Die Kraft der Kleinsten: Zwei Mütter, drei Frühchen und der große Mut
Von der Angst, in sterilen Krankenhausfluren den Halt zu verlieren. Vom gedämpften Rhythmus der Monitore. Von Tagen im Wartestand – zwischen Inkubator und Hoffnung. Die zweifache Frühchen-Mama Ella Saringer aus Lingenau und Annika Moosbrugger aus Andelsbuch erzählen, was es heißt, stark zu bleiben, wenn das Leben unplanbar früh beginnt.
Video: Vorarlberger Frühchen-Eltern zwischen Angst und Hoffnung
"Nichts für selbstverständlich nehmen"
Bei Ella Saringer (33) kamen gleich zwei Kinder zu früh – und doch ganz unterschiedlich. 2022, nach einem schönen Wandertag, der Blasensprung: Sohn Florian wollte neun Wochen vor dem errechneten Termin auf die Welt kommen.
"Im Spital hieß es klar: Wir gehen ohne Kind nicht mehr heim – wie lange das dauern würde, wusste niemand." Zwei Tage später ist Florian da: 1500 Gramm, 43 Zentimeter.
"Nach einer Stunde durften wir zu ihm. Wir sagten: 'Hallo, Florian' – er drehte den Kopf und schaute uns an. Er kannte unsere Stimmen. Das war unser Moment."
Sechs Wochen lang verbrachte Ella mit ihrem kleinen Sohn im Krankenhaus – eine Zeit voller Sorgen, Hoffnung und kleiner Lichtblicke. Immer wieder kam eine Psychologin vorbei, die mit ihr sprach und ihr Mut machte. "Sie hat mir gesagt, dass ich überfordert sein darf – dass das normal ist", erzählt Ella. Diese Gespräche taten gut, halfen ihr, die Anspannung loszulassen. Um den Blick für das Gute nicht zu verlieren, begann sie, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. "Jeden Tag habe ich drei Dinge aufgeschrieben, für die ich dankbar bin. Das hat mir geholfen, mich zu erden."
Trotz einer kleinen Hirnblutung, die engmaschig kontrolliert wurde, entwickelte sich Florian gut. "Alles hat sich von selbst eingerenkt", sagt sie erleichtert. Als sie nach sechs Wochen endlich nach Hause durften, war es zunächst ungewohnt still. "Ohne Monitore, ohne piepsende Geräte – das war zuerst beunruhigend", erinnert sich Ella. "Aber dann kam dieses Gefühl der Freiheit. Endlich durften wir einfach Familie sein."
2024 kündigte sich Ellas Tochter Zita sechs Wochen zu früh an. "Diesmal war es eine heilende Geburt", sagt sie. "Spontan, kraftvoll – ich durfte sie gleich auf die Brust nehmen. Das hat so viel gutgemacht."
Die Angst war da – aber auch das Vertrauen in ihren Körper.
Danach begann erneut die Zeit auf der Neonatologie: Stillversuche, Gespräche mit der Psychologin, ständiges Hoffen auf stabile Werte. "Das Warten auf 72 Stunden ohne Alarm war zermürbend", erzählt Ella. "Sobald die Sättigung kurz fiel, fing alles wieder von vorn an." Und doch – trotz aller Erschöpfung – fühlte sie sich getragen. "Die Pflegerinnen, die Ärztinnen – sie waren unglaublich. Sie haben gespürt, wenn man am Ende war, und genau dann die richtigen Worte gefunden."
Heute ist Florian fast dreieinhalb – "ein fröhlicher, vorsichtiger Kerl".
Seine kleine Schwester, 14 Monate alt, ist "ein Wirbelwind".
Was Ella aus dieser Zeit mitgenommen hat?
"Nichts für selbstverständlich nehmen. Geduld – besonders mit sich selbst. Jeden Tag ein kleines Stück. Und: Hilfe annehmen. Ich hätte es früher tun sollen."
"Als ich ihn wieder hergeben musste, hab' ich einfach nur geweint"
Annika Moosbrugger aus Andelsbuch kam ursprünglich nur wegen starker Rückenschmerzen ins Spital.
"Ich dachte, ich hab mich einfach verhoben oder zu viel gemacht", erinnert sie sich.
Doch nur wenige Stunden später änderte sich alles: Eine spontane Plazentaablösung – ihr Baby musste sofort geholt werden.
"Ich hab das gar nicht richtig verstanden. Vieles davon hat mir erst mein Mann später erzählt. Es war, als würde man neben sich stehen."
Ihr Sohn kam in der 28. Schwangerschaftswoche zur Welt – winzig klein, aber stark. "Er war 39 Zentimeter groß und fast 1,5 Kilogramm schwer. Dafür, dass er so früh kam, hatten wir wirklich großes Glück." Die ersten Tage und Wochen waren eine emotionale Achterbahnfahrt: Zunächst in Feldkirch, dann – aus Platzgründen – Verlegung nach Dornbirn. "Dort war es viel ruhiger, weniger kritisch – ich hab’ mich gleich wohler gefühlt. Die Schwestern und Ärzte haben sich so liebevoll gekümmert."
Das Schwerste war für Annika, ihr Baby immer wieder loslassen zu müssen. "Wenn du nach der Geburt dein Kind nicht im Arm halten darfst, bricht dir das Herz. Am ersten Tag, als ich ihn wieder hergeben musste, habe ich einfach nur geweint."
Ihr Sohn kämpfte sich tapfer ins Leben. "Von Anfang an ging es bergauf", sagt sie stolz. "Mit jedem Tag wurde er stärker." Heute, zwei Jahre später, ist von seiner Frühgeburt kaum mehr etwas zu merken. "Er hat alles aufgeholt - läuft, redet, ist voller Energie."
Annika ist dankbar für die Unterstützung, die sie im Krankenhaus bekommen hat – und möchte anderen Müttern Mut machen: "Lasst euch alles genau erklären, habt Vertrauen in das medizinische Team. Und sucht den Austausch mit anderen Frühchen-Eltern – das hilft enorm. Vor allem aber: Bleibt positiv. Diese kleinen Kämpfer sind stärker, als man glaubt."
(VOL.AT)
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