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Die Vorlasskultur

Ulrich Gabriel
Ulrich Gabriel

Nachlass ist das Zeug, das nach dem Tod zurückgelassen wird - mit Ausnahme der Seele, auf die Hinterbliebene keinen Zugriff haben, nur der Teufel oder Gott, je nachdem was der Typ vorher geglaubt hat. Man entscheidet ja selbst, ob die Seele sofort durch das Seelenloch saust oder ob sie mit dem letzten Herzschlag Knall & Fall auf einem anderen Server weitermacht.

Wenn du nicht an ein Weiterleben, Seelenwanderung oder sonst was Verlängerndes glaubst, erübrigt es sich zu sinnieren. Mit Seelenglauben ist es allerdings unterhaltlicher, dann gibt es Höllen, Fegefeuer, Unterwelten, Purgatorien und andere Reinigungsanstalten, einen Fährmann, Paradiese, Totenreiche, die man sich super gut vorstellen kann. Ich will jedenfalls, dass mir als Leich der Obulus unter die Zunge gelegt wird. Sicher ist sicher. Sollte meine Seel beim Styx doch noch einen Schlepper chartern, um gut ins Totenreich zu kommen, ist eine Goldmünze hilfreich, weil ich nicht einmal einen Goldzahn habe. Gold sichert den besseren Platz im Boot.

Bin ich dann mal weg, bleibt der Nachlass da, dieser ganze lebenslang angehäufte Sauhaufen. Es erhebt sich hier die Frage, ob vor dem Sterben aufgeräumt werden soll oder ob man abhauen darf wie s‘Kind vom Dreck. Wenn ja, heißt das, alles ordnen, beschriften, putzen, Schachteln füllen, Kisten, Bestandsverzeichnis, die ganzen CD’s, Bücher, das ganze aufbewahrte Glumpat, die gefüllten Schreibtischschubladen, Fotos, Fötile, Glümple, Figürle, Tagebücher undundund. Weil man den Zeitpunkt des Abgangs nicht weiß, muss eigentlich ständig aufgeräumt werden. Leider. Der Leib ist ja bald einmal weg, aber das hinterlassene Glumpat?

Künstler, aber nur berühmte, oder die dafür gehalten werden, müssen das nicht. Sie machen aus dem Nachlass einen Vorlass und bieten das ganze Glumpat noch zu Lebzeiten einem Museum, einer Bibliothek, der Stadt, dem Land, an und hätten gern ein Geld dafür. Die aber zahlen nix, wollen alles kostenlos, sonst würde der Vorlass des Nachlass zum Ablass. Loskaufen hieße ja, sich per Ablass von Sünde befreien. Das wiederum hieße,  die zu Lebzeiten verweigerte Kunstförderung  einzugestehen.  Politik aber sündigt nie. Kulturbeamte sind drum regelrecht scharf darauf, weil sie mit dem Vorlass brav Geld sparen und budgetneutral Nachlassretter werden. Und weil es immer weniger Künstler dafür mehr Kulturbeamte und Museumsdirektoren von Mo bis Do 9 – 12, 14 – 16.30, Fr bis 15.00 Uhr gibt, brauchen sie auch mehr billige Sammelerfolge. Die Depots quellen zwar über. Egal. Vorlassjagd ist ein beliebtes Mittel, sich Kunst billig untern Nagel zu reißen. Kunstfleddern fürs Depot. Den grad noch lebenden Künstler am Rollator kann man ja schnell noch ins Museum schieben und Feiern vor dem Feuern.  

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