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"Drei mit dem Stift" im Jüdischen Museum

Eine Illustration der Künstlerin Lily Renee
Eine Illustration der Künstlerin Lily Renee ©APA (Lily Renée)
Sie fanden für vieles kluge Worte, am nächsten war ihnen dann aber doch stets die spitze Feder.

Das Jüdische Museum Wien zeigt in einer aktuellen Ausstellung drei jüdische Comiczeichner und Cartoonisten, die vor den Nazis aus ihrer Heimat Wien fliehen mussten und zu großen Namen der internationalen Szene wurden. “Die drei mit dem Stift” ist ab Mittwoch in der Dependance am Judenplatz zu sehen.

“Drei paradigmatische Schicksale” treffen aufeinander

Lily Renee (geborene Willheim), Bil Spira und Paul Peter Porges sind drei Künstler, die sich unterschiedlichen Metiers bedienten, die schnelle Karikatur ebenso beherrschten wie die fein ausgearbeitete Zeichnung. “Es sind drei paradigmatische Schicksale”, sagte Kurator Michael Freund bei einer Presseführung am Dienstag.

“Sie eint das frühe Talent, trennen aber die verschiedenen Schwerpunkte.” So begegnet man dem 1913 geborenen Wilhelm “Bil” Spira in der Schau als pointiertem Porträtisten, der mit wenigen Strichen Persönlichkeiten wie Erich Kästner oder Alfred Hrdlicka zum Leben erweckte.

Überlebender von Konzentrationslagern und Fälscher rettenter Pässe

“Er beschrieb nicht umsonst die Zeichnung als ‘überraschenden, treffenden Zwischenruf'”, zitierte Cokuratorin Sabine Bergler den Künstler, der nach seiner Flucht in Frankreich sein Können auch anderweitig nutzte.

Als Fälscher verhalf er nämlich vielen Menschen zu rettenden Pässen, wobei er etwa dem US-amerikanischen Journalisten Varian Fry und dessen Rettungsnetzwerk zuarbeitete. Später überlebte Spira mehrere Konzentrationslager – und auch diese Erlebnisse hielt der Onkel der kürzlich verstorbenen Dokumentarfilmerin Elizabeth T. Spira auf Zeichnungen fest.

Frankreich blieb sein Lebensmittelpunkt, 1999 verstarb Spira in Paris.

Starke Frauenfiguren und Liebe zum Detail

In die USA hat es wiederum Renee geschafft, die sich dort in ihren frühen Zwanzigern schnell in der Comicszene etablieren konnte. Sie arbeitete für Reihen wie “Rangers Comics” und schuf starke Frauenfiguren, beispielsweise Senorita Rio, die vorwiegend Faschisten das Handwerk legte. “Es war eine Form der Vergeltung”, wird die Künstlerin zitiert.

Aber nicht nur die kleinteiligen Panels waren ihre Sache, auch behutsam gezeichnete Blätter wie das Doppel “Mutter mit Kind” als Traum und Wirklichkeit versprühen viel Liebe zum Detail und eine subtile Melancholie. Ein spätes Geschenk macht das Jüdische Museum der heute 98-Jährigen, die zur Ausstellungseröffnung anreist, in Form der Veröffentlichung ihres Kinderbuchs “Rot ist das Herz”.

Subtiler Humor und anarchischer Unsinn

Porges komplettiert das Zeichnertrio: “Er verstand sich auf subtilen Humor ebenso wie auf anarchischen Unsinn”, verwies Bergler auf seine Arbeiten für den “New Yorker” und das “Mad Magazine”. Da liegt dann ein Schwein im Anzug beim Psychiater, mit missmutigem Gesicht, während dieser ihm versichert: “It is perfectly alright to be a swine.”

Oder ein Maler mit einer Vorliebe für kulinarische Sujets muss sich mit der Diagnose Lebensmittelvergiftung abfinden. Porges kennen Besucher des Jüdischen Museums außerdem bereits von der 2000er Ausstellung “Style and Humor”, die ihm und seiner Frau Lucie, einer Modedesignerin, gewidmet war.

Zweigeteilte Ausstellung

Die aktuelle Schau präsentiert sich indes zweigeteilt: Während ein Raum ganz auf das künstlerische Schaffen von Renee, Spira und Porges fokussiert, gibt es in einem zweiten die Möglichkeit, ihre Biografien damit zu verschränken. Fotos, Dokumente und persönliche Gegenstände sind in Vitrinen zu sehen, aber auch Arbeiten, die sich stärker mit ihrer früheren Heimat und einer möglichen Sehnsucht danach auseinandersetzten. Nicht umsonst hob Renee einmal in einem Interview die wortwörtliche Bedeutung ihres Mädchennamens Willheim hervor. Zudem werden abschließend sieben weitere Künstler vorgestellt.

(APA)

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