit vertrete Gauck doch in vielen Bereichen Positionen, die näher an denen der Christdemokraten als an denen von Rot-Grün lägen. Doch hinter den Kulissen gärt es in den Regierungsparteien. Wer ist schuld an dem Debakel? Die meisten anklagenden Finger weisen in Richtung FDP. Den von der Opposition ersehnten Rücktritt wird Merkel wohl nicht vollziehen. Wahrscheinlicher ist eine Vertrauensabstimmung im Bundestag, die die Kanzlerin locker gewinnen dürfte. Auch Gabriel hat bereits darauf hingewiesen, dass er nicht mit einem Sturz der Regierung rechnet. Dennoch sind für das schwarz-gelbe Bündnis die Tage gezählt. In der CDU setzt eine Debatte ein, ob die Kanzlerin wirklich noch die richtige Führungsperson ist. Tritt dieses – eher unwahrscheinliche – Szenario tatsächlich ein, wird sich einer an der parteiinternen Debatte übrigens lautstark beteiligen – Christian Wulff.

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