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DNA-Ahnenforschung: So wurde der Golden State Killer erwischt

Stammbaum-Webseite lieferte Hinweis auf den Golden State Killer.
Stammbaum-Webseite lieferte Hinweis auf den Golden State Killer. ©AP
Mehr als 40 Jahre nach dem ersten Mord kamen die Ermittler Joseph James DeAngelo auf die Spur. Sie glichen DNA-Spuren von den Tatorten mit genetischen Profilen einer Online-Datenbank zur Familienforschung ab. So stießen sie auf einen Verwandten des Golden State Killers.
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Die Betreiber von GEDmatch waren selbst überrascht. Denn die Polizei hatte sie nie kontaktiert. Doch ihr Online-Dienst zum Abgleich von DNA-Profilen ist eben frei nutzbar - auch für Ermittler. Der Datenschutz ist bei derartigen Plattformen bisher kaum geregelt.

Wer mehr über seine Vorfahren wissen möchte, dem bieten Webseiten wie GEDmatch ganz neue Möglichkeiten: Nutzer veröffentlichen freiwillig ihre eigene DNA; Algorithmen erkennen in Millionen Profilen bestimmte Muster und geben somit Hinweise auf Verwandtschaften. Vor einiger Zeit luden auch Polizisten aus Kalifornien ein DNA-Profil hoch - und stießen dabei auf eine aufschlussreiche Übereinstimmung zu einer spektakulären Mordserie.

74-Jähriger bekannte sich vor Gericht schuldig

Joseph James DeAngelo, der sogenannte "Golden State Killer", bekannte sich am Montag vor Gericht in Sacramento wegen 13 Morden und 50 Vergewaltigungen schuldig. In den 70er und 80er Jahren sorgten die Verbrechen in Teilen Kaliforniens für Angst und Schrecken. 2018 konnte der inzwischen 72-Jährige schließlich festgenommen werden. GEDmatch sei bei den Fahndungen eines der besten Hilfsmittel gewesen, sagte der leitende Ermittler Paul Holes der Tageszeitung "Mercury News" aus San Jose im Silicon Valley.

Keine Daten an Polizei ausgehändigt

Das in Florida ansässige Unternehmen betont, es habe keine Daten ausgehändigt. "Wir haben nichts davon gewusst - und es war überwältigend", sagte Curtis Rogers, Mitbegründer des Online-Dienstes, der Nachrichtenagentur AP. Das Vorgehen der Ermittler scheint dennoch vollkommen legal gewesen zu sein. Da die Datenbanken frei zugänglich sind, braucht die Polizei nach Angaben von Holes keine richterliche Verfügung, um Einblick zu nehmen.

DNA-Material von den einstigen Tatorten passte zu dem einer Person, die mit dem mutmaßlichen Täter verwandt sein musste. Auf dieser Grundlage konnten die Ermittler den Kreis der Verdächtigen deutlich eingrenzen. In der Nähe der kalifornischen Hauptstadt Sacramento hätten sie schließlich eine Probe des Großvaters sicherstellen können, und zwar an einem von diesem weggeworfenen Gegenstand, sagte die Bezirksstaatsanwältin Anne Marie Schubert.

Familienstammbaum durchsucht

Die Ermittler hätten DNA-Abgleichungen mit "Cousins dritten, vierten und fünften Grades und noch weiter entfernt" gemacht, sagte der Forensiker Paul Holes der Zeitung "Los Angeles Times". Sie hätten die Verwandtschaftslinie des Verdächtigen sogar bis hin zu dessen Ur-Ur-Ur-Großeltern Anfang des 19. Jahrhunderts nachvollzogen. Seit Anfang des Jahres sei klar gewesen, aus welcher Familie der Verdächtige stamme, sagte Holes, der seit Jahren mit dem Fall befasst war. Im Familienstammbaum sei dann nach dem Verdächtigen gesucht worden.

Im konkreten Fall dürfte das Vorgehen kaum Kritik hervorrufen. Bürgerrechtler warnen dennoch vor den mit solchen Plattformen verbundenen Risiken. "Wer zum Zweck der Ahnenforschung die eigene DNA offenlegt, könnte damit unwissentlich genetische Informationen über die unschuldige Familie verbreiten", sagt der Forensik-Experte Steve Mercer vom Büro der Pflichtverteidiger im US-Staat Maryland. Es gebe keine strengen Datenschutzgesetze, die einen Zugriff der Polizei auf solche Dienste verhindern könnten. Selbst die offiziellen Datenbanken mit den DNA-Profilen von verurteilten Straftätern seien besser geschützt, betont Mercer.

Vorgehen der Polizei "völlig legal"

Die Juristin Erin Murphy von der New York University schätzt das Vorgehen der Ermittler bei ihrer Jagd nach dem berüchtigten "Golden State Killer" als vollkommen legal ein. "Es schiene verrückt, einem Polizisten, der einem schweren Verbrechen auf der Spur ist, etwas zu verbieten, was deine Cousine machen darf", sagt sie. "Wenn normale Menschen die Möglichkeit haben, warum nicht ein Cop? Andererseits: Wenn eine gewöhnliche Person das getan hätte, würden wir das vielleicht auch nicht in Ordnung finden."

Golden State Killer war selbst Polizist

Als der kalifornische Serienmörder 1986 zuletzt zuschlug, steckte die Nutzung von DNA-Analysen im Bereich der Kriminaltechnik noch in den Kinderschuhen. Der Killer war einige Jahre selbst Polizist gewesen und dürfte bezüglich der damaligen Entwicklungen somit im Bilde gewesen sein. "Er kannte die Polizei-Methoden", sagt Louis Schlesinger vom John Jay College of Criminal Justice in New York. "Er war clever."

Schon vor mehr als 30 Jahren habe die Polizei den Verdacht gehabt, dass es sich beim "Golden State Killer" um einen Kollegen oder einen Angehörigen der Streitkräfte handele, da das Vorgehen so methodisch und akribisch gewesen sei, sagt Wendell Phillips, der seinerzeit in Sacramento an den Ermittlungen beteiligt war. Alle Mitglieder der auf den Fall angesetzten Sondereinheit hätten deswegen sogar Speichelproben abgeben müssen.

Niemand schöpfte Verdacht

Aus dem persönlichen Umfeld hatte offenbar niemand DeAngelo mit den Verbrechen der Jahre 1976 bis 1986 in Verbindung gebracht. Nach seiner relativ kurzen Zeit bei der Polizei arbeitete der mutmaßliche Serienmörder dreißig Jahre als Mechaniker im Lager eines Supermarktes in der Nähe von Sacramento. Seine Nachbarn in der Vorstadt Citrus Heights kannten ihn als etwas eigenwilligen Mann, der seinen Rasen stets ordentlich mähte und oft laut fluchte.

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