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Diskussion über Grenz-Zurückweisungen in Deutschland

Debatte um Grenz-Zurückweisungen: Deutschland diskutiert neue Maßnahmen.
Debatte um Grenz-Zurückweisungen: Deutschland diskutiert neue Maßnahmen. ©APA/dpa
In der deutschen Debatte um Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylwerbern an der Grenze findet am Dienstagnachmittag ein Treffen der Vertreter der Ampel-Regierung, der oppositionellen CDU/CSU sowie der Bundesländer statt.
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Nach langem Zögern sagte Dienstagfrüh auch die Unionsfraktion ihre Teilnahme an den Migrationsgesprächen zu. Dabei geht es vor allem darum, wie und ob Geflüchtete direkt an der Grenze zurückgewiesen werden können.

Innenministerin will Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen

Die deutsche Innenministerin Nancy Faser (SPD) hatte am Montag neben der Einführung von vorübergehenden Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen auch angekündigt, ein europarechtskonformes Modell für die Zurückweisung an den Grenzen entwickelt zu haben. Details wollte sie jedoch nicht nennen, diese sollten bei dem Treffen am Dienstagnachmittag erläutert werden. Die CDU/CSU hatte betont, das die Frage der Zurückweisungen "eine zentrale Frage" sei.

Deutschland müsste sich auf Notfallklausel berufen

Europarechtskonform wäre diese Praxis nur, wenn sich Deutschland auf die sogenannte Notfallklausel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit (Artikel 72) berufen würde. Damit könne die Dublin-Verordnung vorübergehend ausgesetzt und damit Drittstaatsangehörige, die bereits in anderen EU-Ländern registriert wurden, direkt an der Grenze zurückgewiesen werden. Es wäre aber nur "ganz schwer zu belegen, dass die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich notwendig sind, um die Notsituation zu beherrschen", sagte der Europarechtsexperte Walter Obwexer am Dienstag im APA-Gespräch.

Radikale Abkehr von bisheriger Praxis

Der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU) forderte aber genau dies: "Wir fordern nicht nur stationäre Grenzkontrollen, sondern auch die Zurückweisung derer, die aus anderen EU-Staaten kommen und an der Grenze um Asyl bitten." Dies wäre eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis: Bisher werden Asylsuchende von der Grenze in Aufnahmezentren im Gebiet der Bundesrepublik gebracht; erst dort wird dann geprüft, ob ein anderes EU-Land nach den so genannten Dublin-Regeln für das Asylgesuch zuständig ist.

Kritik aus den Nachbarstaaten

Einige der neun Nachbarstaaten Deutschlands reagierten mit Kritik: "Die deutsche Innenpolitik diktiert diesen Aktionskalender, und leider müssen die anderen Länder dies berücksichtigen", sagte Polens Innenminister Tomasz Siemoniak im polnischen Rundfunk. Die EU-Vereinbarungen ließen dieses Vorgehen zu, "und wir haben auch Kontrollen eingeführt, zum Beispiel an der Grenze zur Slowakei", fügte er aber hinzu.

Karner: Österreich nimmt keine Zurückgewiesenen auf

Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) meinte: "Wenn das Deutschland tut, soll es mir Recht sein", er sei auch nicht besonders überrascht. Bereits am Montag ließ er wissen, dass Österreich keine von Deutschland zurückgewiesenen Migrantinnen und Migranten aufnehmen werde. Gespräche zwischen dem deutschen und dem österreichischen Innenministerium habe es diesbezüglich noch nicht gegeben, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Innenministerium in Wien.

Experte: Österreich müsste sich auch auf Notfallklausel berufen

Österreich wäre nach Obwexers Ansicht "wohl faktisch gezwungen", sich ebenfalls auf die Notfallklausel zu berufen, sollte Deutschland den Schritt tatsächlich gehen. Wenn auch Österreich Asylwerberinnen und Asylwerber an den Grenzen zurückweisen würde, könnte ein Dominoeffekt entstehen und andere Länder das Gleiche machen. Obwexer: "Dann könnte es auch sein, dass die EU-Kommission beim Gerichtshof in Luxemburg einen Antrag auf Aussetzung der Maßnahme (Zurückweisung, Anm.) stellt, bis er in der Sache entschieden hat."

Gespräche mit Nachbarländern notwendig

Frei betonte, dass man die Maßnahmen mit den Nachbarländern absprechen müsse. Er glaube, dass ein Dominoeffekt entstehen werde und sei davon überzeugt, "dass andere Länder das genauso machen würden und wir innert Tagen vielleicht sogar Stunden zu einem effektiveren europäischen Außengrenzschutz kämen."

Kritik vom deutschen Rat für Migration

Der deutsche Rat für Migration wandte sich mit scharfen Worten gegen die Pläne: "Die aktuell diskutierte Politik, schutzsuchende Personen an den Grenzen Deutschlands zurückzuweisen, stellt einen gefährlichen Populismus in der migrationspolitischen Debatte dar", so die Migrationsforscherinnen und -forscher. Die geplanten Zurückweisungen seien zudem rechtswidrig.

(APA)

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